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Dieser Bildband - eine Reise durch die Stadt, ihre Geschichte und ihre Umgebung - läßt nachempfinden, warum Greifswald den großen romantischen Maler Caspar David Friedrich und sein Werk so nachhaltig beeinflußte.

Produktbeschreibung
Dieser Bildband - eine Reise durch die Stadt, ihre Geschichte und ihre Umgebung - läßt nachempfinden, warum Greifswald den großen romantischen Maler Caspar David Friedrich und sein Werk so nachhaltig beeinflußte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.07.2000

Blick zurück im Ruhestand
Durch die SED-Brille: Geschichte der Stadt Greifswald

Horst Wernicke (Herausgeber): Greifswald. Geschichte der Stadt. Thomas Helms Verlag, Schwerin 2000. 575 Seiten, bis 31. 12. 2000 58,- Mark, danach 78,- Mark.

Greifswald ist eine dieser kleinen deutschen Universitätsstädte, von denen es heißt, man weine in ihnen zweimal - wenn man ankomme und wenn man wieder weg müsse. Viele Greifswalder müssen aber nicht weg von Greifswald, sie bleiben - mitunter ein Leben lang. Deshalb gibt es viele Professoren, Pfarrer oder Archivare "i. R.". Schönen Berufsjahren etwa an der Universität folgen schöne Jahre im Ruhestand in Greifswald.

Nun wird Greifswald, die vorpommersche Universitätsstadt, gerade 750 Jahre alt. Der Anlass war es wert, eine neue Stadtgeschichte herauszugeben, die - wenn man dem Herausgeber, einem Greifswalder Historiker, glauben darf - erste richtige Stadtgeschichte. Wohl deswegen wurde daraus ein in jeder Hinsicht gewichtiges Buch, das man unmöglich beim Lesen auf den Knien halten kann. Dabei lohnt das Lesen, oder es lohnt doch wieder nicht - je nach Standpunkt.

All diese "i. R.", welche die Stadtgeschichte mit verfasst haben, waren in Greifswald aktive Professoren, Pfarrer oder Archivare, als es die DDR noch gab. Das besagt zunächst nicht viel. Aber zu den Autoren gehört etwa Joachim Mai. Der Historiker i. R. schreibt über Greifswald in der Zeit der Weimarer Republik und während der nationalsozialistischen Diktatur, die Mai auch Faschismus nennt.

Am Schluss seines Kapitels steht die kampflose Übergabe der Stadt 1945 an die Rote Armee. Früher war das die "kampflose Befreiung der Stadt". Der Kampfkommandant Rudolf Petershagen hatte im April 1945 Greifswald das Schicksal solcher Nachbarstädte wie Prenzlau oder Anklam ersparen wollen. Über sie war die Feuerwalze der Ostfront hinweggerollt. Mai vergisst nicht, in seinem Aufsatz die "antifaschistisch eingestellten Arbeiter" zu erwähnen, "die für die Übergabe günstige Bedingungen in der Stadt schaffen halfen".

Es muss dem Herausgeber selbst unheimlich gewesen sein, allein Mai zu diesem Thema sprechen zu lassen, nur weil er schon immer zu diesem Thema gesprochen hat. Deshalb folgt im Buch ein Kapitel über den "Mythos von der kampflosen Übergabe", in dem es einem Nicht-Greifswalder, Helge Matthiesen, vorbehalten bleibt, sich die Frage vorzulegen, weshalb der Kampfkommandant Petershagen die Übergabeurkunde unterschrieb und wer hinter ihm stand.

Matthiesen würdigt dabei das Greifswalder Bürgertum, das schon immer für das Wohl der Stadt einstand, erst recht in dieser schwierigen Situation am Ende des Krieges. Matthiesen sagt zum Ärger vieler Greifswalder, die Petershagens Entscheidung für einmalig halten: "Die Ereignisse in Greifswald waren nichts Besonderes . . . Bemerkenswert ist allein die Tatsache, dass eine Stadt von der Größe Greifswalds an die Sowjets übergeben wurde."

Matthiesen ist auch der Autor des nächsten Kapitels, in dem es um Greifswald in der Zeit der DDR geht. Am Schluss erwähnt Matthiesen kurz die Wendezeit, aber es klingt bei ihm so, als wäre diese Passage aus Sicht der SED geschrieben. Das Kapitel endet mit dem bedauernd klingenden Satz: Die SED "hatte ihre Chance, eine bessere Gesellschaft zu gestalten, nicht genutzt."

Aus der Zeit des Herbstes 1989 werden ein paar Namen von Oppositionellen genannt. Aber eine Darstellung dieser Zeit fehlt völlig, als wäre zehn Jahre danach alles vergessen. Der Runde Tisch kommt ebenso wenig vor wie der Sturm auf die Kreisverwaltungen von SED und Staatssicherheit. Nichts wird berichtet über all die Enthüllungen, die es erst nach dem Herbst 1989 geben konnte, über eine Beinahe-Katastrophe im inzwischen abgeschalteten Kernkraftwerk Greifswald oder über kleine Widerstandsaktionen junger Leute noch in tiefster DDR-Zeit. Die ersten Sekretäre der SED-Kreisleitung finden fast alle Erwähnung, auch die Umzüge der SED-Kreisleitung sind dem Autor jeweils eine Notiz wert. Nichts hingegen erfährt der Leser davon, dass einige Oppositionelle sich damals an die Spitze der demokratischen Entwicklung gestellt haben und der eine oder andere heute noch dort steht - in der Stadt selbst, im Landtag und im Bundestag.

Diese Vorsicht mag damit zusammenhängen, dass seit der deutschen Einheit viele Greifswalder sich lieber an ihre Zeit in der DDR erinnern: die Zeit ohne Markt, Arbeitslosigkeit und Wessis. Im endlosen Kapitel über die bildende Kunst in Greifswald erfährt der Leser vor allem, dass in den sechziger und siebziger Jahren "der finanziell aufwendige Bereich der Skulptur im öffentlichen Raum in Beziehung zur Wohnarchitektur auch in Greifswald eine viel versprechende Entwicklung aufwies". Bedauert wird, dass viele der damals entstandenen Arbeiten in den Plattenbausiedlungen inzwischen verloren sind. Es ist immerhin eine Notiz wert, dass sich die Metallarbeit "Fackelträger" nun nicht mehr am Gebäude der ehemaligen SED-Kreisleitung befindet.

Einem anderen Autor entschlüpft der Begriff Westflüchlinge, wenn er von Literaten spricht, welche Greifswald verlassen haben, weil sie die DDR verlassen haben.

Das Buch hätte nicht oder wenigstens nicht zu dem niedrigen Preis erscheinen können, hätte nicht ein Ur-Greifswalder, der zu seinem Glück die Stadt früh verlassen hatte, finanziell geholfen: Berthold Beitz. Ob er vor Drucklegung gelesen hat, was ihm gewidmet ist?

FRANK PERGANDE

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