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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.05.1995

Neue Sportbücher Maske bleibt Maske - von Erich Honecker bis Dolly Buster

Zwei Bücher über Henry Maske, eines von Henry Maske - der Boxboom hat die Verleger erfaßt. Aus der Umgebung von Maske kam noch vor Erscheinen der beiden Biographien flugs die Mitteilung, daß sie nicht vom Champion autorisiert seien. Das klingt so, als wolle sich der große Meister nicht mit dem identifizieren, was drinsteht. Könnte er aber getrost, denn sowohl Thomas Braune als auch Klaus Weise zeichnen den Werdegang des Frankfurters von der Oder authentisch nach. Beide haben wie Maske ihre Wurzeln in der DDR. Braune, früher Redakteur beim Berliner Jugendsender DT 64, und Weise, einst Sportredakteur beim Deutschen Sportecho und der Jungen Welt, verfügen über den Stallgeruch der DDR und die Kontakte, eine Karriere nachzuzeichnen, die im Kleinbürgerlichen begann und zu den Höhen des Preisboxens führte. Eigeninteresse bestimmte die Hausmitteilung, schließlich kam Maske mit einem eigenen Büchlein auf den Markt.

Bei aller Konkurrenz - jeder hat sein Plätzchen beim Publikum. Kurioserweise verrät das Buch von Henry Maske am wenigsten über Henry Maske. Der Titel "Mein Boxlexikon" läßt denn auch keinen Zweifel daran, daß es sich nicht um eine Autobiographie handelt. Es ist ein Kompendium für Boxfreunde und solche, die es werden wollen. Aufgezeichnet von Bertram Job "anstelle einer Autobiographie, die zu schreiben Maske einstweilen müßig findet". Im Namen Maskes erklärt Job die Welt des Boxens von A bis Z. Die Stichwörter reichen von Aggression bis Zurücktreten. Nur wenige Boxer schafften es, als Champions abzutreten. "Das ist die Art, auf die ich zurücktreten möchte, wenn die Uhr lauter tickt - so in etwa ein bis zwei Jahren, denke ich. Und hoffentlich gelingt mir das!" Ja, das könnte Originalton Maske sein.

Die Verlagswerbung preist "Henry Maske - Auf eigene Faust" als den bisher "einzigen großen Text-Bildband über Deutschlands erfolgreichsten Boxer aller Zeiten" an. Mit dem Format liegt der Verlag richtig, mit den Relationen sollte er sorgsamer umgehen. Eine gewisse Orientierungslosigkeit waltete auch beim Layout. Auf einer Doppelseite, die Maske mit Kopfschutz zeigt, also als Amateur, wird im Text mit der Beschreibung seines Kampfes gegen Charles "Prince" Williams begonnen. Es ist der Kampf, in dem sich Maske die Krone bei den Halbschwergewichtsprofis holte. Das Bildmaterial enthält Schätze. Der sechsjährige Maske bei der Einschulung mit Schultüte, als Schüler in der Boxerklasse der Frankfurter Jugend- und Jugendsportschule, als Spartakiade-Sieger, im Gruppenbild mit Honecker und Stoph, in der Uniform der NVA. Kostbarkeiten, die gestreut werden wie die Petersilie über den Spargel. Bei der Mixtur von Photo- und Textband wirkt das geschriebene Wort an den Rand gedrängt. Die Idee, das Buch in zwölf Runden zu gliedern, ist originell, die gesammelten Stimmen, in Kästchen gefaßt, sind eine Bereicherung. Ein Volltreffer das Statement von Pornodarstellerin Dolly Buster: "Seit Henry Maske da ist, wirkt Boxen nicht mehr wie eine Unterabteilung vom Schlachthof. Maske hat eine harte Schale, einen romantischen Kern und Grips - das haut eine Frau einfach um."

Wer wissen will, wie Maske nun wirklich ist, also Maske ohne Maske, wird dank "Durchgeboxt" am weitesten kommen. Das Lesevergnügen ist anhaltend, weil Autor Brauner bisweilen literarische Qualitäten entwickelt. Indem er andere - in kursiver Schrift abgesetzt - über Henry erzählen läßt, entsteht aus Mosaiksteinen ein Bildnis, das sich sehen lassen kann. Allein die Beschreibung des Miteinanders in jenem Plattenbauhochhaus, in dem die Maskes bis vor kurzem lebten, ist die Schilderung einer DDR-Idylle, der sich Maske nicht zu schämen braucht. "Vom Nachbarn unterscheidet ihn der Kontostand, nicht die Geschichte", so hat Weise den Menschen Maske charakterisiert. "Weder Wendehals noch DDR-Nostalgiker." Wo Weise zum großen Schlag ausholt, setzt Braune elegante Jabs. Aber sie treffen einander in der Charakterisierung vom redlichen Menschen und fanatischen Box-Arbeiter aus Frankfurt an der Oder.

Braune verfolgt Drehtage des Champions am Strand von Malibu: "Der Messias des verruchten Profi-Boxens läuft über das Meer." Ohne Beulen, Schrammen und andere Blessuren. Maske selbst, so seine alte Lehrerin, wundert sich bisweilen, "wie glatt alles geht". Autoren und Leser wohl auch.

HANS-JOACHIM LEYENBERG

Besprochene Bücher: Braune, Thomas: "Henry Maske - durchgeboxt", Verlag Das Neue, Berlin, 256 Seiten, 29,80 Mark.

Maske, Henry: "Mein Box-Lexikon", Eichborn, Frankfurt, 152 Seiten, 19,80 Mark.

Weise, Klaus: "Henry Maske - auf eigene Faust. Der Weg zum Champion", Sportverlag, Berlin, 157 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 39,90 Mark.

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