Produktdetails
  • Knaur Taschenbücher
  • Verlag: Droemer/Knaur
  • Seitenzahl: 430
  • Gewicht: 274g
  • ISBN-13: 9783426612460
  • ISBN-10: 3426612461
  • Artikelnr.: 24570608
Autorenporträt
Gunter Gerlach, Jahrgang 1941, studierte an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. Er schreibt Hörspiele, Rundfunkserien, Kurzprosa und außergewöhnliche Krimis, für die er u. a. 1995 mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet wurde. Gunter Gerlach zählt zu den am häufigsten mit dem renommierten Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichneten Autoren, lebt in Hamburg. Bei dotbooks erscheinen Gunter Gerlachs Romane »Herzensach«, »Das Jahr, in dem ich beschloss, meinen Großvater umzubringen«, »Ich bin der andere«, »Der Haifischmann« und die Allergie-Trilogie »Kortison«, »Katzenhaar und Blütenstaub« und »Neurodermitis«, sowie der Kurzgeschichtenband »Melodie der Bronchien« und die Literatur-Quickies »Gold im Gebirge« und »Vorlieben«.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.08.1998

Nur der Hund heißt Trivial
Da hilft auch der Stadtplan nichts: Gunter Gerlachs "Herzensach"

Wer als übermütiger Leser von Gunter Gerlachs Roman "Herzensach" die mit "Ort, Personen und Tiere der Handlung" überschriebene Liste überschlägt, wird schon nach wenigen Seiten reumütig zurückblättern und den Nutzen der ironisch gemeinten Leseanleitung zu schätzen wissen. Dabei haben fast alle der vielen Figuren ausgeprägte Eigenschaften, aber kein Leben.

Der vielsagend bezeichnete Ort "Herzensach" sollte keine Mühe machen: Hier spielt die gesamte Handlung, und für den, der sich trotzdem nicht zurechtfindet, gibt es am Schluß des Buches einen Lageplan. Daß ein Tier im Roman eine wichtige Rolle spielt, zeigt der Hund auf dem Cover. Er heißt "Trivial" und ist, wie der Autor uns wissen läßt, "der große braune Hund unbestimmter Rasse, der alles weiß und nur ein einziges Mal etwas sagt". Und damit der Leser sich im Mysteriösen nicht verliert, gibt es zuletzt noch einen Stammbaum, nämlich den einer Piratenfamilie holländischer Herkunft.

Gerlach baut ein kompliziertes Mystifikationssystems auf, damit es letztendlich zu drei Leichen kommt. Die blasseste aller unter allen von synthetischem Blut geröteten Figuren ist der männliche Protagonist. Dieser durch einen Autounfall in die Pseudoidylle Herzensach geratene Jakob Finn ist nur der Cicerone, der uns, bedroht von den Anschlägen der Dorfbewohner, in die finsteren Geheimnisse des Ortes zu führen hat. Damit der junge Mann nicht gar zu langweilig geriet, gab ihm der Autor eine problematische Mitgift mit auf den Weg - nämlich, in den Worten der hilfreichen Liste: "Durch einen früheren Unfall ist er Erbe eines beträchtlichen Vermögens. Auszahlung bei Heirat. Der gleiche Unfall hat aber bisher jede Eheschließung verhindert." Somit kann auch Katharina Freitag - an einem Freitag gefunden, ihr Geschlecht und die Männer hassend - Jakobs Herzens-Sach in Herzensach nicht heilen. Eine traurige Geschichte also. Und ein garantiert negativer Liebes- und Heimatroman.

Munter und unverdrossen ist einzig der Erzähler. Er hält sich - wenn auch nicht immer den Leser - durch ironisch gemeinte Stilblüten bei Laune. Etwa: "Sie blickte hinaus und auf ihre vierundachtzig Jahre zurück." Da ihm diese Volte noch nicht genügt, fügt er in Klammern hinzu: "Es soll nicht verschwiegen werden, daß ihr ein kleines Glas Herzensacher Likör - ,Lustige Blaubeere' - dabei half." Solchen Trunk hätte auch der Leser benötigt - aber dann wäre er kaum zu des treuen Hundes Tod gelangt. Dessen Name zeigt unwiderlegbar an, daß wir es nicht mit einem Trivialroman zu tun haben.

Wenn es dafür eines letzten Beweises bedarf, dann ist es eine Art Beipackzettel zu den zuletzt präsentierten drei "Dokumenten". Ihm zufolge sollen sich "die mit dem Schluß unzufriedenen Leser" ein halbwegs befriedigendes Ende vorstellen. Es lebe die Kreativität des Lesers. Aber wie kreativ war der Autor?

Gunter Gerlach, der ein intelligenter und geschickter Schreiber ist, hat vielleicht doch nicht ausreichend bedacht, daß in seinem planvoll verwirrten Arrangement der Horror die Ironie und die Ironie den Horror umbringt. Wie heißt es in werbender Absicht auf der hinteren Umschlagklappe von "Herzensach"? "Ganghofer goes Steven King". Nein, Gerlach ist kein King. Aber Ganghofer wäre was gewesen. Man bekommt richtig Heimweh nach ihm. HARALD HARTUNG

Gunter Gerlach: "Herzensach". Roman. Haffmans Verlag, Zürich 1998. 432 S., geb., 44,- DM.

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