Marktplatzangebote
10 Angebote ab € 0,50 €
  • Broschiertes Buch

Harpa ist Anfang dreißig und hat ein Problem: Die Drogensucht ihrer Tochter Edda. Freundin Heide will helfen, und die drei machen sich mit einem weißen Pick-up auf, fort von Reykjavík und der schlechten Gesellschaft. So beginnt eine abenteuerliche Reise durch die Schönheit der isländischen Landschaft, erschwert durch die Unberechenbarkeit Eddas und des Wetters - eine Reise hin zum Herzort der Kindheit.

Produktbeschreibung
Harpa ist Anfang dreißig und hat ein Problem: Die Drogensucht ihrer Tochter Edda. Freundin Heide will helfen, und die drei machen sich mit einem weißen Pick-up auf, fort von Reykjavík und der schlechten Gesellschaft. So beginnt eine abenteuerliche Reise durch die Schönheit der isländischen Landschaft, erschwert durch die Unberechenbarkeit Eddas und des Wetters - eine Reise hin zum Herzort der Kindheit.
Autorenporträt
STEINUNN SIGURDARDÓTTIR gehört zu den prominentesten Autoren Islands. Sie studierte Psychologie und Philosophie am University College in Dublin. Mit ihrem ersten Gedichtband, den sie im Alter von 19 Jahren veröffentlichte, begeisterte sie ihr Publikum. 1995 erhielt sie den Isländischen Literaturpreis. International wurde sie durch ihre Romane 'Der Zeitdieb' und 'Herzort' bekannt. Ihr Bestsellererfolg 'Der Zeitdieb' wurde mit Emmanuelle Béart und Sandrine Bonnaire in den Hauptrollen verfilmt. Sigurdardóttir hat an unterschiedlichen Orten auf der ganzen Welt gelebt. Heute pendelt sie zwischen Reykjavík und Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.05.2001

Wo geht es hier nach Perpignan?
Quer durch Island: Steinunn Sigurdardóttirs Roman "Herzort"

Von Island weiß der Mitteleuropäer in der Regel wenig. Viele halten es für ein atlantisches Sibirien. Dabei herrscht dort ein verhältnismäßig mildes Klima. Die brodelnde Glut unter isländischer Erde ist eher bekannt, zum einen wegen der Geysire, aus denen die Isländer ohne weitere Energie heißes Wasser gewinnen können. Vor allem aber wegen der Vulkanausbrüche, die, wie der auf Heimaey vor ein paar Jahren, durch alle unsere Medien gehen. Der isländische Alltag wiederum ist uns ziemlich fern, es sei denn, jemand kennt ihn wenigstens aus der isländischen Literatur. Doch darf man in dem Zusammenhang wenig mehr erhoffen als das Wissen, daß der isländische Dichter Halldor Laxness 1955 den Nobelpreis erhielt.

Nun erscheint ein Roman in deutscher Übersetzung, der alle Island-Lücken ausfüllen kann, und das auf liebenswürdige und unterhaltsame Manier. Verfaßt hat es Steinunn Sigurdardóttir, sein deutscher Titel lautet "Herzort". Die Schriftstellerin Sigurdardóttir wurde 1950 geboren und zählt zu den bekanntesten Autoren ihres Landes. Doch lebt sie gegenwärtig in Paris. Offensichtlich empfindet sie eine besondere Nähe zu Frankreich, denn auch die Heldin ihres jüngsten Romans, Harpa Eis, offenbart Bindungen zu diesem so ganz anderen Stück Europa.

Was nicht hindert, daß Harpa durch und durch isländisch ist. Die Nordinsel hat sie hervorgebracht, erzogen, geformt. In ihrem Kopf nisten eddische Mären, sie ist mit Gletschern und Vulkanen vertraut und unterscheidet sich in ihrer Weltsicht nicht von den übrigen Inselbewohnern. Harpa, einunddreißig Jahre alt, bringt die ererbten Traditionen in die Moderne ihres Zeitalters ein; sie ist, ein paar lokale Prägungen ausgenommen, unseresgleichen und macht es uns deshalb leicht, uns in den nordischen Kulturkreis einzufühlen. Übrigens geht Harpa nicht etwa auf Vermittlung von Lehren aus; der Zugewinn an Wissen ist sozusagen ein Nebeneffekt der Lektüre. Die Heldin nimmt uns, indem sie das Romanwort führt, einfach hinein in ihre Geschichte.

Die wird von zwei Problemen gesteuert. Das eine bereitet Töchterchen Edda, fünfzehn Jahre alt, ein erotischer Betriebsunfall des einstigen Teenagers Harpa. Mutter und Kind haben einander jahrelang gut verstanden, so kommt es Harpa jedenfalls vor, aber seit Edda selbst zum Teenager wurde, ist die Hölle los. Die Halbwüchsige nimmt Drogen, verkehrt in übler Gesellschaft, führt ordinäre Haßreden gegen die Mutter und andere Erwachsene, läßt sich weder im Guten noch im Bösen zügeln. Also akzeptiert Harpa ein Hilfsangebot ihrer mütterlichen Verwandten; sie transportiert die Entgleiste von Reykjavik zu den Ostfjorden, wo Onkel und Tanten mit freundlicher Altersweisheit den Schaden gutmachen wollen. Harpa selbst ist dort aufgewachsen, die Gegend ist der "Herzort", der dem Roman den Titel gibt.

Im Reiseauto, gesteuert von der Freundin Heide, spult sich aus Harpas Herz und Hirn ein Bündel Lebensfäden ab, eigene Geschichten, solche von der Gefährtin Heide, vom Kind Edda, von den Eltern, vom Riesenkreis der Verwandten und Bekannten. Alle Erzählstränge verknüpfen sich in der Person Harpas, und das bekommt ihnen gut; denn weil die Aussagen auf Interessen und Niveau der Romanheldin zurechtgeschnitten sind, partizipieren sie an der Sympathie, die die grübelnde und plaudernde Harpa für sich zu wecken versteht.

Ihr anderes Problem betrifft ihre Herkunft. Die ganze Familie rekrutiert sich, wie auf Island üblich, aus Personen mit hohem Wuchs, blondem oder rötlichem Schopf und blauen Augen. Harpa jedoch ist kleinwüchsig, schwarzhaarig und dunkeläugig. Das begründet den Verdacht, daß nicht der liebevolle Papa, an dem sie hängt, sie zeugte; daß die verstorbene Mama, die Sohn Sibbi zärtlicher liebte als Tochter Harpa, ihren guten Mann betrog. Aber mit wem? Die Frage liefert den zweiten Beweggrund für die Reise in die Ostfjorde, hin zu Tante Dýrfinna, Mamas Schwester. Tatsächlich kann die Tante das Rätsel lösen: Harpas natürlicher Vater ist ein Geschäftsmann aus Perpignan. Übrigens kennt die heimliche Tochter ihn aus vergangenem Dienst als Au-pair-Mädchen, nur wußten damals beide nicht übereinander Bescheid; Mama hatte, solange sie lebte, jeden Kontakt verhindert. Doch der französische Vater, im Bilde über Dýrfinnas Existenz, deponierte bei der Tante einen Brief, Bestimmungen zu Harpas Wohle enthaltend. Die Sündentochter kann jetzt, wenn sie will, ihren mageren Job als Krankenpflegerin aufgeben und etwas Besseres werden. Möglicherweise wird das französische Geld auch helfen, die sperrige Edda wieder in normale Gleise zu wuchten.

Happy-End am Herzort? Ganz sicher ist das nicht. Wir haben die isländische Welt aus Harpas Denken und Fühlen erfahren, sind also auf ihr geistiges und mentales Niveau festgenagelt worden. Da sie ein munteres Kerlchen ist, hat es uns unterhalten, in diesem und jenem Punkt sogar ein bißchen klüger gemacht. Doch ist auch sie klüger geworden? Wird sie nicht weiterhin von krausen Phantasien und Begehrlichkeiten übermannt, und werden wir es mit ihr, wenn wir ihr alles glauben? Uns bleibt nach der Lektüre eine gute Portion Ungewißheit. Aber auch der Spaß, an einem bunten Leben in ferner Nähe teilgenommen zu haben.

SABINE BRANDT

Steinunn Sigurdardóttir: "Herzort". Roman. Aus dem Isländischen übersetzt von Coletta Bürling. Ammann Verlag, Zürich 2001. 480 S., geb., 44,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.04.2001

Reise ins Herz der Verlässlichkeit
Mit einer kraushaarigen Heldin unterwegs in Island – Steinunn Sigurdardóttirs Roman „Herzort”
Der Anfang ist ebenso lakonisch wie beklemmend. Die Erzählerin befindet sich im Aufbruch. Vor der Tür wartet Freundin Heide in einem weißen Pick-up mit dem Hausrat. Für den Nachmieter wird die Wohnung kurz durchgeputzt – um die fünfzehnjährige Tochter herum, die auf dem Fußboden liegt und ihren Rausch ausschläft. Die Reise gilt ihrer Rettung. Sie soll aus Reykjavik, wo sie in schlechte Gesellschaft geraten ist, zu Verwandten in die heile Welt der Ostfjorde fortgebracht werden. Noch steht nicht fest, ob Edda wirklich mitkommt. Es wird während der ganzen langen Fahrt auf der Ringstraße, die rund um Island führt, ungewiss bleiben, ob das Mädchen nicht die nächste Gelegenheit ergreifen wird, zu seiner Clique zurückzukehren, die dem Pickup hartnäckig folgt.
Ein nordisches road movie: drei Frauen – genau genommen vier, die tote Mutter der Erzählerin mischt sich immer wieder in den Dialog ein – unterwegs in einer Natur, die so unwirtlich und unberechenbar ist, dass sogar die spätsommerliche Fahrt auf einer gut ausgebauten Straße von Angst grundiert ist. Auch die schönste Aussicht auf schneebedeckte Gipfel kann die historische Erfahrung menschlicher Ohnmacht nicht verdrängen. Liegt der letzte Vulkanausbruch auf Heimaey nicht gerade zwanzig Jahre zurück? Der ständige Kampf ums Überleben, so das Stereotyp, macht die Menschen in Island hart, aber auch solidarisch.
Dieser Motivkomplex bindet Steinunn Sigurdardóttirs Roman „Herzort” in die Tradition der isländischen Literatur ein, die zuletzt in Halldor Laxness ihren nobelpreisgekrönten Repräsentanten gefunden hat. Was die Autorin – seit ihrem ersten Roman „Der Zeitdieb” (1988, deutsch 1997) – zu einer herausragenden Vertreterin der modernen isländischen Literatur macht, ist ihr Umgang mit den Stereotypen. Sie klopft sie ab auf ihre Substanz, reagiert damit auf die gesellschaftlichen Veränderungen, die Island eingeholt haben, seit Fernsehen und Flugverkehr die übrige Welt erreichbar gemacht haben und auch Reykjavik eine Großstadt mit einer alkohol- und drogengefährdeten Jugendszene geworden ist.
Freundin Heide, trotzt am Steuer zwar Sandsturm und Nebel, doch als das Kid auf dem Rücksitz der Mutter in die Haare greift, kommt sie von der Fahrbahn ab. Harpa, die Erzählerin, ist dreißig, also doppelt so alt wie ihre Tochter, die dem „ersten Mal” mit einem Schulkameraden entstammt. Harpas eigene Herkunft ist zweifelhaft – alles spricht dagegen, dass Papa Axel, der jetzt im Altenheim lebt, ihr Erzeuger ist. Die spirituelle Mutter aber leugnet über das Grab hinaus. Harpa ist eine Ausnahmeerscheinung unter den langwüchsigen, blonden Isländern – sie ist klein, dunkelhäutig und kraushaarig. Diese Konstellation ist eine ironische Variante des traditionellen nordischen Familiendramas, in dem junge Mädchen der Sünde verfallen, und zugleich sehr zeitgemäß, denn Harpa, die prototypische Fremde, die „Asylantin, bevor es hier Asylanten gab”, bringt ihre Tochter als alleinerziehende Mutter durch.
Die Distanz, mit der über Harpas Einsatz, die Selbstzerstörung ihres Kindes aufzuhalten, berichtet wird, die Selbstironie der Erzählerin, die ihre Wut und ihre Verzweiflung nur dem Leser zur Kenntnis gibt, macht einen großen Teil der Faszination aus, mit der man diese eher herbe Begebenheit verfolgt. Ob sie nun Dialogwitz entfaltet, Landschaften skizziert, Metaphern komponiert und in Alltagsbemerkungen kontrapunktiert oder Inneneinrichtungen, Bekleidung, Mahlzeiten, Wetterlagen minutiös schildert – Steinunn Sigurdardóttir flicht all diese Elemente kunstvoll zu einem Textgewebe voller Überraschungen. Die Autorin hat über Jahre nur Gedichte geschrieben – deren Rhythmus werden hier in eine sprachbewusste Prosa überführt.
Freilich ist auch der „Herzort” in den Ostfjorden, wo Edda sich selbst wiederfinden soll, ein zweifelhaftes Idyll. Zwar mag das Kind bei Cousin Ingólfurs Familie gut aufgehoben sein. Auch hat Harpa endlich das Geheimnis ihrer Herkunft lösen können, da der wackeren Tante Dyrfinna noch nie eine Lüge über die Lippen gekommen ist. Doch nun sinnt sie ausgerechnet im Herzen der menschlichen Verlässlichkeit auf Verrat...
SYBIL WAGENER
STEINUNN SIGURDARDÓTTIR: Herzort. Aus dem Isländischen von Coletta Bürling. Ammann Verlag, Zürich 2001. 480 Seiten, 44 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr
"Herzort" ist ein kleines literarisches Wunder. Brigitte
"Die Geschichte dreier Frauen und einer abenteuerlichen Reise durch Island. Steinunn Sigurdardottir ist seit einigen Jahren ein literarischer Stern am Firmament der Vulkaninsel." (Andreas Doepfner, Neue Zürcher Zeitung)