Der Frankfurter GrünGürtel ist nicht nur ein erholsamer, er ist auch ein poetischer Ort: Abgelegene Dünen, verwunschene Baumsilhouetten und letzte Zeichen der Zivilisationen machen ihn zu einer Oase der Phantasie. Ruth Fühner hat einige Liebeserklärungen an die grüne Lunge Frankfurts gesammelt und stellt sie in diesem Band vor. Kurzgeschichten, Gedichte, Fotografien, auch Träumereien lassen eine Region neu entdecken, die mehr als nur ein Naherholungsgebiet ist. Die rund dreißig Texte nähren sich auf ganz eigene Weise den unterschiedlichen Landschaften an. Robert Gernhardt verlangt in einem Pamphlet die Anleinpflicht für Radfahrer, Anne Chaplet erzählt von einer liebeskranken Kunststudentin, die den GrünGürtel-Besuchern ihr Leben verdankt. Eines verbindet die Texte und Fotografien: Sie erobern einen Ort für die Literatur.
"Zugegeben", schreibt Ruth Fühner, "die Skyline mag imposanter sein und berühmter." Doch sie sei vor allem "Prunk- und Protzartikel für den Export". Der Grüngürtel hingegen - "das ist Zuhause". Um von diesem Zuhause zu berichten, hat Fühner 29 Schriftsteller und einen Fotografen gebeten, ihre Eindrücke vom Grüngürtel festzuhalten. Die einen erzählen dabei von ihren Lieblingsorten, andere ließen sich zu neuen Erkundungstouren animieren. Denn das vom Umweltamt angeregte Buch hat Fühner zufolge nicht nur den Anspruch, seine Leser zu unterhalten, sondern soll ihn einmal im Uhrzeigersinn durch den gesamten Grüngürtel führen.
Wie Fühner ist auch Umweltdezernentin Jutta Ebeling überzeugt, daß der seit 1991 unter Schutz stehende Grüngürtel mit seinen mehr als 60 Kilometern Länge zu einem Markenzeichen der Stadt geworden sei. Und weil man nur "das schützt, was man liebt", sei es notwendig, die Bürger immer wieder aufs neue für die Natur vor ihrer Haustür zu begeistern. In den Gedichten und Kurzgeschichten des Bandes wird deutlich, daß viele den Grüngürtel nicht kennen, obwohl sie einzelne Teile von ihm längst für sich entdeckt haben. Auch Robert Gernhardt ging es so: Erst als das Umweltamt angefragt habe, ob er etwas zum Grüngürtel-Buch beitragen könne, "wurde mir bewußt, daß es ihn gibt". Dabei sei er dank seiner Hündin - der "Bewegungstherapeutin Bella" - schon seit Jahren im Volkspark Niddatal unterwegs.
Während andere Autoren von der Schönheit der Landschaften berichten - Eva Demski etwa präsentiert den weitgehend unbekannten Seehofpark in Sachsenhausen -, widmet sich Gernhardt einem heiklen Thema: dem Leinenzwang, der seit 2001 in Frankfurter Parks gilt. Der Hundefreund Gernhardt hält dagegen, daß er, obwohl er sich immer wieder von heranbrausenden Radfahrern gezwungen sehe, "rasch, sehr rasch auf die Seite zu springen", auch keine Anleinpflicht für Radfahrer fordere.
Von anderen unliebsamen Begegnungen berichtet Elsemarie Maletzke, die ein Sonett auf die "Lohrbergmilbe" verfaßt hat. Der Schriftsteller und Übersetzer Reinhard Kaiser hatte schon beim ersten Gespräch mit Fühner deutlich gemacht, er schreibe entweder über die Schwanheimer Düne oder gar nichts. Denn gerade dort hatte er, als er mit seiner Familie durch den "schmutzigweißen Sand" lief, das Gefühl, als müßte "hinter der nächsten Sandwelle, hier am Stadtrand von Frankfurt am Main, das Meer sichtbar werden". Ein Eindruck, der dem Buch den Titel gab.
MECHTHILD HARTING
"Hinter Frankfurt das Meer", herausgegeben von Ruth Fühner, Societäts-Verlag Frankfurt 2005, 155 Seiten, 19,90 Euro.
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