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Produktdetails
  • Verlag: oekom verlag
  • ISBN-13: 9783865810496
  • ISBN-10: 3865810497
  • Artikelnr.: 22866482
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.01.2008

Nachhaltig nadeln
Joachim Radkau schreibt die Geschichte des Holzes
„Holz”, hat der erste deutsche Bundespräsident Theodor Heuss einmal gesagt, „ist nur ein einsilbiges Wort, doch dahinter verbirgt sich eine Welt voller Schönheit und Wunder”. Dieser Wunderwelt eine Monographie gewidmet zu haben, dafür gebührt dem renommierten Bielefelder Technik- und Umwelthistoriker Joachim Radkau Dank. Sein Buch „Holz. Wie ein Naturstoff Geschichte schreibt” schlägt Schneisen in ein Gebiet, das von der Geschichtswissenschaft bis vor kurzem links liegengelassen wurde. Erst allmählich beginnt man zu verstehen, wie die Historie des Menschen von seinen Anfängen bis zum heutigen Tage untrennbar mit dem Naturstoff – als Bau-, Werk- und Brennmaterial – verbunden ist.
Schon einmal legte Radkau – in Zusammenarbeit mit Ingrid Schäfer – eine Arbeit mit dem Titel „Holz” vor. Das war 1987. Damals, berichtet Radkau eingangs, war die Geschichte des Holzes „ein im Dickicht endender Pfad, wo der Spaziergänger enttäuscht umkehrt und nur der Waldarbeiter etwas zu tun hat”. Zwanzig Jahre später stellt sich die Situation anders dar: „Wir erleben momentan eine Renaissance von Holz als Baustoff und Energieträger, die noch vor wenigen Jahren kaum einer für möglich gehalten hätte.” Grund genug, sich dem Thema erneut zuzuwenden.
Der heutige Leser, sensibilisiert für Fragen der Umwelt, dankt es. Zumal Radkau sein Thema sachlich aufbereitet. Fern verklärender Naturromantik. Fern apokalyptischer Untergangsszenarien, wie sie in den achtziger Jahren unter dem Stichwort „Waldsterben” en vogue waren. Dabei besticht sein Buch, das sich von der Prähistorie bis zur Gegenwart erstreckt, die Holzproduktion ebenso wie den Holzkonsum in den Blick nimmt, durch eine flotte Schreibweise; zu keiner Zeit frönt Radkau einem hölzernen Wissenschaftsjargon. Das kennen wir aus den Vorgängerbüchern, etwa der Weltgeschichte der Umwelt „Natur und Macht” (2000) sowie der Max-Weber-Biographie „Die Leidenschaft des Denkens” (2005).
Horror für Forstmathematiker
Natürlich geistert Max Weber auch durch das neue Buch, schließlich unterliegen Gebrauch und Verarbeitung von Holz der Rationalisierung. Eine entscheidende Veränderung trat in Europa im 18. Jahrhundert ein, als die Waldarbeit mit dem Förster an der Spitze zum Beruf wurde und das gesamte Forstwesen eine Verwissenschaftlichung erfuhr. Eine der ersten Maßnahmen der Forstwissenschaft bestand in der „Taxierung der Forsten”, also in der exakten Berechnung der in ihnen enthaltenen Holzmassen und des jährlichen Zuwachses. Waldwirtschaft sollte der Ökonomie gehorchen, soviel Kapital wie möglich abwerfen. Doch die Forderung, den Wald zu taxieren, war eine Sache, sie durchzuführen, eine andere. Weite Teile der Wälder waren nicht erschlossen, krumme Bäume für den „Forstmathematiker ein Horror” – die Vernadelung unserer Wälder ist auch dem Umstand geschuldet, dass Fichte und Kiefer einen geraden Wuchs haben, also berechenbar sind.
Gleichzeitig wurde Nachhaltigkeit – jährlich nur soviel Holz zu schlagen wie zur gleichen Zeit nachwächst – zur obersten Maxime erklärt. Doch auch in diesem Punkt ist Theorie nicht gleich Praxis. Ein Baum benötigt Jahrzehnte zum Wachsen. Deshalb sagt das Ziel der Nachhaltigkeit „nichts darüber aus, wie die Forstverwaltungen auf die wechselnden Konjunkturen der Wirtschaft zu reagieren hätten und wie der Wald aussehen sollte, der zu erhalten war”.
Die Etablierung der Forstwissenschaft ist nur eine von vielen Holz-Geschichten, die Radkau erzählt. Andere widmen sich der Holzgewinnung, den Pechbrennern, Köhlern, Pottaschesiedern; auch die stetig wiederkehrende, häufig unbegründete Sorge vor Holzknappheit wird ausführlich diskutiert. Am Ende hat der Leser einen faszinierenden kulturgeschichtlichen Überblick erhalten. „Holz” ist – nach „Staub” und „Kaffee” – der dritte Band der in Druck und Aufmachung hochwertig ausgestatteten Buchreihe „Stoffgeschichten” des Wissenschaftszentrums Umwelt in Augsburg. FLORIAN WELLE
JOACHIM RADKAU: Holz. Wie ein Naturstoff Geschichte schreibt. Oekom Verlag, München 2007. 344 S., 24,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Florian Welle begrüßt diese höchst instruktive Geschichte des Holzes von der Prähistorie bis zur Gegenwart, die der Technik- und Umwelthistoriker Joachim Radkau vorgelegt hat. Er schätzt den Autor für seinen jargonfreien, angenehm lesbaren Stil und seine sachliche Darstellung fern von "verklärender Naturromantik" und "apokalyptischer Untergangsszenarien". Dabei hat Welle eine Menge gelernt über Holzproduktion, -verbrauch und -verarbeitung, die Etablierung der Forstwissenschaft, der Pechbrenner, Köhler und Pottaschesieder. Besonders hebt er die eingehende Diskussion der Sorge vor Holzknappheit hervor. Insgesamt würdigt er das Werk als einen "faszinierenden kulturgeschichtlichen Überblick".

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