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Richard Bausch ist einer der Großen der amerikanischen Gegenwartsliteratur. "Gute Nacht, Amerika" erzählt von Walter Marshall, 19, der eines Tages Präsident werden will. Doch einstweilen verwickelt sich sein Leben in ein Chaos: zum Beispiel ist er gleichzeitig mit zwei Frauen verlobt. Am Ende will er nur noch weit weg, nach Vietnam...

Produktbeschreibung
Richard Bausch ist einer der Großen der amerikanischen Gegenwartsliteratur. "Gute Nacht, Amerika" erzählt von Walter Marshall, 19, der eines Tages Präsident werden will. Doch einstweilen verwickelt sich sein Leben in ein Chaos: zum Beispiel ist er gleichzeitig mit zwei Frauen verlobt. Am Ende will er nur noch weit weg, nach Vietnam...
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.09.1998

Helden mit Hitzewallung
Richard Bausch singt Amerika ein Gutenachtlied

"Gute Nacht, Amerika", die dürftig kolorierte Initiationsgeschichte eines jungen Mannes in Amerika der frühen sechziger Jahre liest sich wie ein unter Termindruck zusammengeschriebenes Drehbuch. Den Soundtrack für seinen jetzt auf deutsch erschienenen Roman hat Richard Bausch gleich mitgegeben: Bob Dylans raspelnde Stimme, Peter, Paul und Mary im einträchtigen Chorsatz, Protestlieder aus der Bürgerrechtsbewegung. Ob die Geschichte allerdings auf der Leinwand eher die Spannung halten könnte, ist fraglich.

Was als Bestandsaufnahme einer Gesellschaft in Bewegung angelegt ist, gerät zur flüchtig hingepinselten Kulisse für eine postpubertäre Liebesgeschichte. Dabei hat Richard Bausch vielversprechende Schauplätze und Helden gewählt und versucht, seine Figuren mit zeittypischen Lebensläufen auszustatten.

Der unbedarfte neunzehnjährige Walter Marshall etwa trägt 1964, ein Jahr nach Kennedys Ermordung, dessen Reden immer noch ständig bei sich und drapiert seine Haare kunstvoll im Präsidialstil, denn er hat sich fest vorgenommen, Kennedys Nachfolge anzutreten und das Land in eine leuchtende Zukunft der Gleichheit und Brüderlichkeit zu führen. Walter lebt noch bei seiner Mutter, sortiert tagsüber Post und besucht Abendkurse an einer heruntergewirtschafteten Rundfunkschule. Seine diffusen Ideale taugen schlecht für die Wirklichkeit, und wie es sich für eine Initiationsgeschichte gehört, läßt die Ernüchterung nicht lang auf sich warten. Die dubiosen Machenschaften seines bankrotten Rundfunkmentors, die alkoholselige Komplizenschaft der Medienwelt und die Gewaltbereitschaft militanter Rassisten gegenüber der aufkeimenden Bürgerbewegung ernüchtern den jungen Weltverbesserer. Als dann auch noch seine Mutter die ödipale Symbiose aufkündigt und droht, ihren Chef zu heiraten, und seine Angebetete ihn über die Promiskuität seines Idols Kennedy aufklärt, ist die Schwelle zum Erwachsenendasein endgültig überschritten.

Allerdings ist damit die Zeit der Illusionen noch nicht vorbei: Angewidert und verwirrt von den gesellschaftlichen Entwicklungen, die er am eigenen Leibe erlebt hat, läßt sich Walter gutgläubig für Vietnam rekrutieren, um wenigstens dort, weit weg vom Herz der Finsternis, für die Freiheit zu kämpfen.

Im Bestreben um Komik treibt Richard Bausch die simplizistische Einfalt seines Helden ins Dümmliche und macht damit jegliche Identifikation unmöglich. Es mangelt durchgehend an ebenjener psychologischen Genauigkeit, die der Klappentext verspricht; zunehmend verärgert müht man sich durch nicht enden wollende Dialoge, in denen sich Walter vor allem über hilfloses Stottern und Kontraktionen seines Verdauungstraktes artikuliert. Seine Liebesverwirrungen können anfänglich noch amüsieren, aber spätestens bei der zweiten unwillentlichen Verlobung möchte man sich peinlich berührt abwenden und den Helden seine Hitzewallungen alleine durchstehen lassen. Die ungelenke deutsche Übersetzung von Sabine Roth, die sich ständig Anglizismen wie "Ich hatte einen Urlaub" oder "Sollen wir ausgehen, vielleicht?" leistet, erhöht das Vergnügen in keiner Weise. ANNETTE PEHNT

Richard Bausch: "Gute Nacht, Amerika". Roman. Luchterhand Literaturverlag, München 1998. 428 S., geb., 44,- DM.

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