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Ein Reisender macht in einem Hotel eine jener Zufallsbekanntschaften, die nichts Zufälliges zu haben scheinen. Er trifft eine junge Frau, die sich, ohne lange zu überlegen, dem Reisenden anschließt. Sie folgt ihm auf einer Reise quer durch Europa bis in den Jerusalemer Felsendom. Sie machen bei einem Informatiker, einem "idiot savant", einem Geigensammler und einem sehr diesseitigen Theologen Station, von denen sie sich Antworten auf ihre Fragen erhoffen: Was ist und wo sitzt das Bewußtsein? Was erkennen wir, wenn wir etwas erkennen? Warum können Computer keine Gesichter erkennen? Ist die…mehr

Produktbeschreibung
Ein Reisender macht in einem Hotel eine jener Zufallsbekanntschaften, die nichts Zufälliges zu haben scheinen. Er trifft eine junge Frau, die sich, ohne lange zu überlegen, dem Reisenden anschließt. Sie folgt ihm auf einer Reise quer durch Europa bis in den Jerusalemer Felsendom. Sie machen bei einem Informatiker, einem "idiot savant", einem Geigensammler und einem sehr diesseitigen Theologen Station, von denen sie sich Antworten auf ihre Fragen erhoffen: Was ist und wo sitzt das Bewußtsein? Was erkennen wir, wenn wir etwas erkennen? Warum können Computer keine Gesichter erkennen? Ist die Seele in der Unvollkommenheit zu suchen?
Aber die Reise findet ein abruptes Ende, als die junge Frau ebenso überraschend verschwindet, wie sie aufgetaucht ist. Nicht ohne dem Reisenden einen einzigartigen Gegenstand zu stehlen.
Autorenporträt
Prof. Dr. Dr. h.c. Valentin Braitenberg, Hirnforscher, war u.a. Direktor am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen und Honorarprofessor an den Universitäten Tübingen und Freiburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.1999

Himmel, Orros und Zwirn
Rein platonisch: Valentin Braitenberg sucht die Seele

Der Vergleich des weiblichen Körpers mit einem Musikinstrument ist ein Topos literarischer Lobrede, der feministischen Kritikern wenig Freude bereiten dürfte. Jedoch haben Musiker mitunter tatsächlich zu ihrem Instrument ein erotisches Verhältnis und schleppen es nicht nur zu Übungszwecken mit sich herum. In Valentin Braitenbergs Roman "Ill oder Der Engel und die Philosophen" müht sich, obwohl er gar nicht spielt, ein Mann unbestimmten Alters mit seinem Geigenkasten ab. Er ist auf Hotelsuche in einer mediterranen Stadt.

Von der jungen Frau, die ihm mit seinem Gepäck behilflich ist, weiß er nur die ersten Buchstaben ihres Namens: Ill. Dennoch nehmen sie gemeinsam ein Doppelzimmer, und während die unbekannte Schöne sich im Bad für die Nacht zurechtmacht, liebkost der "Verliebte" sein Saiteninstrument, bewundert die "kecke Sorglosigkeit der Einzelheiten" und streichelt den "unverschämten Bauch". Dann wird die Geige sanft gebettet und . . . , haste da noch Töne, man sagt sich "Gute Nacht".

Eine platonische Dreiecksbeziehung nimmt ihren Lauf. Wie die Geige nie erklingt, so sprechen auch die Körper nicht zueinander. Jedenfalls wird nichts dergleichen erzählt, was in einem Roman dasselbe ist. Die Seelen haben sich dafür um so mehr zu sagen. Beim Frühstück etwa führen sie Gespräche, die Ill mit einem Satz wie dem folgenden einleitet: "Wenn einer in so viele verschiedene Richtungen strebt, dann muß das, was ihn antreibt, wohl dort sein, wo er herkommt, nicht dort, wo er hinwill." Doch statt sich oder sein Gegenüber näher vorzustellen, grübelt der Erzähler lieber über das Wesen der Schönheit nach.

Kein Wunder, daß ein so niedrigtouriger Seelenwagen einst durch lobende Worte eines Kollegen über den "Popo" der früheren Geliebten glatt aus der Kurve geworfen wurde: "Es konnte nicht ausbleiben, daß sich meine Blicke auf die erwähnte Portion der liebenswerten Gestalt, im folgenden in der Sprache Platons Orros genannt, richteten, zuerst nur flüchtig, dann aber immer bestimmter dorthin zurückkehrend und zuletzt bei jeder Gelegenheit auf ihm verweilend." Verzeihen wir einem Naturwissenschaftler die nachfolgenden geometrischen Beschreibungen der "gestaltlichen Stimmigkeit" eines Frauenhinterns - jedem die Metaphern, die er verdient. Auch wenn das selbstironische Gelehrtensatire sein soll, wirkt solcher Humor einfach akademisch-verklemmt und geht dem Leser schlicht am Orros vorbei.

Gemeinsam ziehen die beiden los, das Rätsel der menschlichen Seele zu lösen, und machen Station bei allerlei weisen Menschen, von denen sie Erleuchtung erhoffen. Sie besuchen einen berühmten Bewußtseinstheoretiker, lassen sich von einem Experten für künstliche Intelligenz seine neuplatonische Version der Evolutionstheorie erklären und hören einen physikalischen Autodidakten und Wissenschaftskritiker über die Suche nach der Weltformel. Schließlich landen sie bei einem philosophierenden Geigenbauer, dessen Bruder, ein Geistlicher, einen krassen Materialismus vertritt. Die begreiflicherweise kontroversen Disputationen lassen keine wesentliche Frage aus und nehmen gut drei Viertel des "Romans" ein. Irgendwann reißt dem um eine Handlung geprellten Leser der Geduldsfaden wie eine überstrapazierte Saite. Da kann Braitenberg noch so sehr betonen, daß alles Interessante zwischen den Zeilen stehe - Ill und ihr Gefährte (besser: Kommilitone) bleiben so blutleer wie ein Buchrücken, der ja bekanntlich auch keinen Hintern hat.

Am Schluß entpuppt sich Ill als polizeilich bekannte Geigendiebin. Diese Wendung ist ein Überraschungsgast zu später Stunde, der die Veranstaltung nicht mehr retten kann: Die meisten Leser dürften die Zugabe nicht abgewartet haben. Dabei ist es fraglos lesenswert, wie Braitenberg - er ist der ehemalige Direktor des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik - zu aktuellen Debatten um die Gentechnik, die Chaostheorie oder die Suche der Physiker nach der Super-Symmetrie Stellung bezieht. Nur wollte der mittlerweile emeritierte Gelehrte mehr als einen wissenschaftstheoretischen Grundkurs namens "Valentins Welt" schreiben. "Lebewesen sind Fleisch gewordene Informationen", wirft Ill einmal in die Runde ein. Doch bleibt sie selbst eine reine Kopfgeburt. RICHARD KÄMMERLINGS

Valentin Braitenberg: "Ill oder Der Engel und die Philosophen". Roman. Haffmans Verlag, Zürich 1999. 160 S., geb., 32,- DM.

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Eine kurze Geschichte von der Seele - "Was bleibt sind Fragen: Fragen zum Weitergrübeln, kluge Fragen ... 'Alles Interessante ist zwischen den Zeilen', heißt es einmal. Stimmt: Wer dort sucht, findet in diesem Buch jede Menge kleiner Juwelen." Der Spiegel