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Zoran, der im Viertel rund um die Philippstraße seine ersten Berliner Jahre erlebt, erzählt hier von seinen Wurzeln in der jugoslawischen Heimat, den Streitereien der Eltern, den Mädchen und seiner sich langsam verändernden Freundesclique.

Produktbeschreibung
Zoran, der im Viertel rund um die Philippstraße seine ersten Berliner Jahre erlebt, erzählt hier von seinen Wurzeln in der jugoslawischen Heimat, den Streitereien der Eltern, den Mädchen und seiner sich langsam verändernden Freundesclique.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.07.2000

Lebenshunger
Ein Junge aus Jugoslawien erlebt seine Kindheit in Berlin
ZORAN DRVENKAR: Im Regen stehen; Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2000. 220 S. , 14. 90 Mark.
Der Held des Buches heißt, wie der Autor, Zoran; er kam als Kind aus Jugoslawien nach Berlin. Zoran im Alter von fünf bis vierzehn: das ist eine außergewöhnliche Geschichte, gerade weil sie so gewöhnlich ist und hineinzieht in ein Buch, das ich mir neben Huckleberry Finn ins Regal gestellt habe: der Sohn des Trunkenbolds aus St.  Petersburg am Mississippi neben Zoran aus Jugoslawien im Charlottenburg der 70er Jahre.
Und so sieht Zorans Alltag aus: Angst vor der Scheidung der Eltern, Klauen beim Aldi, Selbstmordversuch der Mutter. Das Buch lebt von Alltagsgeräuschen, Alltagssorgen, Alltagskümmernissen. Und es ist dabei so schonungslos ehrlich, wie man schon lange kein Jugendbuch mehr gelesen hat. An keiner Stelle versucht es zu schmeicheln, aber selbst dort, wo es roh zugeht, rührt es an. „Im Regen stehen” schildert die banalen Freuden und Leiden in der Jugendclique, die Sehnsüchte, die trotzige Neugier, den Lebenshunger der Kinder, die keine Kinder mehr sein wollen, die Zärtlichkeit suchen und Anerkennung, die Sex und Gewalt erleben und ausprobieren. Am Schluss mündet die Geschichte in einer merkwürdigen Vergewaltigung. Sie lässt den Leser voller Angst mit der Frage zurück, wie es weitergeht mit Zoran. Eine Frage, wie sie sich Experten auf einem Jugendgerichts- oder Jugendhilfetag stellen. Von Menschen wie Zoran spricht der Bundespräsident, wenn er von Integration spricht.
Das Buch ist spannend, und es erspart mindestens ein Dutzend wissenschaftlicher Artikel zu den Problemen junger Ausländer in Deutschland. Es ersetzt den Besuch von mehreren einschlägigen Tagungen – und es macht viel mehr Vergnügen. Wenn man es in der S-Bahn liest, kann es geschehen, dass man auszusteigen vergisst. „Im Regen stehen” ist kein Buch mit Multikulti-Romantik, keine Werbung für die Vielfalt der Kulturen – sondern einfach eine gute Geschichte, gut erzählt.
HERIBERT PRANTL
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2000

Helden wie er - im Regen
Die beiden neuen Romane von Zoran Drvenkar

Im Theater wird das manchmal gemacht: Die Inszenierung eines Stückes kommt in einer späteren Saison wieder auf die Bühne, aber der Regisseur hat hier etwas gestrafft, dort etwas erweitert. Es ist die gleiche Inszenierung, aber es ist nicht mehr dasselbe Stück. In der Literatur, besonders der für Kinder und Jugendliche, geschieht das gewöhnlich nicht; zu stark ist der Zwang, immer Neues auf den Markt zu bringen oder zumindest etwas, das neu aussieht. Zoran Drvenkar aber hat es jetzt einfach getan. Der junge Berliner Autor wurde vor zwei Jahren mit dem Buch "Niemand so stark wie wir" bekannt, der offenbar autobiografischen Geschichte einer Jugendclique im Berliner Stadtteil Charlottenburg der siebziger Jahre. Mit "Im Regen stehen", seinem jüngsten Werk, kehrt Drvenkar nun an den Schauplatz und in die Zeit seines ersten Buches zurück, als wäre er einer seiner Helden, der nach den großen Ferien vor dem Haus Nummer sechs in der Philippistraße herumlungert, um zu gucken, was anliegt und ob die Freunde von vor sechs Wochen überhaupt noch Freunde sind.

Sie sind es mehr denn je. Es scheint, als hätte Drvenkar mit diesem neuen Anlauf überhaupt erst den eigenen Ton und Rhythmus gefunden. War sein erstes Buch noch etwas kraftmeierisch - voller gewollt poetischer Sprüche, dazu gespreizte Vergleiche und Bilder -, so ist "Im Regen stehen" straffer, weniger selbstbespiegelnd. Der Ich-Erzähler, der wie sein Autor Zoran heißt, bringt nach wie vor seine markanten Sprüche, und er verzichtet auch nicht auf eigenwillige Vergleiche. Aber all dies ist im Erzählfluss aufgelöst, ragt nicht mehr heraus als ein Hinweisschild auf die Fähigkeiten des Autors. So kann der Leser sich ungehindert durch die Geschichte tragen lassen.

Lebendig wird sie durch Kleinigkeiten wie Seitenblicke und Nebengeräusche. Als den Jungen klar wird, dass sie ihren geliebten Fußballplatz verlieren werden, gehen sie stumm weiter, derart mit der Nachricht beschäftigt, dass an der Ampel keiner von ihnen daran denkt, bei Rot hinüberzugehen. Weil aber Zoran Drvenkar daran denkt, genau dies aufzuschreiben, erhält sein Roman Substanz zum Miterleben, nicht zum Mitdenken. Der Morgen, an dem Zorans Mutter einen Selbstmordversuch unternimmt, ist voller Alltagsgeräusche, denn Zoran sitzt in der Küche und wartet darauf, dass sie endlich aus dem Bad kommt - da achtet man auf jeden Laut. Sei es die vertrocknete Bohne, die Zoran entdeckt und sich in den Mund steckt, als er, von der Mutter vertrimmt und angespuckt, am Boden liegt, sei es der Schokoladenmundgeruch seines Freundes nach dem Fünfmarks-Aldi-Einkauf: Immer erlebt der Leser unmittelbar, aber unmerklich den nächstliegenden sinnlichen Eindruck mit.

"Im Regen stehen" zeigt die Jungen in härterem Licht. Es geht um mehr, wenn man nicht mehr neun ist: Die Schulwahl sortiert die Jungen auseinander, Sex wird wichtig, in den Angebereien ist Drohung, auch unter Freunden. Der Lebenshunger ist groß, jede Erfahrung wird in tiefen Zügen eingeatmet, auch wenn es einem danach übel wird. Straßenstaubig ist ihre Geschichte oder voller Schneematsch, je nach Jahreszeit, jedenfalls immer ehrlich. Drvenkar wagt es, die Energie, die Trostlosigkeit und die trotzige Neugier vorzuführen, mit denen ein Halbstarker Sex und Gewalt erlebt, sucht und meidet. Das macht das Buch für Jugendliche interessant; es braucht dazu keinerlei aktuellen Zeitbezug.

Zoran Drvenkar hat also wahr gemacht, was sein Held den Freunden versprach: "Ich schreibe über uns. Wenn mir nichts anderes einfällt." Es ist ihm aber noch etwas anderes eingefallen. Zeitgleich mit "Im Regen stehen" erscheint von ihm ein Kinderroman. "Der Winter der Kinder" erzählt von Alissa, die ständig friert, weil sie mit dem Tod ihres Vaters nicht zurechtkommt. Das Verantwortungsgefühl für ihre ebenfalls tieftraurige und daher nicht immer ansprechbare Mutter lastet zusätzlich auf ihr. Zum Glück hat sie eine äußerst fidele Oma. So kommt eine schwergewichtige Geschichte zustande, die ganz oben auf der Welle der kinderliterarischen Modethemen schwimmt - Tod und Tränen, abwesender Vater, unfähige Mutter, rettende Senioren - und die für Kinder so lästig sein muss wie ein Besuch bei einem unbegabten Schulpsychologen.

Ist es so schwer, ein Kinderbuch zu schreiben, selbst wenn man ein guter Erzähler ist? Dass der Verlag sich überhaupt dazu entschlossen hat, das Buch über Alissa herauszubringen, spricht dafür - Drvenkars Text war wahrscheinlich noch einer der besten, die zur Auswahl standen. Wenn von ein und demselben Autor zwei so unterschiedliche Werke erscheinen, ist das symptomatisch für die traurige Lage der Kinderliteratur insgesamt. Unter den Jugendbüchern findet man immer einige, denen man anmerkt, dass der Autor seinen Figuren und dem Geschehen nahe ist. Die Schreiber der meisten Kindergeschichten dagegen fischen im Trüben und bringen doch oft nur Belehrung, Anbiederung oder eine erzwungen poetische Sprache zutage, also Langeweile. Die wenigen Autoren, die Kindergeschichten schreiben können, die sich länger als eine Saison halten, sind meist jenseits der sechzig, ausgenommen Kirsten Boie, die ist fünfzig. Was fehlt dem Nachwuchs?

MONIKA OSBERGHAUS.

Zoran Drvenkar: "Im Regen stehen". Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2000. 221 S., br., 12,90 DM. Ab 12 J.

"Der Winter der Kinder oder Alissas Traum". Oetinger Verlag, Hamburg 2000. 196 S., geb., 19,80 DM. Ab 10 J.

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Ein im Berlin der 70er Jahre aufgewachsener jugoslawischer Junge erzählt von sich, seiner Familie, seinen Freunden. "Das Buch ist spannend, und es erspart mindestens ein Dutzend wissenschaftlicher Artikel zu den Problemen junger Ausländer in Deutschland. Es ersetzt den Besuch mehrerer Tagungen - und es macht viel mehr Vergnügen. Wenn man es in der S-Bahn liest, kann es geschehen, das man auszusteigen vergisst." (Süddeutsche Zeitung.)