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"Auch Du, mein Sohn Brutus?" Diese Worte Julius Caesars stehen am Ende der vielleicht spektakulärsten Verschwörung der Antike. Viele weitere Ereignisse dieser Art folgten. In fesselnden Beiträgen schildern siebzehn Historiker die großen Verschwörungen der Weltgeschichte, stellen dar, daß es immer dann zu Erhebungen kommt, wenn Machtstrukturen erstarrt sind, und so ein friedlicher Herrschafts- oder Systemwechsel nicht möglich erscheint.

Produktbeschreibung
"Auch Du, mein Sohn Brutus?" Diese Worte Julius Caesars stehen am Ende der vielleicht spektakulärsten Verschwörung der Antike. Viele weitere Ereignisse dieser Art folgten. In fesselnden Beiträgen schildern siebzehn Historiker die großen Verschwörungen der Weltgeschichte, stellen dar, daß es immer dann zu Erhebungen kommt, wenn Machtstrukturen erstarrt sind, und so ein friedlicher Herrschafts- oder Systemwechsel nicht möglich erscheint.
Autorenporträt
Uwe Schultz, Dr. phil., war von 1976 bis 1994 Leiter der Hauptabteilung Kulturelles Wort beim Hessischen Rundfunk in Frankfurt am Main. 1966 erhielt er den Kurt-Magnus-Preis der Deutschen Rundfunkanstalten, 1999 den Preis des deutsch-französischen Kulturrats für Essayistik. Er arbeitet heute freiberuflich in Paris.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.1998

Guten Putsch auch!
Von Verschwörern lernen heißt siegen lernen / Von Milos Vec

Über die interessantesten Verschwörungen weiß man am wenigsten. Die Bilder des Attentats auf Kennedy haben sich ins Gedächtnis eingefressen, und auch die Schüsse auf Lee Harvey Oswald sind durch ihre permanente Wiederholung in das kollektive Gedächtnis eingegangen. Eine Verschwörung soll hinter dem Attentat auf Kennedy gesteckt haben, gewiß, aber welche? Die Verschwörungstheoretiker sind selbst zu verschworenen Gemeinschaften geworden, die eifersüchtig ihre Deutungsansprüche monopolisieren wollen. Einig sind sie sich bloß in ihrer Ablehnung der Einzeltätertheorie. Wo im verborgenen so viele Kräfte des Bösen walten, wäre es absurd, wenn ein einzelner sie alle übervorteilen könnte.

Auch Hans E. Tütsch kann in seinem Beitrag zum Band, "Kugeln für Kennedy und Lincoln" betitelt, keine neuen Fakten in den Strom der Geschichte entlassen. Wie bei seinen Kollegen bildet die mehr oder weniger spannende Nacherzählung des bekannten historischen Ereignisses den Kern des Texts. Mit allgemeinen Aussagen über Verschwörungen halten die Autoren sich - möglicherweise ist das verabredet - im Zaum. Der Leser soll selbst nach den verborgenen Gesetzen der Geschichte forschen, die die Haremsverschwörung unter Ramses III. mit den bolivianischen Militärputschen der siebziger und achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts verbinden.

Doch dem Idealbild des Laien wird keine von ihnen gerecht. Verschwörungen haben, wie es nicht zufällig im Beitrag über den Militärputsch im hispanischen Raum steht, immer etwas Romantisches. Nichts beschäftigt unsere Vorstellungen so sehr, wie der tatbestandliche Kern der Verschwörung, den der Strafrechtler schnöde als Verbrechensverabredung einstuft. Man stellt sich vor, wie sie sich zur blauen Stunde an einem abgelegenen Ort treffen. Während sich draußen Hase und Igel gute Nacht sagen, streifen sich die Verschwörer die Fuchshaut über, um eines fernen Tages im Gewand des Löwen regieren zu können. Es gehört viel politische Klugheit dazu, die rechte Balance zwischen einzelgängerischem Aberwitz und Vorformen einer Massenmobilisierung zu finden. Geheimhaltung ist eines der drängendsten Probleme der Verschwörer.

Gerade deswegen ist auch der im Begriff der Verschwörung schon vorhandene Schwur so wichtig für ihr Vorhaben. Nur die Berufung der Teilnehmer auf transzendente Mächte sichert dem Vorhaben eine Erfolgschance. Nur wer die bedingte Selbstverfluchung des Eides auf sich nimmt, ist ein treuer Bündnisgenosse. Er wird seine Mitstreiter nicht verraten, und er fühlt sich dem Vorhaben unbedingt verpflichtet. Nicht leichtfertig beschließt man den Umsturz des Gemeinwesens, denn beim Hochverrat, der auf das Herz des Staates zielt, riskiert der Hochverräter meist sein Leben. Die Strafen sind drakonisch und sie drohen schon dann, wenn man noch glaubt, Gespräche in der Sicherheit des Schweigens zu führen.

Wie diese genau vor sich gehen, erfährt man bezeichnenderweise aus keinem der Beiträge. Vieles von dem, was politisches Handeln ausmacht, Selbstinszenierungen und Symbole, kommt für die Verschwörer im frühen Stadium ihres Handelns nicht in Betracht und bestimmt die spätere Quellenlage für den Historiker. Verschwörer weben im verborgenen. Schlägt ihr Vorhaben fehl, steht den Machthabern frei, die Verschwörung und ihre Vorgeschichte zum eigenen Nutzen auszuschmücken; das Bild verdüstert sich, und mancher aufrecht gewachsene Verschwörer erhält (wie Richard III.) unversehens einen Buckel angedichtet. Waren die Verschwörer hingegen erfolgreich, erzählen sie nur zu gerne einen geschönten Gründungsmythos der neuen Ordnung.

Gesichert sind bloß die nachgeschobenen Begründungen für den Umsturzversuch. "Wiederherstellung von Recht und Moral" oder Widerstand gegen den "Verfall der öffentlichen Ordnung" - was die Verschwörer für sich reklamieren, klingt stets ähnlich, gleich ob es sich um die Männer des 20. Juli 1944 oder um lateinamerikanische Rechtsputsche handelt, denn hinter allen steht das Problem der Legitimation von Herrschaft. Wenn die Verschwörung nicht nur militärisch erfolgreich sein will, muß sie sich rückblickend als ein Akt zu verstehen geben, der zwar nach geltendem Recht verboten, vor den hehren Schranken des Naturrechts jedoch erlaubt war.

Das Überraschungselement, das alle gelungenen Verschwörungen haben, fehlt leider diesem Band. Die Aneinanderreihung der Verschwörungsgeschichten führt dazu, daß sich vor dem Auge des Lesers eine einzige fortlaufende Intrige entrollt. Schaurig berührt kann er das skrupellose Treiben der Mächtigen beobachten und dabei eigene kultursoziologische Spekulationen anstellen. Über Zeiten und Völker hinweg, denkt er, müßten sich Mindeststandards für eine erfolgreiche Verschwörung feststellen lassen. Weit gefehlt! Jeder Umsturzversuch hat seine eigene Sozialpsychologie, und manchmal genügt auch - wie Wolfgang Benz' Abhandlung über die "Protokolle der Weisen von Zion" verdeutlicht - die publikumswirksame Suggestion einer Verschwörung, um ans Ziel zu gelangen.

Gesichert scheint nur die Tatsache, daß die Gewalt, die auf vielen Schultern ruht, weniger leicht zu usurpieren ist, als die Herrschaft eines einzelnen. Moderne Demokratien haben auf der nach unten offenen Verschwörerskala, die Abgründe von Landesverrat mißt, sozusagen einen politischen Standortvorteil. Das Bonner Grundgesetz geht sogar noch einen Schritt weiter und bestimmt in Art. 20 Abs. 4 GG, daß alle Deutschen das Recht zum Widerstand gegen die Umtriebe von Verfassungsfeinden haben, sofern andere Abhilfe nicht möglich ist. Im bundesdeutschen Sozialstaat wird eben auch die Verschwörung, so sie ausreichend verfassungstreu ist, obrigkeitlich geschützt.

Uwe Schultz (Hrsg.): "Große Verschwörungen". Staatsstreich und Tyrannensturz von der Antike bis zur Gegenwart. Verlag C. H. Beck, München 1998. 279 S., geb., 48,- DM.

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