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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2007

Der Mönch im Parfümtempel
Der norwegische Journalist Tor Farovik reist durch Vietnam, Kambodscha, Thailand und Birma, lässt sich von Einheimischen einladen und erzählt in seinen Reportagen die Geschichte ihrer Länder, als habe er sie gerade frisch geträumt
Es ist der Abend vor dem Jahreswechsel in Hanoi. Der pensionierte Wirtschaftsprofessor Thach muss seinen 11 Verwandten erklären, warum er diesen bärtigen Norweger zum Fest der Feste mitgebracht hat. „Viele glauben, die Amerikaner seien das reichste Volk der Welt. Falsch! Neue Zahlen belegen, dass die Norweger noch reicher sind. Dieses Land hat alles, große Wälder, Fisch, Öl und Reis im Überfluss.” Als sein Bruder leise einwirft, Reis hätten sie ja nun keinen, die Norweger, nimmt der Professor auch gleich Abstand davon und fährt fort: „Dessen ungeachtet sind wir davon überzeugt, dass Ihre Gegenwart uns im neuen Jahr Glück und Reichtum bescheren wird.” Die Familie bestätigt das im Chor. Und nach dem festlichen Mahl wird der Norweger Tor Farovik noch Zeuge eines vietnamesischen Feuerwerks. Weil Feuerwerke verboten sind, stellen die Bewohner der engen Altstadtgassen Hanois die Lautsprecher vor die Tür und legen eine CD mit Böllerknallen ein.
Das Reisen ist meist dann am interessantesten, wenn aus dem Reisenden ein Gast wird, und auch ein Reisebuch entwickelt dort seine schönsten Momente und die größte Intensität, wo der Autor sein Gastsein beschreibt. Der norwegische Journalist Tor Farovik ist oft zu Gast. Auf seinen Reisen durch Vietnam, Kambodscha, Thailand und Birma lässt er sich treiben und macht immer wieder unerwartete, skurrile und stets lehrreiche Bekanntschaften. Ob dies nun der kauzige Wirtschaftsprofessor aus Hanoi ist, der Mönch an der Parfümpagode im Hinterland, der seinen kleinen Tempel als Nachtquartier vermietet, BBC-Nachrichten hört und sich über die abstürzenden grippekranken Vögel entsetzt, oder der Kondomkönig aus Bangkok, der seit Jahrzehnten mit seinem Verein den Thais die Scheu vor Kondomen nimmt – immer erzählen die Menschen mit ihrer persönlichen Geschichte auch etwas über die Geschichte und gegenwärtige Befindlichkeit ihres Landes.
Das Buch mit dem blumigen, aber wohl verkaufsträchtigen Titel „In Buddhas Gärten” besteht aus 25 Reportagen, von denen viele auch für sich alleine stehen könnten. Sie werden zwar von der buddhistischen Kultur zusammengehalten, die in allen vier Ländern dominiert, mehr noch aber, mit Ausnahme Thailands, von ihrer leidvollen, kriegsbestimmten jüngeren Geschichte. Ihr gilt das Interesse des Autors, fast mehr noch als den gastlichen Begegnungen. Seine Reise über den Ho Chi Minh-Pfad etwa nimmt er zum Anlass, auf vielen Seiten die Geschichte des Waffenschmuggels vom kommunistischen Nordvietnam ins amerikanisch dominierte Südvietnam zu schildern. Er tut dies mit Einfühlungsvermögen und großer Sachkenntnis und vor allem in kleinen Happen, verteilt auf die vielen Stationen seiner Reise. So erfährt der Leser nicht nur Zeitgenössisches, sondern auch viel über die Geschichte der Vorfahren seiner Gastgeber, ohne dass dies jahreszahlenschwanger oder seminarhaft trocken würde.
Wenn der Mönch am Parfümtempel über die fordernde Gläubigkeit der meisten Betenden lamentiert, so lernt man mehr Realitätsnahes über diese Religion, als in vielen halbesoterischen buddhistischen Büchern zu erfahren ist. „Sie beten zu Buddha, als wäre er ein Gott. Doch Buddha war ein Mensch und er ist tot”, sagt der Mönch. Er höre, im Tempel sitzend, die Gebete der Bauern mit. Sie würden Buddha bitten, dass ein Golfplatz nicht auf ihren Feldern gebaut werde, oder um Glück für die gerade eröffnete Karaokebar sowie um Tod und Verderben für den Steuereintreiber. Der Mönch macht sich keine Illusionen: „So ist es immer gewesen und so wird es auch in Zukunft sein.” Neben solchen Anekdoten erzählt Farovik en passant die buddhistische Gründungslegende von Siddhartha Gautama, als hätte er sie unter der ranzigen Decke im Parfümtempel geträumt.
Der Autor ist ein souveräner Zuhörer und Reporter, er wird getrieben von unerschöpflicher Neugier. Dass die Reportagen in der Ich-Form geschrieben sind, stört nicht weiter. Nur manchmal verzettelt er sich mit zu viel innerem Monolog, etwa, wenn er sich selbst Fragen stellt, die sich ohnehin aus dem Text ergeben, oder wenn er anhebt, zum Fluss zu sprechen: „Heiliger Mekong, seit vier Wochen habe ich dich nicht mehr gesehen!(. . .) Lebst du immer noch oder bist du inzwischen vertrocknet (. . .)?”
Zum Glück aber halten sich solche Passagen in Grenzen und werden überstrahlt von den handfesten Abenteuern, die der Norweger erlebt. In einem alten Peugeot fährt er mit seinem einheimischen Führer in den kambodschanischen Dschungel, zum Bruder des Massenmörders Pol Pot. Als Gastgeschenk haben sie große, gebratene Spinnen und eine fünfstöckige Pagodentorte dabei. Der Greis, der seinem Bruder aufs Haar ähnelt, erzählt, wie er selbst unter den Roten Khmer gelitten habe und wie er erst dann erfuhr, dass sein seit Jahren verschwundener Bruder der mächtige Pol Pot ist, als in seinem Dorf eine Gruppe junger Aktivisten dessen Porträt in die Höhe hielt. Natürlich ergänzt auch hier der Autor das subjektive Geschichtsbild des Alten mit den historischen Fakten, sodass der Leser sozusagen spielerisch am lebenden Objekt lernen kann. HANS GASSER
Tor Farovik
In Buddhas Gärten
Eine Reise durch Vietnam, Kambodscha, Thailand und Birma. Aus dem Norwegischen von Knut Krüger. Frederking & Thaler Verlag, München 2007. 384 Seiten mit farbigem Bildteil, 22 Euro.
Nebenbei auch Maskerade: Kinder schmieren sich in Birma Pflanzenextrakte ins Gesicht, die sollen sie vor der brennenden Sonne schützen. Foto: Farovik
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ebenso lehrreich wie spannend und unterhaltsam findet Rezensent Hans Gasser die Reisereportagen des norwegischen Journalisten Tor Farovik, dem er gern auf seiner Reise durch Vietnam, Kambodscha, Thailand und Birma folgte. Er hebt die zahlreichen Begegnungen mit Einheimischen hervor, die Farovik oft eingeladen und ihm ihre persönlichen Geschichten berichtet haben, die immer ein Licht auf Geschichte und Befindlichkeit ihres Landes werfen. Dabei bescheinigt er dem Autor, die subjektiven Erzählungen seiner Gastgeber mit historischen Fakten zu ergänzen. Darüber hat Gasser eine Menge über die Geschichte dieser Länder gelernt. Besonders lobt er in diesem Zusammenhang die Schilderung der Geschichte des Waffenschmuggels vom kommunistischen Nordvietnam ins amerikanisch dominierte Südvietnam. Hin und wieder scheint ihm der Autor zu viel auf inneren Monolog zu setzen. Insgesamt jedoch überwiegen zu seiner Freude die "handfesten Abenteuer".

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