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»Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, über etwas, das mich betrifft, so sprechen zu können, als ginge es alle etwas an«, erklärt das Ich dieses Textes, »weil ich schon lange in der Welt lebe, in die jetzt alle geraten sind. Ich bin ruhig in diesem Ausnahmezustand. Ich bin beisammen.«
Kerstin Preiwuß, vielfach ausgezeichnete Autorin von Romanen, Gedichten und Essays, legt einen wichtigen Text vor, der Selbstvergewisserung und Sprachkraft auf eindrucksvolle Weise zusammenführt und ein Zeitempfinden in den Blick nimmt, das unsere Gegenwart bestimmt.
»Kerstin Preiwuß verfügt über die hohe
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Produktbeschreibung
»Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, über etwas, das mich betrifft, so sprechen zu können, als ginge es alle etwas an«, erklärt das Ich dieses Textes, »weil ich schon lange in der Welt lebe, in die jetzt alle geraten sind. Ich bin ruhig in diesem Ausnahmezustand. Ich bin beisammen.«

Kerstin Preiwuß, vielfach ausgezeichnete Autorin von Romanen, Gedichten und Essays, legt einen wichtigen Text vor, der Selbstvergewisserung und Sprachkraft auf eindrucksvolle Weise zusammenführt und ein Zeitempfinden in den Blick nimmt, das unsere Gegenwart bestimmt.

»Kerstin Preiwuß verfügt über die hohe Tugend einer unsentimentalen Menschenfreundlichkeit.« Falter (A) über Nach Onkalo
Autorenporträt
Kerstin Preiwuß wurde 1980 in Lübz geboren und lebt heute mit ihrer Familie in Leipzig. Seit dem Wintersemester 2021 hat sie den Lehrstuhl für »Literarische Ästhetik« am Deutschen Literaturinstitut Leipzig inne. Die Lyrikerin, Romanautorin und Essayistin promovierte über deutsch-polnische Ortsnamen und debütierte 2006 mit dem Gedichtband »Nachricht von neuen Sternen«, dem der Gedichtband »Rede« (2012) folgte. 2014 erschien ihr vielbeachtetes Romandebüt »Restwärme«, 2016 der Lyrikband »Gespür für Licht« und 2017 ihr zweiter Roman »Nach Onkalo«, der für den Deutschen Buchpreis nominiert war. 2020 erschien der Gedichtband »Taupunkt«. Für ihre Arbeiten wurde sie vielfach ausgezeichnet etwa mit dem Hermann-Lenz-Stipendium, dem Lyrikpreis Meran, dem Eichendorff-Literaturpreis und zuletzt 2020 mit dem Anke-Bennholdt-Thomsen-Lyrikpreis der Deutschen Schillerstiftung. Kerstin Preiwuß ist seit 2021 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Was Kerstin Preiwuß über ihre Ängste schreibt, passt in keine literarische Schublade, schreibt Rezensentin Anna Vollmer. Die Autorin fasse ihren täglichen Ausnahmezustand in einer "Art Memoir" zusammen, in dem sie Szenen notiert, die bebildern sollen, wie das Unglück sie ständig zu belauern scheint. Auch den Versuch, die Gründe für ihre Angstzustände zu ergründen, thematisiere Preiwuß in ihrem neuen Buch - um dann zu versuchen, die als Muster auf unsere Gesellschaft zu übertragen. Den Ansatz fand die Rezensentin "vielversprechend", bedauert aber, dass er nur bedingt funktioniere. Denn in den meisten Fällen blieben die autobiografischen Begebenheiten so persönlich, dass Leser selbst Erfahrungen im Lockdown der Corona-Pandemie nur schwer auf sich selbst übertragen könnten. Deshalb bliebe das Buch eine Zustandsbeschreibung der Autorin und die Frage nach Mechanismen kollektiver Angst unbeantwortet.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.04.2023

Wie aber hältst du's mit der Relevanz?
Literarischer Versuch über die Angst: Kerstin Preiwuß fühlte sich mit ihrem Zustand oft allein, dann kam die Corona-Pandemie

Eigentlich, so Kerstin Preiwuß, habe sie nie vorgehabt, über sich selbst zu schreiben, "die Liste meines Unglücks, die ich in Gedanken zu jeder Tag- und Nachtzeit herunterbeten kann, der Welt zu offenbaren". Jetzt hat sie es doch getan. Weil die Welt, heißt es in ihrem neuen Buch "Heute ist mitten in der Nacht", sich nun in dem Ausnahmezustand befinde, in dem sie, Preiwuß, schon immer lebe. Einem Zustand ständiger Angst, in dem man stets mit dem Schlimmsten rechnet. Ist das so?

Das Buch, eine Art Memoir, wenn man es denn überhaupt einer Kategorie zuordnen möchte, beginnt mit einem verhinderten Unfall: "Beinahe hätte uns der Bus erwischt." Es ist keine alltägliche, aber auch keine seltene Situation. Oft, und auch hier, wird in solchen Momenten "gerade noch mal gut gegangen" gesagt. Szenen dieser Art bleiben meist nicht lange im Kopf, bei Preiwuß schon, sie macht daraus eine Metapher für ihr Leben. Sie steht für das Unglück, das immer lauert und einen irgendwann einholen wird.

Die Autorin versucht, Gründe für ihre Angst zu finden. Ein Vergewaltigungsversuch, Todesfälle geliebter Personen. Eine komplizierte Beziehung zum leiblichen Vater, der ebenfalls stirbt, was Preiwuß trifft, obwohl er die Vaterrolle nie wollte. Sind es diese Erfahrungen, die ihr Angst machen? Vielleicht. Vielleicht war die Angst aber auch einfach immer da: "Ich bin wohl schon so auf die Welt gekommen, so ohne Vertrauen."

Der Ansatz, den Preiwuß mit ihrem Buch verfolgt, klingt vielversprechend: Lässt sich an der eigenen Angst, einer Angst, die so groß ist, dass man sie fast als pathologisch bezeichnen möchte, der Zustand einer Gesellschaft beschreiben? Schließlich ist es genau das, was Memoirs und gute autobiographische Texte oft ausmacht: die Relevanz des Privaten für die Allgemeinheit zu erkennen. Dass genau das in diesem Buch nur bedingt funktioniert, ist gewisserweise paradox, erzählt es doch von Dingen, die tatsächlich alle durchlebt haben. Aber genau die Stellen, in denen es um eine wirklich kollektive Erfahrung, den Lockdown und die Corona-Pandemie, geht, sind die schwächsten des Buchs. Warum ist das so? Die Situation, einen geliebten Menschen durch einen Unfalltod zu verlieren, einen sterbenden Cousin im Hospiz zu besuchen, werden nicht alle Leser kennen. Und sich der Autorin beim Lesen trotzdem näher fühlen. Näher jedenfalls, als beim Lesen zahlreicher Seiten über den Lockdown.

Zum einen, weil wir diese Zeit selbst erlebt haben, uns also möglicherweise weniger auf die Erinnerungen einer anderen Person einlassen können. Zum anderen, weil vieles von dem, das Preiwuß hier beschreibt, trotz zeitlicher Nähe schon so weit weg und nicht mehr sonderlich wichtig scheint. Die Entscheidung, ab wann man die lebensverlängernden Maßnahmen einstellt, die Preiwuß und ihre Mutter für den Stiefvater treffen müssen, wirft existenzielle Fragen auf. Die Feststellung, dass auf die Stoffmasken die FFP-2-Masken folgen, tut das nicht. Die Beobachtung hat eine chronistische Relevanz, aber sie erzählt nichts über uns oder unseren heutigen Zustand.

"Heute ist mitten in der Nacht" ist so zeitgemäß, dass es in Teilen schon veraltet scheint. Die Autorin ist sich dessen durchaus bewusst, kommt mehrfach auf diesen Punkt zu sprechen. Gleich zu Beginn heißt es: "Mein Anlass, das hier auszubreiten, ist längst vorbei." Das ist an sich nicht schlimm. Auch die familiären Ereignisse, die Preiwuß beschreibt, sind vergangen, es macht sie deshalb nicht weniger relevant. Das Problem ist ein anderes, Preiwuß beschreibt es selbst: "Normalerweise trete ich in Abstand zur Welt und beobachte sie aus den Augenwinkeln, ohne dass sie etwas merkt. Nun aber sind wir alle gleich in diesem zäh dahinfließenden Strom gefangen, und es ist nicht mehr davon auszugehen, dass etwas wert ist, erzählt zu werden. Die Relevanz ist nicht mehr spürbar." Warum, möchte man an dieser Stelle fragen, erzählt sie es dann trotzdem? An anderer Stelle schreibt sie: "Ich habe jetzt schon genug von allen öffentlichen Tagebüchern." Ein Gefühl, das man gut nachvollziehen kann. Und sich deshalb umso mehr wundert, wenn "Heute ist mitten in der Nacht" stellenweise an eines erinnert.

Auch fragt man sich, ob die Grundthese des Buchs - dass die Angst der Autorin nun die Gesellschaft erfasst hat - überhaupt trägt. Ja, die Weltlage ist bedrückend. Aber hat uns deshalb alle eine kollektive Angst erfasst, die bleiben wird? Gerade die Pandemie, der Krieg haben doch bewiesen, wie erstaunlich resilient viele Menschen sind. Ist nicht gerade einer der Kritikpunkte an unserer heutigen Gesellschaft, zu resilient zu sein, die eigene Freiheit, das eigene Wohlbefinden über die Menschen auf der Intensivstation oder das weltweite Klima stellen zu wollen und kommende Probleme auszublenden? "I want you to panic" waren Greta Thunbergs berühmte Worte.

Probleme auszublenden, kann man zumindest Preiwuß nicht vorwerfen. Kaum ein Schrecken, der in ihrem Buch nicht erwähnt wird. Denn neben Todesfällen, Corona und dem Krieg geht es auch um das Schreiben als Mutter, die ostdeutsche Identität und den rassistischen Anschlag in Rostock-Lichtenhagen. Über jedes einzelne dieser Themen könnte man Bücher schreiben. Zusammengenommen wirkt die Aufzählung erdrückend. Man findet kaum raus aus der Leidspirale.

Möglicherweise ist es aber genau das, was Preiwuß zeigen möchte, ihr Versuch, erfahrbar zu machen, wie es sich lebt in ständiger Angst. Und vielleicht muss man dieses Buch als genau das sehen: als Versuch. Auf einer der letzten Seiten schreibt Preiwuß: "So ist der Text bis hier, vorhersehbar und zugleich überholt, kann ich ihn nur in Gedanken aufrechterhalten und bin damit nicht auf der Höhe der Zeit, denn man sieht vielleicht erst Jahre später, was man abgebildet hat." Und tatsächlich mag es sein, dass sich diese Chronik, diese Momentaufnahme der vergangenen Jahre anders liest, wenn mehr Zeit verstrichen ist. Liest man sie jetzt, erscheint sie nah und fern zugleich. ANNA VOLLMER

Kerstin Preiwuß: "Heute ist mitten in der Nacht".

Berlin Verlag, Berlin 2023. 192 S., geb.., 22,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Was für ein Mut, ein solches Buch zu schreiben!« BR "Diwan" 20230108