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Das Handbuch Englisch als Fremdsprache (HEF) umfasst in 122 Artikeln, die ausgewiesenen Spezialisten anvertraut wurden, die wichtigsten Studiengebiete der Anglistik und Amerikanistik, wie sie heute an deutschen Universitäten gelehrt werden. Es enthält in knappen Darstellungen die zentralen Inhalte der Studiengänge, die angehende Englischlehrer in ihrer universitären Ausbildung kennenlernen. "... für Anglistikstudenten sowohl als 1. Überblick wie als Studienbegleiter bis hin zum Examen unentbehrlich.
Das HEF umfaßt mit seinen über 100 Artikeln, die ausgewählten Spezialisten anvertraut
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Produktbeschreibung
Das Handbuch Englisch als Fremdsprache (HEF) umfasst in 122 Artikeln, die ausgewiesenen Spezialisten anvertraut wurden, die wichtigsten Studiengebiete der Anglistik und Amerikanistik, wie sie heute an deutschen Universitäten gelehrt werden. Es enthält in knappen Darstellungen die zentralen Inhalte der Studiengänge, die angehende Englischlehrer in ihrer universitären Ausbildung kennenlernen. "... für Anglistikstudenten sowohl als 1. Überblick wie als Studienbegleiter bis hin zum Examen unentbehrlich.
Das HEF umfaßt mit seinen über 100 Artikeln, die ausgewählten Spezialisten anvertraut wurden, die zentralen Lehr- und Studiengebiete in seinem Bereich. Die übersichtliche Konzeption macht das HEF, unentbehrlich für Dozenten, Studenten und Gymnasiallehrer und gliedert sich in folgende Hauptkapitel: - Das Englische als Nationalsprache und als Weltsprache - Das Englische als Lernsprache - Kulturwissenschaftliche Inhalte für die Lehre des Englischen als Fremdsprache - Die Rezeption englischsprachiger Literatur - Die Geschichte der Anglistik und Amerikanistik an deutschen Universitäten - Hilfsmittel für das Studium
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.03.2001

Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Linguisten
Abschaumgeboren: Wie das Englische vom geringgeschätzten Außenseiter zur Weltsprache wurde

Spuma linguarum nannte Schottelius (in der Teutschen Sprachkunst, 1641) verächtlich die englische Sprache: den Abschaum der Sprachen. Die Mischung aus vielen anderen Sprachen, die schon damals als charakteristisch für das Englische galt, wurde als minderwertig angesehen. Zudem war das nationale Idiom im Nordwesten des Kontinents mit seiner insular begrenzten Verwendung lange nur von geringer Bedeutung für den Rest Europas. Josua Maaler, der Schweizer reformierte Theologe und Verfasser des ersten Deutsch-Lateinischen Wörterbuchs (1556), mochte bei seinem Besuch in Oxford 1551 nicht Englisch lernen, weil die Sprache "ußert irem Land und Marchen nienen gebrucht wirt". In den zweisprachigen (beziehungsweise später mehrsprachigen) Dialogbüchern, die nach dem deutsch-italienischen Werk des Meisters Georg von Nürnberg ("Liber in volgaro", 1424) in großer Zahl erschienen, taucht das Englische dann aber als eine von sechs (und später von acht) europäischen Sprachen zum erstenmal 1570 auf. Dies geschieht in einer erweiterten Ausgabe des ersten gedruckten Lehrbuchs für Fremdsprachen (außerhalb des Lateinischen) überhaupt, genannt "Introito e porta" (zuerst 1477). 1584 begegnet es in einem flämisch-französischen Lehrwerk, genannt "Colloquia et dictionariolum". Offenbar begann um diese Zeit ein gewisses Interesse am Erlernen des Englischen auf dem Kontinent zu erwachen.

Die Reformation hat der Sprache auf der Insel zwei wirksame, in ihrer Art allerdings ganz unterschiedliche Impulse gegeben. Angeregt durch die frühen nationalsprachlichen Bibel-Übersetzungen und die Vehemenz der Reformation in ihrer calvinistisch-puritanischen Variante, wurde das Englische (neben dem Deutschen) im siebzehnten Jahrhundert als Sprache zur Verbreitung der Reformation gewertet, während die romanischen Sprachen als zur Verbreitung römisch-kirchlichen Gedankengutes tauglich galten. Die aus den Religionskämpfen auf der Insel hervorgehende Besiedlung Nordamerikas führte dann zu der am weitesten reichenden Ausbreitung angelsächsischer Kultur in einen anderen Teil dieser Erde und, wie wir heute wissen, zu den Anfängen einer englischsprechenden Nation, die im zwanzigsten Jahrhundert Weltgeltung erlangen sollte.

Der Transport der englischen Sprache auf alle Kontinente in den folgenden Jahrhunderten war im wesentlichen "imperialistisch", das heißt militärisch, politisch, wirtschaftlich bedingt, obwohl missionarische Absichten stets daran beteiligt waren. Daraus entstanden die verschiedenen quasinationalsprachlichen Varianten, die wir heute als kanadisches Englisch, australisches Englisch und so weiter kennen. Parallel dazu wuchs schon seit dem siebzehnten Jahrhundert (beginnend mit dem Werk von Francis Bacon), besonders aber seit dem achtzehnten Jahrhundert (nach der Glorious Revolution von 1689), die Bedeutung Englands als Kultur- und Kunstnation, was eine Verbreitung seiner Sprache aus anderen als imperialistischen Gründen, besonders im kontinentalen Europa, zur Folge hatte. Goethes Interesse an ihr ist dafür ein herausragendes Zeugnis in unserem Land. Zu dieser Popularität trugen neben der langen Reihe hervorragender wissenschaftlicher und literarischer Köpfe vor allem die gegenüber dem Kontinent vergleichsweise friedlichen und freien Lebensbedingungen auf der Insel bei. Zwar hatte es einen kurzen Bürgerkrieg (1642-1646) gegeben, aber ansonsten blieben dem Land Verheerungen wie die des Dreißigjährigen Krieges und vieler folgender Kriege erspart. Freilich war das Englische im kontinentalen Sprachenwettbewerb dem Französischen lange unterlegen, bis sich in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts die Waage allmählich zu seinen Gunsten neigte. Daran waren vor allem die Erfolge der Engländer in der industriellen Revolution beteiligt.

Den endgültigen Durchbruch zur Weltsprache schaffte das Englische im zwanzigsten Jahrhundert - aber nicht von den Britischen Inseln her. Dafür sind drei Jahreszahlen signifikant. Im Jahre 1919 erzwang der amerikanische Präsident Wilson in Versailles, gegen den erbitterten Widerstand der Franzosen, daß die englische Version des Friedensvertrags in demselben Sinne als Original galt wie die französische. Die Rolle, die das Englische dann im Völkerbund spielte, machte diesen Durchbruch endgültig und läutete das Ende der Weltgeltung des Französischen als Diplomatensprache ein. Im Jahre 1945 besiegten die alliierten Truppen, unter maßgeblicher Teilnahme der Amerikaner, das nationalsozialistische Deutschland. Damit begann ein Prozeß, in dem das nicht unter sowjetischen Einfluß geratene Europa sich dem amerikanischen Gesellschaftsmodell weitgehend öffnete. Unter anderem wurde dabei die Regionalgeltung, die das Deutsche sich nach den Napoleonischen Kriegen im neunzehnten Jahrhundert in Nordeuropa und, vorbereitet vor allem durch die österreichische Monarchie, im Osten und Südosten des Kontinents erworben hatte, beendet. Dies heißt natürlich auch, daß die Deutschen im zwanzigsten Jahrhundert die Geltung ihrer Sprache selbst verspielt haben. Im Jahre 1989 brach das sowjetische Imperium zusammen. Dies beendete die politisch robust herbeigeführte Hegemonie der russischen Sprache in den entsprechenden Einflußgebieten. Die statt ihrer einsetzende zweitsprachliche Anglisierung ist seitdem in vollem Gange.

Während des zwanzigsten Jahrhunderts mit seinen europäischen Ereignissen ging in der übrigen Welt der politische Einfluß Großbritanniens kontinuierlich zurück - nicht jedoch der allgemeine Gebrauch der englischen Sprache. Der wesentliche Grund dafür ist, neben einem natürlichen Nachhall des Empire, daß mit den Vereinigten Staaten für die gesamte Welt ein neues politisches Kraftzentrum entstanden war, das sich des vielerorts bestens eingeführten Englischen bediente.

Die Verbreitungsgeschichte des Englischen beweist dreierlei: erstens, daß die heutige Sprachsituation nicht das Ergebnis kurzfristiger Entwicklungen, etwa der Existenz des Internet, ist, wenn diese ihr auch starke neue Impulse verleiht; zweitens, daß diese Situation durch mehrere Jahrhunderte, fast wie von einer invisible hand, in einem verschlungenen historischen Prozeß aufgeschichtet wurde, der selbst nicht primär sprachorientiert war; und drittens, daß das Englische in seinen verschiedenen nationalen Varianten und als Weltsprache heute eine Sprachenfamilie und keine einheitliche Sprache mehr darstellt. Es vertritt deshalb auch nicht mehr eine einheitliche Kultur, wie dies bei Nationalsprachen der Fall zu sein pflegt.

Allen Entwicklungsphasen ist gemeinsam, daß das Englische, im Gegensatz zu anderen überregionalen Sprachen, niemals ein Gebrauchsfeld wieder hat räumen müssen, welches es sich einmal erobert hatte. Bei allen Konfrontationen in Asien und in Europa, hier vor allem mit dem Französischen und zuletzt mit dem Russischen, hat es sich weitgehend durchgesetzt. Dies war auch dann der Fall, wenn, wie in vielen ehemaligen Kolonialgebieten, sich die kulturelle Substanz des auf englisch artikulierten Lebens drastisch gewandelt hatte. In beinahe allen ehemaligen Kolonien haben es die angestammten Einwohner gelernt, mit Hilfe des Englischen antibritische Kulturtendenzen zu vertreten. Die zeitgenössische Sprachwissenschaft hat die Frage nach der Beharrungskraft dieser Sprache bisher nicht ernsthaft gestellt. Am nächsten liegt wohl die Erklärung, daß ihr eine besondere Lesbarkeit und Gebrauchseignung unter wechselnden Umständen zukommt. "Gebrauchseignung" heißt natürlich nicht, daß das Englische in einem oberflächlichen Sinne "leicht" oder"ausdrucksarm" sei. Seine Leistungen in den vielen Kommunikationsdomänen einer Weltsprache und auch in der Literatur widerlegen diese Annahme ohnehin. Allerdings ist die Idee der besonderen Lernbarkeit von englischen Grammatikern des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts schon selbst erwogen und mit der Sparsamkeit an grammatischen Formelementen begründet worden. Schon früh haben die Sprachwissenschaftler auf den Britischen Inseln ein besonderes Interesse am Englischen seitens der Sprecher anderer Sprachen unterstellt. Immer wird in den Vorworten der Grammatiken erklärt, man wolle das Erlernen der Sprache für diese Interessenten leichter machen. Dabei spielt die auf dem Kontinent so verachtete Mischung aus verschiedenen Elementen (westgermanisch, skandinavisch, normannofranzösisch, lateinisch) eher eine positive Rolle. Bereits Alexander Gill und John Wallis, die beide lateinische Grammatiken des Englischen verfaßten (1619 und 1653), haben ihm eine allgemeine Tauglichkeit als Weltsprache attestiert. John Wilkins, der 1666 seinen vielbeachteten Entwurf einer philosophischen Universalsprache vorlegte, hat erklärt, er tue dies unter anderem, weil das Englische, obwohl geeignet, in dieser Rolle politisch (wie man heute sagen würde) nicht durchsetzbar sei.

Niemand zweifelt heute daran, daß sich die Ausbreitung des Englischen als Weltsprache fortsetzen wird. Es gibt zu viele globale Interessen, um derentwillen man es als Dummheit ansehen würde, auf ein solches Verständigungsmittel zu verzichten. Wie aber reagieren wir Sprecher des Deutschen darauf? Da sind zunächst diejenigen, denen eine irgendwie geartete Sorge um Sprache fremd ist. Sie gebrauchen das Englische, wenn es ihnen Vorteile verschafft. Sie mischen es auch mit dem Deutschen, wie es ihnen auf die Zunge kommt. Da sind andere, denen am Herzen liegt, was man immer schon (und nicht erst seit dem inflationären Gebrauch dieses Begriffs) "Sprachkultur" genannt hat. Sie haben eine Reihe von Befürchtungen. Es könnte zum Beispiel das Interesse an fremden Sprachen überhaupt und an den in ihnen sedimentierten Kulturen absterben, das bisher ein Ausweis guter Bildung und Weltläufigkeit war und im übrigen den Kern der Wissenschaftsarbeit in den philosophischen Fakultäten unserer Universitäten ausmachte. Warum Französisch oder Russisch lernen und studieren, wenn man mit Englisch durch die Welt und vor allem auch durch das Berufsleben kommt?

Es könnte auch die Entwicklung der eigenen Sprache beeinträchtigt werden. Dabei braucht man nicht einmal an die effekthascherischen Sprachmischungen oder an unmotivierte Wortübernahmen aus dem Englischen zu denken, die viel Ärger erregen und in Ländern wie Frankreich und Polen schon zu gegensteuernden Gesetzesinitiativen geführt haben, deren Wirksamkeit man freilich bezweifeln kann. Bedeutsamer ist die Durchsetzungskraft der Fachterminologien, etwa in der Werbe- oder Computerbranche. Warum einen deutschen computertechnischen (oder auch medizinischen oder sprachwissenschaftlichen) Fachwortschatz erarbeiten, wenn der den meisten Menschen auf englisch schon zur Verfügung steht? Dabei muß man freilich bedenken, daß zahlenmäßig kleine Sprachgemeinschaften, wie die Niederländer oder die Finnen, solchen Verzicht schon immer leisten und wir, die Sprecher einer sogenannten großen Sprache, jetzt nur vollziehen müßten, was wir den anderen lange zugemutet haben.

Es bestehen auch Ängste um den Bestand der nationalsprachlichen Kulturen. Zwar ist Weltenglisch nicht das Englisch der Engländer oder Amerikaner, aber es kann seine angelsächsische Herkunft natürlich doch nicht verleugnen. Führt der Gebrauch der Weltsprache vielleicht zu einer monokulturellen Vereinheitlichung - wenn nicht überall, so doch zum Beispiel in den Wissenschaften, im Handel oder in der Politik? Steht eine Anglisierung der Welt bevor? Diese Ängste können patriotische bis nationalistische Töne annehmen. Sie können aber auch schlicht aus der Überzeugung geboren sein, daß Buntheit immer besser ist als Einfarbigkeit, ethnische Individualität besser als Allerweltsgesellschaft.

Da sind schließlich diejenigen, die im Alltag des internationalen Sprachenwettbewerbs die Gebote der Fairneß verletzt sehen. Teilnehmer an Diskussionen jedweder Art, deren eigene Sprache das Englische, also mit der Weltsprache zufällig identisch ist, genießen große Vorteile. Alle Besucher internationaler Konferenzen, auch die kenntnisreichen und geschickten, kennen dieses Phänomen. Vollzieht sich hier im Weltmaßstab eine sprachliche Elitebildung, die nicht erarbeitet ist, sondern im Geburtsland begründet liegt? Ist die Weltsprache Englisch vielleicht die moderne Form eines neuen imperialistischen Denkens und Handelns?

Mancher wird die genannten Ängste für übergroße Schatten an der Wand halten und demgegenüber auf die guten Aussichten hinweisen, die eine Weltsprache eröffnet. Schon länger erfreuen wir uns alle eines sprachlich problemlosen Flugverkehrs rund um den Globus. Es brächte gewiß große Vorteile, wenn man zum Beispiel Postadressen grundsätzlich sowohl in der Landessprache als auch in Englisch formulieren könnte. Ähnliches sollte für die Begleittexte zu Fahrplänen und für Gebrauchsanweisungen jeder Art gelten. Welche Erleichterung bedeutete es, wenn jeder Patient in allen Arztpraxen und Apotheken dieser Erde über das Englische auch dort Hilfe und die entsprechenden Rezepte erlangte, wo die Verständigung in der Landessprache scheitert. Und (weit in die Zukunft gedacht) welche Rechtssicherheit entstünde, wenn es ein Anrecht gäbe, vor jedem Gericht dieser Erde auch auf englisch Gehör zu finden. Natürlich setzten komplexe Situationen entsprechend gute Weltsprachenkenntnisse voraus. Weltenglisch würde ein Bestandteil zum Beispiel der medizinischen und juristischen Ausbildung werden müssen. Weltweit müßte die Kenntnis des Englischen als Weltsprache (nicht als Nationalsprache) schulisch gefördert werden. Für Deutschland wäre zum Beispiel ein Fach "internationale Kommunikation" denkbar, das sich nur zum Teil aus dem Curriculum des heutigen Englischunterrichts heraus entwickeln ließe und dieses auch nicht verdrängen sollte. In Zukunft werden deutsche Zeitungen nur mit englischen Ausgaben in die Welt wirken. Die deutschen Wissenschaften werden sich (auch) englisch artikulieren müssen. Der Vorschlag, englischsprachige Vorlesungen regelmäßig an unseren Universitäten anzubieten, ist schon gemacht worden. Das deutsche Verlagswesen, wo es Weltgeltung haben will, wird ein englischsprachiges Programm fahren müssen - und was der Voraussagen mehr sind.

Die Ängste vor dem Verlust an nationalsprachlichen Werten in Gegenwart und Zukunft sind durch das Aufzeigen von Vorteilen einer Weltsprache natürlich nicht behoben. Doch hat Offenheit gegenüber anderen Sprachen die Entwicklung des Deutschen immer schon bestimmt und seinen Wortschatz vorteilhaft bereichert. Hier braucht man nicht ängstlich zu sein; denn natürlich ist Weltenglisch nur für das zuständig, was nicht von ausschließlich nationalem Interesse ist. Dazu gehören sicher zunächst die angestammten Künste und Literaturen - was freilich nicht ausschließt, daß auch eine weltsprachliche Literatur (sowie Kunst) entstehen kann. Dazu gehören zum Beispiel auch die Riten der jeweiligen Religionen, die, soweit sie auf kanonischen Texten beruhen, ohnehin einem Sprachwechsel dogmatischen Widerstand entgegensetzen würden. Die Abgrenzung dessen, was eine weltweite Nachricht und eine Nachricht von national-regionaler Bedeutung ist, mag nicht immer ohne Kontroversen gelingen. Sie ist deshalb nicht unsinnig. Es kommt auf den Willen der jeweiligen Sprachnutzer an, sich auf beiden Seiten der Demarkationslinie zu artikulieren. Je aufgeschlossener und effektiver wir uns auf ihrer Weltseite artikulieren, je natürlicher können wir auch die Nationenseite besetzen.

Ein Hinweis auf den großen Beispielfall des Mittelalters ist hier angebracht, so unterschiedlich sich die konkreten Verhältnisse auch darstellen. Das Lateinische hatte bis zur Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts die Bedeutung einer Weltsprache im Sinne des damals auf Europa (bis auf Teile Spaniens und des Balkans) eingeschränkt verstandenen Weltbegriffs. Darin war abgefaßt, was, im zeitgebundenen Sinne, alle anging: der Diskurs über die theologische Deutung der Welt, die Anfänge naturwissenschaftlicher und historischer Wissenschaften, Teile des Rechtswesens. Die nationalsprachlichen Kulturen haben selbstverständlich daneben existiert, wie sich besonders an den Literaturen ablesen läßt. Auch heute muß die weltsprachliche die nationalsprachliche Kommunikation nicht notwendig gefährden.

Schließlich ist die Weltsprache eine große Idee. Sie ist so bedeutsam, daß sich sogar die Bibel ihrer angenommen hat. Von der Vielsprachigkeit der Menschheit wird als dem göttlichen Fluch in Babel, von ihrer Überwindung als dem göttlichen Wunder zu Pfingsten erzählt. Vielsprachigkeit wurde immer schon mit dem Unfrieden auf dieser Welt, gegenseitige Verständigung mit paradiesischem Frieden assoziiert. Nachdem das Lateinische, zusammen mit dem Griechischen und dem Hebräischen, diesen Verständigungsfrieden nicht mehr garantieren konnte, sind im siebzehnten Jahrhundert die Versuche nicht abgerissen, das Pfingstwunder gleichsam in der Wirklichkeit zu vollstrecken. René Descartes, Athanasius Kircher, die Engländer George Dalgarno und John Wilkins, Johannes Amos Comenius, Gottfried Wilhelm Leibniz und viele andere haben entsprechende Pläne geschmiedet. Sie wollten eine allgemeine Schreibsprache schaffen, deren Zeichen - wie die arabischen Zahlen oder Tierkreissymbole - von allen Nationalsprachen her lesbar wären - so wie die Jünger sich zu Pfingsten nach der Herabkunft der feurigen Zungen (also Sprachen) gegenseitig verstanden, obwohl doch jeder in seinem Idiom redete.

Der letzte Versuch dieser Art ist die Pasigraphie genannte Schreib- und Lesesprache des Deutschfranzosen Jean de Maimieux von 1797, deren Entwurf er ausdrücklich mit seinen Kriegserlebnissen begründete. Auch die vielen Anreger, die zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, als Reflex auf den Ersten Weltkrieg, vorhandene Sprachen vereinfachen oder zu einer Welthilfssprache vermischen wollten, erklärten ausdrücklich, daß dies dem Weltfrieden diene. Der polnische Arzt Ludwig Lazarus Zamenhof war der einzige unter ihnen, der mit Esperanto einen begrenzten Erfolg hatte. Kein Wunder, daß die pazifistischen Esperantisten zu den Verfolgten des Nazi-Regimes gehörten. Wir wissen heute, daß die Kriege der Menschheit ihre Ursachen nicht nur in Mißverständnissen und Kommunikationsschwierigkeiten haben. Dennoch ist das Verhandeln mit Hilfe von Sprache eine letzte wirkungsvolle Schranke, die Menschen daran hindert, Gewalt anzuwenden. Insofern ist die Idee einer Weltsprache, wenn auch nicht friedenstiftend, so doch kriegsverhindernd oder zumindest -verzögernd. Nach allem, was sich zeitdiagnostisch erkennen läßt, sind wir ihr niemals näher gewesen als heute.

WERNER HÜLLEN

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"Das Handbuch ist ein ... sehr zuverlässiger, profunder und daher nachdrücklich empfehlenswerter Wegweiser durch die wichtigsten an deutschen Hochschulen vertretenen Studiengebieten der Anglistik und Amerikanistik." -- Einkaufszentrale für Bibliotheken 'ekz.bibliotheksservice