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Wie war das damals in den Sechziger- und Siebzigerjahren, als Velveta und Toast Hawaii den Abendbrottisch bereicherten, der erste VW Käfer vors Haus kam, Heide Rosendahl Weitsprung-Gold holte, Willy Brandt zurücktreten musste und der Kontakt zum anderen Geschlecht so mühsam war?Rainer Moritz erzählt von sich, vom Aufwachsen in einer kleinen Stadt. Wunderbare Jahre ziehen vorbei: mit familiären Sternstunden, österreichischen Sommerurlauben, angenehm unaufgeregten Fern seh aben den und mit unvergessenen Sportmomenten. Vieles war sonderbar und doch wieder typisch für diese Zeit vor '68, als die…mehr

Produktbeschreibung
Wie war das damals in den Sechziger- und Siebzigerjahren, als Velveta und Toast Hawaii den Abendbrottisch bereicherten, der erste VW Käfer vors Haus kam, Heide Rosendahl Weitsprung-Gold holte, Willy Brandt zurücktreten musste und der Kontakt zum anderen Geschlecht so mühsam war?Rainer Moritz erzählt von sich, vom Aufwachsen in einer kleinen Stadt. Wunderbare Jahre ziehen vorbei: mit familiären Sternstunden, österreichischen Sommerurlauben, angenehm unaufgeregten Fern seh aben den und mit unvergessenen Sportmomenten. Vieles war sonderbar und doch wieder typisch für diese Zeit vor '68, als die Welt in Deutschland gerade wieder und noch in Ordnung war. Wurden die heute 50-Jährigen deshalb, wie sie sind?
Autorenporträt
Dr. Rainer Moritz, geb. 1958 in Heilbronn, war vor seiner Tätigkeit als Leiter des Literaturhauses in Hamburg, Programmchef und Cheflektor bei Reclam Leipzig. Anschließend, von 1998 an, kam er als Programmgeschäftsführer des Hoffmann und Campe Verlags nach Hamburg. 2015 wurde ihm vom Hamburger Senat der Ehrentitel 'Professor' verliehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.07.2008

Wie war ich, Peggy?

Für Rainer Moritz, den Leiter des Hamburger Literaturhauses, sind Bücher Lebensmittel, von denen man nicht genug haben kann, weshalb er laufend selber welche schreibt. Trotz germanistischer Promotion geht er so entspannt mit der Literatur um wie mit seinen Steckenpferden Schlager und Fußball. Er spaziert mit Proust durch Paris, verbringt eine Nacht mit "Lolita" oder fährt mit dem Staubwedel durch Mörikes Werk. Schon in seiner Jugend im Heilbronn der sechziger und siebziger Jahre hat er sich nicht nur von der "Bravo", sondern auch von Beckett, Camus, Frisch oder Nossack beraten lassen. "Zitate kräftigten, als sei es mit ihnen an der Seite leichter, sich ein anderes Leben vorzustellen, ein gerechteres, ein humaneres." Toast Hawaii schmeckte Rainer Moritz. Man sieht es auf den Photos, dass er gern aß, auch Velveta "mit Schinkengeschmack, da hatte man beides, Wurst und Käse". Montags hörte er die Schlagerskala im Radio, einmal durfte er sogar in der Sendung auftreten. Deshalb hat er nicht Che Guevara verehrt, sondern Peggy March. Seinen ersten VW Käfer hat er mit Letraset Adelina getauft, nach einem Stück von Richard Clayderman, dem Schnulzenpianisten. Fan der Münchner Löwen zu sein war allerdings schon seinerzeit eine ziemliche Passion. Dafür entschädigte Radenkovic und sein Standardwerk "Das Spielfeld ist mein Königreich", mit dem sich Moritz zum Spitzentorwart weiterbildete, theoretisch jedenfalls. Unprätentiös auch in den kritischen Randbemerkungen, beschreibt das Wirtschaftswunderkind typische Erfahrungen seiner Generation, die sich zum Bild einer sympathischen Frohnatur fügen, die gut damit leben kann, "nichts Besonderes" zu sein. (Rainer Moritz: "Ich Wirtschaftswunderkind". Mein famoses Leben mit Peggy March, Petar Radenkovic und Schmelzkäseecken. Piper Verlag, München 2008. 302 S., geb., 19,90 [Euro].) fap

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.08.2008

Schönen Gruß vom Getriebe
Aus der Wirtschaftswundergeneration: Rainer Moritz erzählt von seiner Jugend mit Käseecken
Zwischen den Achtundsechzigern und der „Generation Golf” fristen die geburtenstarken Jahrgänge, für die der Schlagwortindustrie die etwas alberne Bezeichnung „Baby-Boomer” eingefallen ist, ihr popkulturell unergiebiges Dasein. In den USA nennt man sie „Generation Jones”, was nach Durchschnitt und Unauffälligkeit klingt. Aus dieser Gruppe hat manch einer jetzt die Fünfzig erreicht, so auch der amtierende Hamburger Literaturhausleiter Rainer Moritz. Als Autor ist er Spezialist für Themen, die viele bewegen, Schlager und Fußball zum Beispiel, und so überrascht es kaum, dass er zu seinem runden Geburtstag, stellvertretend für seine still vor sich hin boomenden Altersgenossen, die Kinder- und Jugendzeit der „Wirtschaftswundergeneration” wieder auferstehen lässt.
Der Begriff sagt mehr aus als die erwähnten, beschwört er doch jene Periode der Nachkriegsgeschichte herauf, in der die Welt den Westdeutschen endlich wieder – und gerade noch – in Ordnung schien. Wer damals in mittlere Verhältnisse hineingeboren wurde, begann seinen Lebensweg in einem mangelfreien, aber noch ans Maßhalten gewöhnten Milieu, dessen selbstzufriedene Spießigkeit an der Oberfläche so zementiert wirkte wie die Dauerwellfrisuren der Damen. Unterschwellig nagten daran von der einen Seite die Gespenster der Vergangenheit, von der anderen der Unruhegeist einer Liberalisierung, die mindestens ebenso viel mit den Erfordernissen der Ökonomie zu tun hatte wie mit der anschwellenden politischen Revolte. Doch als gut gemästetes Kind der späten fünfziger Jahre konnte man die Umbrüche der Sechziger und Siebziger ohne größere Beunruhigungen an sich vorüberziehen lassen, zumal wenn man, wie Rainer Moritz, im schwäbischen Heilbronn aufwuchs.
Sein Erinnerungsbuch setzt im Kindergartenalter ein und endet mit dem Abitur, oder vielmehr mit Isabelle Huppert, die zur gleichen Zeit ihren Leinwandauftritt als „Spitzenklöpplerin” hatte. Die Aufzeichnungen folgen der Chronologie nur locker und sprunghaft, sind dafür aber Themen zugeordnet wie „Familie”, „Schule”, „Politik & Gesellschaft”, „Essen & Trinken”, „Film & Fernsehen”. Den früh ausgeprägten Neigungen des Verfassers entsprechend, spielen außerdem „Bücher”, „Musik”, „Sport” und „Erotik” eine gliedernde Rolle.
Hier wird aufgegessen
Die Erzählung gibt sich weder aufgekratzt humoristisch, noch will sie analysieren. Sie bleibt konsequent dokumentarisch und versetzt sich in die geschilderten Jahrzehnte mit einer Mischung aus Scheinnaivität und gemütvollem Phlegma, die im Maßstab eins zu eins das damalige Lebensgefühl abbildet. Der Gruseleffekt dieser Lakonie ist verblüffend. Etwa wenn es um Ernährungsfragen geht: „Grundsätzlich ließ sich gegen Schmelzkäse nichts sagen. Wie bei Fleischküchle, Leberwurst und Teewurst – warum hieß die so? –, wusste man nicht so genau, woraus er bestand. Gulasch aßen wir nie in der Wirtschaft. Wer weiß, was die da alles hineinschneiden, Fettreste und Sehnen. Schmelzkäse gab es auch in kleinen Dreiecksformen, die noch mühsamer zu öffnen waren, was aber nicht so schlimm war, weil man ihren Inhalt meistens in einem Schwung aufaß. Mit Kräutern gab es die und mit Schinkengeschmack, da hatte man beides, Wurst und Käse. Und gar nicht teuer.”
Dazu die Abbildung einer zeitgenössischen „Velveta”-Reklame – und schon hat sich ein seitenlanger mentalitätsgeschichtlicher Essay erübrigt. Sparsam, aber prägnant illustriert ist das Buch ansonsten mit Bildern aus dem Familienalbum, Starporträts und Fernseh-Standfotos, die Gleichaltrige ebenso heimatlich berühren dürften wie die zitierten Spruchweisheiten und Lebensparolen der Erzeugergeneration. Moritz verwendet sie als Kapitelüberschriften und lässt einen Knaller den anderen jagen: „Schönen Gruß vom Getriebe”, „Dein Teller wird aufgegessen”, „Die hat uns an den Ami verraten” (über Marlene Dietrich), „Dass so einer fürs Fernsehen drehen durfte” (über Rainer Werner Fassbinder) - und so fort, bis die Nackenhaare senkrecht stehen. Es sind auch die leiseren Äußerungen festgehalten, die den atmosphärischen Cocktail um eine Giftnote bereichern: „Juden sind das, hieß es beim Mittagessen, als ich erzählte, dass ich nachmittags zu Blumensteins zum Tischtennisspielen gehen würde... Natürlich könne ich dorthin gehen .... Am Abend wurde ich eingehender als sonst befragt. Was wir gemacht hätten. Wie es bei den Blumensteins aussähe. Ob die Eltern da gewesen seien.” Die Verbindung zu den Terroristen, die wenig später im Zeitgeistpanorama erscheinen („So weit ist es gekommen, dass wir diese Kriminellen füttern, auf Staatskosten!”), darf jeder selbst herstellen.
Bei Rainer Moritz wurde das Syndrom der „Generation Jones” verstärkt durch seine Position als zweites von drei Kindern: „Als Mittelkind läuft man mit, fällt nicht auf, ist nichts Besonderes.” Ausgleichend mag gewirkt haben, dass ihn bei der Geburt nur ein Jahr und 90 Kilometer von Harald Schmidt trennten. Am Ende seiner Rückschau stellt sich das leicht makabre Gefühl ein, zwischen 1958 und 1977 habe sich in der Bundesrepublik kaum etwas verändert. Bei einem Buch mit dem Untertitel „Mein famoses Leben mit Peggy March, Petar Radenkovic und Schmelzkäseecken” ist dieser doppelte Boden eine Überraschung.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
RAINER MORITZ: Ich Wirtschaftswunderkind. Piper Verlag, München 2008. 304 Seiten, 19,90 Euro.
Die Schönheit der frühen Sechziger. Man ist nichts Besonderes: Straßenszene in Heilbronn, 1963. Foto: TV-yesterday
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Eingenommen ist Kristina Maidt-Zinke von Rainer Moritz' Buch über seine Kindheit und Jugend in den 60er und 70er Jahren. Die heute 50-Jährigen fristen in ihren Augen zwischen den Achtundsechzigern und der "Generation Golf" ein "popkulturell" eher "unergiebiges Dasein". Schon deshalb begrüßt sie Moritz' Erinnerungsbuch, das die Jahre 1958 bis 1977, den Zeitraum vom Kindergarten bis zum Abitur umspannt. Das Buch scheint ihr auch deshalb gelungen, weil der Autor verzichtet, sich als Humoristen zu gerieren oder - alternativ - alles zu analysieren. Die einer lockeren Chronologie folgenden, in Themen wie "Familie", "Schule", "Politik und Gesellschaft", "Essen und Trinken", "Film und Fernsehen" gegliederten Ausführungen bleiben ihres Erachtens "konsequent dokumentarisch". Moritz versetze sich "in die geschilderten Jahrzehnte mit einer Mischung aus Scheinnaivität und gemütvollem Phlegma, die im Maßstab eins zu eins das damalige Lebensgefühl abbildet". Am Ende der Rückschau bleibt bei Maidt-Zinke ein gewisse Verwunderung darüber, dass sich in Deutschland in den Jahren 1958 bis 1977 doch so wenig geändert hat.

© Perlentaucher Medien GmbH