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Lana Gogoberidse zählt zu den wichtigsten Filmemacherinnen Georgiens. In ihrer Autobiografie korrespondieren Erinnerungen auf ganz besondere, persönliche Art und Weise mit der georgischen Geschichte sowie der Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts.Gogoberidse wächst in einer Welt voller Brutalität und Unsicherheit auf. In der Zeit des Großen Terrors wird ihr Vater 1937 als »Feind des Volkes« hingerichtet und ihre Mutter zu 10 Jahren Lagerhaft verurteilt. Besonders der Verlust der Mutter bildet eine tiefe Zäsur in Gogoberidses Leben, den sie auch immer wieder in ihrem künstlerischen Schaffen…mehr

Produktbeschreibung
Lana Gogoberidse zählt zu den wichtigsten Filmemacherinnen Georgiens. In ihrer Autobiografie korrespondieren Erinnerungen auf ganz besondere, persönliche Art und Weise mit der georgischen Geschichte sowie der Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts.Gogoberidse wächst in einer Welt voller Brutalität und Unsicherheit auf. In der Zeit des Großen Terrors wird ihr Vater 1937 als »Feind des Volkes« hingerichtet und ihre Mutter zu 10 Jahren Lagerhaft verurteilt. Besonders der Verlust der Mutter bildet eine tiefe Zäsur in Gogoberidses Leben, den sie auch immer wieder in ihrem künstlerischen Schaffen thematisiert. Ihren internationalen Durchbruch feiert Gogoberidse mit ihrem autobiografisch beeinflussten Film »Einige Interviews zu persönlichen Fragen«, der 1979 den Grand Prix in San Remo gewinnt.Gogoberidses Memoiren erzählen die einzigartige Geschichte einer herausragenden Künstlerin, starken Frau und engagierten Politikerin, die schließlich mit fast 90 Jahren wieder am Filmset steht.
Autorenporträt
Lana Gogoberidse, geb. 1928 in Tbilissi, studierte bis 1958 in Moskau Regie. Trotz Problemen mit der sowjetischen Zensur schaffte sie es, ihre Filme international zu präsentieren. 1984 war sie Teil der internationalen Jury der 34. Berliner Filmfestspiele. Nach der Unabhängigkeit Georgiens engagierte sie sich in der Politik: 1992 bis 1995 als Abgeordnete im georgischen Parlament, ab 2004 als Botschafterin nach Paris.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.07.2019

Der Weg nach Paris führte lange über Moskau
Die georgische Regisseurin und Politikerin Lana Gogoberidse blickt auf ihr Leben und die Geschichte ihrer Nation zurück

Im Herbst 2018 waren die 33 Buchstaben des georgischen Alphabets als Leuchtbalken auf der Frankfurter Buchmesse installiert. Auf die Nation am östlichen Ufer des Schwarzen Meers waren in diesem Jahr die Blicke der verlegerischen Welt gerichtet. Für die Filmemacherin, Übersetzerin und Politikerin Lana Gogoberidse bedeuteten diese Installation und das damit verkündete Bündnis zwischen dem lateinischen und dem östlichen Europa eine große Genugtuung. Sie sah darin eine Erlösung ihres Landes aus der Einsamkeit. "Im Lauf unserer blutigen Geschichte waren wir immer allein", schreibt sie gegen Ende ihrer nun auf Deutsch vorliegenden Autobiographie. Georgien sei "eine kleine, einsame verlassene Nation, umringt von großen und mächtigen Ländern. Sie bekämpften und überfielen uns, zerstörten unsere Kathedralen und Kirchen. Doch wir überlebten. Und was am wichtigsten ist, auch unsere Kultur überlebte."

Heute unterhält die Europäische Union eine "östliche Partnerschaft" mit Georgien, das Land ist Mitglied des Europarats, allerdings sind die Beziehungen zu Russland nach wie vor schwierig. Wenn man Gogoberides Erinnerungen gelesen hat, wird man besser verstehen, warum das so ist. Sie kam 1928 in Tiflis zur Welt. Von den gut siebzig Jahren des Bestehens der Sowjetunion erlebte sie den allergrößten Teil mit. Die Kindheit stand im Zeichen der gewalttätigen Konsolidierung des Kommunismus. Eine Anekdote aus der Schulzeit macht schon nach wenigen Seiten vieles klar. Lana soll für eine Feier zum 1. Mai ein Gedicht zum Aufsagen vorbereiten. "Auf die Barrikaden" von Victor Hugo, einmal in georgischer, einmal in französischer Sprache. Doch kurz vor dem öffentlichen Ereignis nimmt die Lehrerin das Kind zu Seite und macht ihm seine Sonderrolle deutlich: "Bitte, sei nicht traurig, mein Liebes! Kinder, deren Väter verhaftet sind, dürfen keine Gedichte in der Öffentlichkeit deklamieren. Um dich ist es ja noch schlechter bestellt, weil deine beiden Eltern in Haft sitzen."

Lana Gogoberidse stammt aus einer Familie, die zum kommunistischen Establishment in Georgien zählte. Beide Eltern gerieten früh in die Mühlen der Parteisäuberungen, der Vater wurde hingerichtet, als sie sieben Jahre alt war. Umso erstaunlicher ist, wie sehr die Kindheit bei Verwandten auch glückliche Jahre waren. Während die Mutter in einem Lager im hohen Norden festgehalten wird, lebt Lana in einem Universum mit vielen originellen Menschen und reichen kulturellen Bezügen. Im Rückblick spricht sie ausdrücklich davon, dass die sprichwörtliche "georgische Heiterkeit" auch eine Reaktion auf den Terror war. Und es macht vieles über ihr Heranwachsen deutlich, dass sie diesen Widerspruch ("grenzenlose Freude" in einer bedrückenden Situation) sowohl mit Hilfe eines Gedichts von Baudelaire wie auch mit Zeilen des Nationaldichters Wascha-Pschawela für sich interpretiert: "Das Leben schenkte mir Gift ein, ich trank's wie kachetischen Wein."

Das Buch bekommt seinen Titel also von einer Zeile, die sowohl geographisch wie historisch dem Heimatland von Lana Gogoberidse Tribut zollt. Die Schilderung der Landschaften, darunter eben prominent das östliche Kachetien, nimmt viel Platz ein, und die "Fröhlichkeit der Georgier" reicht weit zurück, bis ins zwölfte Jahrhundert, der Name Gogoberidse ist sogar noch älter. Für Lana Gogoberidse sind die kulturellen Koordinaten klar: Das geistige Zentrum ist Paris, sie schaut aber auch nach Indien, wo sie in Rabindranath Tagore eine wichtige Inspiration findet; in Moskau geht sie nach dem Krieg und einer Dissertation über Walt Whitman auf die Filmschule, und sie gerät mitten hinein in die inoffizielle literarische Kultur, sie lernt Anna Achmatowa und Boris Pasternak kennen, sie studiert bei Größen wie Sergei Gerassimow und Michail Romm.

Der zweite Teil von Lana Gogoberidses Lebenserzählung handelt neben den unausweichlichen Erfahrungen mit der sowjetischen Zensur auch von vielen neuen Möglichkeiten. Das georgische Kino blüht seit den sechziger Jahren: Edgar Schengelaia, Otar Iossellani werden zu neuen Helden im internationalen Festivalbetrieb, und so verhält es sich auch mit Lana Gogoberidse. Sie kommt nun viel herum, diskutiert in Paris mit Natalie Sarraute über Israel und sieht Pasolinis "Porcile", den sie so verabscheut, dass sie ihrer Reaktion auf zwei Seiten ausführlich Platz einräumt. Obzwar hier auch daran zu denken wäre, dass es zwischen dem poetischen Optimismus der georgischen Künstlerin und Pasolinis Hoffnung auf ursprüngliche, gleichsam gegenimperiale Kulturen interessante Bezüge gibt; während die in "Porcile" erkennbaren kulturtheoretischen Annahmen Pasolinis von Gogoberidses Wahrnehmung der Welt nicht weiter entfernt sein könnten.

Mit dem Ende der Sowjetunion erlebte Georgien schließlich seine größte Herausforderung: ein neues nationales Selbstverständnis zu finden, ohne dabei in Nationalismus und Ressentiment zu verfallen. Gogoberidse bekleidet in den neunziger Jahren für einige Zeit politische Ämter. 1994 fliegt sie zum ersten Mal direkt nach Paris. Das Detail ist bezeichnend, denn davor verliefen für sie und ihre Landsleute alle Wege über Moskau. Sie ist Mitglied einer Delegation von Präsident Edward Schewardnadse. Der ehemalige Spitzenfunktionär der KPdSU in Georgien ist in Gogoberidses Buch auch davor schon verschiedentlich aufgetaucht, sie zeichnet ihn durchwegs als einen landesväterlichen und fürsorglichen Politiker, der sich höchstpersönlich auch für die Belange des Kinos starkgemacht hat. Nicht zuletzt hier wird erkennbar, dass da wohl auch noch eine differenziertere Darstellung denkbar gewesen wäre. Eine, die einen Blick über die eigenen Wahrnehmungen hinaus versucht.

Das wäre dann aber eine andere Form von Erinnerung, eine, die stärker auf Überprüfung der eigenen Erfahrungen setzen würde. Lana Gogoberidse hat aber so viel zu erzählen, dass man ihr bestimmte Engführungen nicht übelnehmen kann. Inzwischen selbst hochbetagt, erlebte sie in den letzten Jahren noch eine besondere Genugtuung: Die vergessen geglaubten, unterdrückten Filme ihrer Mutter wurden in Archiven gefunden. Damit kehrt auch das Buch an den Anfang zurück: zu einer Kultur, die die Freiheit der individuellen Existenz zum Leuchten bringt.

BERT REBHANDL

Lana Gogoberidse: "Ich trank Gift wie kachetischen Wein". Autobiografie.

Aus dem Georgischen von David Kakabadse. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2019. 516 S., geb., 25,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Bert Rebhandl schwelgt in den ausufernden Landschaftsbeschreibungen, namentlich Kachetiens, in Lana Gogoberidses Autobiografie. Der Text handelt laut Rezensent allerdings auch von sowjetischer Zensur und davon, wie die Autorin das Aufblühen des Kinos in ihrer Heimat seit den Sechzigern erlebt und sich durch ihren "poetischen Optimismus" führen lässt. Wenn Gogoberidse Schewardnadse als fürsorglichen Landesvater zeichnet, ist das Rebhandl zu wenig differenziert. Die schiere Menge der geschilderten Erfahrungen aber entschädigt ihn für diesen Mangel.

© Perlentaucher Medien GmbH