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Mit der Berichterstattung über einen aktuellen Fall beginnt die Reihe der "Kriminal" Fälle: Zwei Kinder werden tot aufgefunden, beide Elternteile kommen für die Tat in Frage. Ein Geständnis fehlt, Beweise fehlen, ein Motiv für die Tat bleibt undeutlich. Dennoch "beweist" eine ganze Presselandschaft, bis auf wenige Ausnahmen, daß es die Mutter sein mußte, und eröffnet eine regelrechte Hexenjagd. Es geht um Monika Weimar. Nicht anders erging es der "Gattenmörderin" Maria Rohrbach in den fünfziger Jahren, der Wiener Giftmischerin Milica Vukobrankovics, ergeht es der als Terroristin angeklagten…mehr

Produktbeschreibung
Mit der Berichterstattung über einen aktuellen Fall beginnt die Reihe der "Kriminal" Fälle: Zwei Kinder werden tot aufgefunden, beide Elternteile kommen für die Tat in Frage. Ein Geständnis fehlt, Beweise fehlen, ein Motiv für die Tat bleibt undeutlich. Dennoch "beweist" eine ganze Presselandschaft, bis auf wenige Ausnahmen, daß es die Mutter sein mußte, und eröffnet eine regelrechte Hexenjagd. Es geht um Monika Weimar. Nicht anders erging es der "Gattenmörderin" Maria Rohrbach in den fünfziger Jahren, der Wiener Giftmischerin Milica Vukobrankovics, ergeht es der als Terroristin angeklagten Monika Haas heute. Ist der Täter nachweislich ein Mann, so wird aus dem Opfer rasch ein Täter. So geschehen im Fall der von Bubi Scholz erschossenen Ehefrau Helga oder auch bei Petra Kelly. Es geht in diesem Buch nicht um Schuld oder Unschuld. Es geht auch nicht um Straffälligkeit. Den Autorinnen geht es vielmehr darum, zu zeigen, auf welch subtile Weise Medien es schaffen, eine Schuld oder Unschuld zu konstruieren, und welcher "männlicher" Stereotypen sie sich dabei bedienen. Petra Henschel arbeitet als Pädagogin in einer Frauenhaftanstalt in Frankfurt am Main, Uta Klein als Hochschulassistentin am Institut für Soziologie der Universität Münster.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.05.1998

Bosheit, dein Name ist Weib
Wenn Frauen kriminell werden, werden Männer gemein

Am 31. März 1987 erdrosselten drei junge Frauen im Wald einen Mann. Er war der Ehegatte einer der Täterinnen. Die Bild-Zeitung titelte: "Ansbach im Frühling: Drei lesbische Frauen, ein Toter im Auto". Die Neue Revue analysierte: Eine ganz normale Ehe, "die in einem Glutofen von brodelndem Haß, sexuellem Terror und lesbischer Mordlust endet". Die Frauen wurden gefaßt, es kam zum Prozeß und zur Gerichtsberichterstattung. Während die "renommierten" Zeitungen die Angeklagten als "Freundinnen" oder einfach als "Frauen" bezeichneten, ging es beim Rest der Presse erheblich grober zu.

Wer sich schon immer in seinem Abscheu gegen solche frauenfeindlichen Elaborate der publizistischen Massenkultur bestätigt sehen wollte, kann jetzt zu dem Band "Hexenjagd" greifen. Neun Autorinnen untersuchen das Presseecho auf einige Sensationsprozesse gegen Frauen. Es handelt sich um den Prozeß der Giftmischerin Maria Rohrbach aus den fünfziger Jahren, den Fall Monika Weimar, den "Terroristinnen-Fall" Monika Haas und die "mörderische Lesbenliebe". Als Kontrast zu diesen Fällen - in denen die Berichterstattung sämtlich auf "zwei Grundmuster reduzierbar" ist, nämlich daß Straffälligkeit oder Nichtstraffälligkeit von Frauen mit "biologischen Eigenschaften von Frauen erklärt" wird und "immer etwas mit Sexualität zu tun" hat (Uta Klein) - dient die Darstellung des Falles des Boxers Bubi Scholz, der 1985 seine Frau erschoß. Anhand seiner soll gezeigt werden, wie aus (männlichen) Tätern Opfer gemacht werden. Hinzu kommen noch ein instruktiver, historisch orientierter Artikel über das Phantasma der "Giftmischerin" sowie eine Analyse des Medienechos auf den Tod von Petra Kelly und Gert Bastian. Zwei Beiträge behandeln schließlich den "Frauenknast im Spielfilm" und "Selbstmord und Mord in der Frauen-Protestliteratur".

Nach der Lektüre ist man geneigt, ein etwas müdes "Ach ja" herauszuseufzen. Wer würde denn heute noch ernstlich in Abrede stellen, daß in der Yellow Press ein spezifisches, auf Sexualität und Weiblichkeit programmiertes Frauenbild "konstruiert" wird? Daß die "seriösen" Blätter letztlich ähnliche Vorstellungen transportieren, davon kann man sich jeden Tag überzeugen, etwa wenn im politischen Teil von der "attraktiven" Frau des Kanzlerkandidaten oder in der Filmkritik im Feuilleton von "schönen" Frauen die Rede ist.

Und natürlich spielt auch das Moment des Sensationellen eine Rolle. Es ist ganz richtig: "Es wird so viel getötet, gemordet und vergewaltigt, daß die Tat und/oder die Tatbeteiligten schon etwas Besonderes bieten müssen, um ein solches Presse-Echo hervorzurufen." Und wenn drei lesbische Frauen einen Mann umbringen, dann ist das etwas Besonderes, und es ist nutzlos, der Presse vorzuwerfen, daß diese den "diskriminierenden, aber flotten Begriff ,Sex' statt des angemessenen Begriffs der ,sexuellen Beziehung'" (Petra Henschel) benutzt. Hier werden Schlachten von gestern geschlagen. So wie im Beitrag von Uta Klein die Kriminologie immer noch von Cesare Lombroso, der femininen Verschlagenheit sowie der durch die Menstruation heraufbeschworenen Kriminalitätsgefahr bestimmt ist. Der jüngste Beleg, der für diese Art von Kriminologie herangebracht wird, stammt aus dem Jahre 1965. Interessant vor allem für Antiquare und Historiker.

Die Kaprizierung auf die Medien schließt die Leser aus der Betrachtung aus. Der Umstand, daß der geifernde Journalist im Zweifel nichts von Lombroso und Konsorten weiß, dennoch aber ein von männlichen Stereotypen geprägtes Frauenbild verbreitet, spricht dafür, nicht beim Bildermacher, sondern beim Bilderkäufer anzusetzen. Dieser ist, wie der Journalist, Teil der Gesellschaft. Die frauenverachtende Berichterstattung hat weniger mit pseudowissenschaftlichen Theorien oder konstruktiven Anstrengungen der Presse zu tun, vielmehr bedient sie die Begierde der Menschen, der Frauen und Männer dieses Landes, die keine subtilen Analysen lesen wollen, sondern die Massenblätter mit ihren lüsternen Berichten zum "Lesbenmord". Außerdem sind die Zeitungsverlage Wirtschaftsunternehmen und verkaufen alles, was gekauft wird, während die Konsumenten eben nicht alles kaufen, was verkauft wird. Die Zugehörigkeit der Medien zum Wirtschaftssystem wird ebensowenig erörtert, wie die Aufgabe der Gerichte erkannt wird, Recht zu sprechen anstatt die Gesellschaft zu erziehen: "Wären Gericht und Gutachter in ernsthafter und empathischer Weise dem Leben und der Persönlichkeit der drei Frauen nachgegangen, wäre diese ekelhafte Hatz nicht möglich gewesen" (Petra Henschel).

Wer das Bedürfnis der Empathie mit kriminellen Frauen aus weit zurückliegenden Zeiten befriedigen möchte, kann sich in Ulinka Rublacks Dissertation vertiefen. Die Autorin untersucht die Fälle von Frauen, die sich zwischen 1500 und 1700 für Diebstahl, Hehlerei, Unzucht, vorehelichen Beischlaf, Hurerei, Kindsmord, Bigamie, Ehebruch und Gattenmord vor südwestdeutschen Gerichten zu verantworten hatten. Die Methode der Autorin ist das Erzählen, das heißt "vor allem" die "einfühlende Annäherung an die Dimensionen vergangener Menschlichkeit". Dementsprechend wenig Systematisches erfährt man über die Dimensionen vergangenen Rechts, insbesondere vergangener Polizeiordnungen, von denen es lediglich heißt, sie hätten irgendwie mit einem "erstarkten Moralismus" zu tun. Viel erzählt wird hingegen von den damaligen Frauen und ihren Taten, die den überlieferten Strafakten, juristischen Gutachten, Urfehden, Vogt- und Rüggerichtsprotokollen entnommen sind, ohne daß die Problematik der Parteilichkeit dieser Quellen - mit der die Autorin abstrakt durchaus bekannt ist - bei der Darstellung konkret offengelegt wird.

Offengelegt werden Geschichten. Geschichten vom Diebstahl dreier Nägel und eines eisernen Spängleins etwa, die "beispielsweise 1692 für drei Schilling bei einem Konstanzer Schmied in der Rheingasse" von der Diebin verkauft wurden. Fast alles gerät Ulinka Rublack zum Beispiel. Historische Entwicklungen in dem "untersuchten" Zeitraum, wie auch "große" Ereignisse - gab es damals in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts nicht einen mehrere Jahrzehnte dauernden Krieg, der ganz Europa erschütterte? - verblassen gegenüber der schlimmen sozialen Lage, der schlichten Armut der Frauen.

Was bis vor wenigen Jahren noch an theoretischen Anstrengungen geleistet wurde, in der Hoffnung, das Elend dieser Welt sei ausrottbar, mündet bei Ulinka Rublack in harmlose Histörchen. Die einfühlende Annäherung an die toten Frauen von damals mag die Autorin gespürt haben, uns heute oder gar den Armen unserer Tage sagen die Frauen des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts mit ihren Schicksalen nichts. Nur die Theorie vermag Zeiten zu überbrücken, individuelle Storys vermögen das nur in der Welt der Poesie. Die geschichtsphilosophische, gesetzesgläubige Historiographie marxistischer Prägung besaß wenigstens noch eine Vision, die vergangene Geschichte auf die Gegenwart bezog. Die Geschichten der kriminellen Frauen der frühen Neuzeit sind trotz aller Beschwörung eines "soziokulturell orientierten Ansatzes" (Peter Burke) und aller Sympathie für die "kleinen Leute" blind für die Herausforderungen der Gegenwart an die Geschichte und bedeuten den Abgesang der Geschichtswissenschaft. Übrig bleiben vergangene Geschichten, die uns nichts mehr bedeuten. RAINER MARIA KIESOW

"Hexenjagd". Weibliche Kriminalität in den Medien. Herausgegeben von Petra Henschel und Uta Klein. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1998. 200 S., br., 16,80 DM.

Ulinka Rublack: "Magd, Metz' oder Mörderin". Frauen in frühneuzeitlichen Gerichten. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1998. 350 S., br., 24,90 DM.

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