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Vladimir Jankélévitch (1903-1985) held the chair in moral philosophy at the University of Paris-Sorbonne from 1951 to 1978, and was the author of more than twenty books on philosophy and music. Alexandre Lefebvre is Senior Lecturer in the Department of Government and International Relations and the Department of Philosophy at the University of Sydney. He is the coeditor of Bergson, Politics, and Religion, also published by Duke University Press. Nils F. Schott is James M. Motley Postdoctoral Fellow in the Humanities at Johns Hopkins University and the translator of several books, including The Helmholtz Curves: Tracing Lost Time, by Henning Schmidgen.…mehr

Produktbeschreibung
Vladimir Jankélévitch (1903-1985) held the chair in moral philosophy at the University of Paris-Sorbonne from 1951 to 1978, and was the author of more than twenty books on philosophy and music. Alexandre Lefebvre is Senior Lecturer in the Department of Government and International Relations and the Department of Philosophy at the University of Sydney. He is the coeditor of Bergson, Politics, and Religion, also published by Duke University Press. Nils F. Schott is James M. Motley Postdoctoral Fellow in the Humanities at Johns Hopkins University and the translator of several books, including The Helmholtz Curves: Tracing Lost Time, by Henning Schmidgen.
Autorenporträt
Vladimir Jankélévitch (1903-1985) held the chair in moral philosophy at the University of Paris-Sorbonne from 1951 to 1978, and was the author of more than twenty books on philosophy and music. Alexandre Lefebvre is Senior Lecturer in the Department of Government and International Relations and the Department of Philosophy at the University of Sydney. He is the coeditor of Bergson, Politics, and Religion, also published by Duke University Press. Nils F. Schott is James M. Motley Postdoctoral Fellow in the Humanities at Johns Hopkins University and the translator of several books, including The Helmholtz Curves: Tracing Lost Time, by Henning Schmidgen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.01.2023

Bloß nicht auf Französisch Deutsch sprechen
Nachdenken darüber, was das Schöpferische eigentlich ausmachen mag: Vladimir Jankélévitschs frühe Studie über Henri Bergson

Wenn ein Verkehrsstau der Gradmesser für die Berühmtheit eines Philosophen wäre, dann dürfte Henri Bergson einer der vordersten Plätze sicher sein. Die Legende will es, dass sich der erste Stau, der jemals den Verkehr auf dem New Yorker Broadway zum Erliegen brachte, anlässlich seiner Vortragsreise Anfang 1913 ereignete. Hatte Bergson bereits mit seiner Arbeit zu "Materie und Gedächtnis" aus dem Jahr 1896 internationales Renommee erworben, so gelangte er mit "Die schöpferische Evolution" von 1907 endgültig zu Weltruhm. In einer Epoche, die von neuen Erkenntnissen der Biologie, der Psychologie und der Physik begeistert war, traf Bergson den Nerv der Zeit, indem er die Fragestellungen und Methoden der triumphierenden Naturwissenschaften nicht nur auf Augenhöhe kritisierte, sondern in seinen zentralen philosophischen Konzepten den grassierenden Szientismus hinter sich zu lassen versprach.

Dazu gehörten Einsichten wie die der Nachträglichkeit des Bewusstseins gegenüber dem Handeln, wie sie mittlerweile hirnphysiologische Erkenntnisse zu bestätigen scheinen. Dazu gehört seine Kritik am Zeitverständnis der Physik, die das zeitliche Kontinuum in lauter messbare Zeitpunkte auflöst, statt die wahre Zeit als lebendige, dem Intellekt nicht fassbare innere Bewegung des Bewusstseins zu erfassen. Zu einer Art Markenzeichen seines Vitalismus wurde schließlich seine bekannteste Begriffsschöpfung, der mit "Lebensschwung" nur annäherungsweise ins Deutsche übertragbare "élan vital", der die Evolution zu immer neuen, überraschenden Kreationen antreibt. Mit ihm kritisierte Bergson die darwinsche Evolutionstheorie, die seiner Meinung nach nicht über mechanistische Vorstellungen hinauskam.

Auch wenn Bergsons Popularität nach der Zäsur des Ersten Weltkriegs abgenommen haben mochte, so war eine Auseinandersetzung mit seinem Denken für die um die Wende zum zwanzigsten Jahrhundert geborene Philosophengeneration unumgänglich. Ein Dokument hierfür ist die Studie, die ihm Vladimir Jankélévitch schon 1931 widmete. "Henri Bergson" ist das erste Buch des damals nicht einmal 28-Jährigen, geschrieben noch vor seinen akademischen Qualifikationsschriften zum späten Schelling und dem "schlechten Gewissen".

Der junge Philosoph hatte bis dahin eine französische Bilderbuchkarriere absolviert, nach dem Studium an der École normale supérieure 1926 die Agrégation als Jahrgangsbester bestanden. Bergson hatte er 1923 persönlich kennengelernt und blieb mit ihm bis zu dessen Tod 1941 im besetzten Paris eng verbunden, wovon der in diesem Band abgedruckte Briefwechsel zeugt. Jankélévitch sandte ihm regelmäßig seine Veröffentlichungen zu, die Bergson mit großzügigem Lob bedachte. Einer seiner Briefe, in dem er die "geistige Sympathie" des Autors mit seinem Denken hervorhebt, wurde der ersten Ausgabe als Vorwort vorangestellt.

Jankélévitchs Studie ist im wahrsten Sinne ein vielschichtiges Buch. Die erste Fassung erschien im Jahr, bevor Bergson 1932 sein Spätwerk "Die zwei Quellen der Religion und der Moral" vorlegte. Jankélévitch erweiterte für eine Neufassung, die 1959 herauskam und der deutschen Übersetzung zugrunde liegt, die ursprünglichen fünf um weitere drei Kapitel. Zwischen beiden Versionen liegen nicht nur der Tod Bergsons, sondern Jahre, in denen Jankélévitch aufgrund seiner jüdischen Herkunft aus dem Universitätsdienst entlassen wurde und sich der Résistance anschloss. Dazwischen liegen der Zivilisationsbruch und Jankélévitchs unbeugsame Absage an die deutsche Philosophie und Kultur.

Auch wenn er 1951 einen Lehrstuhl für Moralphilosophie an der Sorbonne erhielt, blieb Jankélévitch zeitlebens solitär. In den frühen Darstellungen zur französischen Existenzphilosophie der Nachkriegszeit von Zeitgenossen wie Jean Wahl taucht er nur am Rande auf - zu sehr zogen bereits der Existenzialismus eines Jean-Paul Sartre und die Phänomenologie von Maurice Merleau-Ponty alle Blicke auf sich. Spuren dieser Situation kann man in Jankélévitchs Bergson-Buch entdecken. Bereits im Vorwort zur Ausgabe von 1931 konstatierte er die nachlassende Bedeutung Bergsons, "die Salons sind sehr antibergsonistisch geworden"; und mehr noch zeigen die Passagen der späteren Fassung, wie er mit Bergson gegen den Existenzialismus seiner Zeit antritt, gegen diejenigen, "die auf Französisch Deutsch sprechen" und die er "die Vorkämpfer der modernen Angst und des modernen Defätismus" nennt.

Allerdings stellt Jankélévitch seine Parteinahme an keiner Stelle aus, auch wenn seine Verehrung in gelegentlichen Epitheta wie "bewundernswert" oder "genial" durchscheint. Stattdessen versucht er, wie es schon in einer der ersten Rezensionen des Buches heißt, Bergsons Denken nicht zu erhellen, sondern ihm nachzudenken. Das Resultat ist alles andere als eine Einführung in das Denken Bergsons, sondern eher eine ins Detail gehende Gesamtdarstellung. Treffend bezeichnet Andreas Vejvar Jankélévitchs Vorgehensweise in seinem instruktiven Nachwort als "akribisch". Sie ist in dem Sinne bergsonianisch, als sie dessen Denken ganz von innen heraus rekonstruieren will.

In dieser Hinsicht ist ihm Gilles Deleuzes 1966 erschienene Einführung in den "Bergsonismus", das Buch, das dem Namen Bergson in der Gegenwartsphilosophie wieder zu Aktualität verhalf, diametral entgegengesetzt. Wo Deleuze der bergsonschen Methode der Intuition ein eigenes Kapitel widmet, stellt Jankélévitch fest, "dass es für dieses Denken keine Methode gibt, die sich substanziell und bewusst von der Meditation über die Dinge unterscheidet"; und wo Deleuze seine Darstellung in kritischer Rekonstruktion an Bergsons Grundbegriffen Dauer, Erinnerung und "élan vital" orientiert, folgt Jankélévitch seinem Denken in strikter Ablehnung jeder äußerlich konstruierten Ordnung "nach der chronologischen Ordnung seiner Werke", wobei er, explizit das Bild der leibnizschen Monade aufgreifend, jedes einzelne davon als eine Art Fenster auf das Gesamtwerk versteht.

Wie produktiv Jankélévitch selbst Bergsons Denken verinnerlicht und umgesetzt hat, lässt sich anhand dieser Studie nur in Ansätzen nachvollziehen und wird letztlich wohl in erster Linie in seinem oft als poetisch bezeichneten Stil zu finden sein. Sicher war es für ihn einer der Schlüssel zum Verständnis des Schöpferischen in der Musik, bei Komponisten wie Fauré, Ravel oder Debussy, denen seine Leidenschaft sowohl als Theoretiker wie auch als Pianist galt und die er in dem Buch oft als Beispiele nennt. Und für eine Weile versuchte er, mit Untersuchungen wie denen zur Langeweile ausdrücklich an Bergsons Zeitdenken anzuknüpfen, was ihm allerdings ein ambivalentes Lob des Meisters eintrug. Der zeigte sich von seinen Überlegungen zwar fasziniert, ließ ihn aber auch wissen: "Langeweile ist ein Gefühl, das ich nie empfunden habe . . . denn ich hatte nie genug Zeit, um zu tun, was ich zu tun hatte." SONJA ASAL

Vladimir Jankélévitch: "Henri Bergson".

Aus dem Französischen von Ulrich Kunzmann. Mit einem Nachwort von Andreas Vejvar, Suhrkamp Verlag, Berlin 2022. 635 S., geb., 38,- Euro.

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