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Er kam aus der Provinz, wurde Hofmaler in Madrid, genoss als erster Maler des Königs hohes Ansehen und blieb doch ein Außenseiter: Francisco Goya y Lucientes (1746-1828) porträtierte nicht nur die Großen seiner Zeit, sondern auch Verbrecher, Bettler und Irre. Alltagsszenen beseelte er mit der gleichen Ausdruckskraft wie Traumbilder seiner bizarren Phantasie. Robert Hughes, ein ebenso brillanter Kunsthistoriker wie Schriftsteller, erzählt in dieser reich bebilderten Biographie, wie Goya die Konflikte seiner Zeit erlebte und wie er in seiner Kunst die Tradition vollendete und die Moderne…mehr

Produktbeschreibung
Er kam aus der Provinz, wurde Hofmaler in Madrid, genoss als erster Maler des Königs hohes Ansehen und blieb doch ein Außenseiter: Francisco Goya y Lucientes (1746-1828) porträtierte nicht nur die Großen seiner Zeit, sondern auch Verbrecher, Bettler und Irre. Alltagsszenen beseelte er mit der gleichen Ausdruckskraft wie Traumbilder seiner bizarren Phantasie. Robert Hughes, ein ebenso brillanter Kunsthistoriker wie Schriftsteller, erzählt in dieser reich bebilderten Biographie, wie Goya die Konflikte seiner Zeit erlebte und wie er in seiner Kunst die Tradition vollendete und die Moderne begründete.

In seinem für die damalige Epoche ungewöhnlich langen Leben schuf Goya ein gewaltiges Werk: siebenhundert Gemälde, dreihundert Drucke und mehrere Freskenzyklen. Vielleicht berühren uns die meisten davon auch heute noch so sehr, weil sie herben Rückschlägen abgerungen wurden: Goyas Liebeswerben um die schöne Herzogin von Alba scheint erfolglos geblieben zu sein; mit Ausnahme von Javier überlebte keines seiner vielen Kinder, und er selbst wurde 1792 nach einer schweren Krankheit taub. Fortan suchte seine Phantasie nach ganz neuen Ausdrucksformen. So entstanden die "Caprichos", die schnell wieder vom Markt verschwanden, weil die Karikaturen von Kupplerinnen, Stutzern und Aristokraten verstörend wirkten. Die 1810 begonnen "Desastres de la Guerra" wiederum stellten die Schrecken des spanischen Partisanenkrieges gegen die napoleonischen Besatzer so ungeschönt dar, dass sie erst ein halbes Jahrhundert später der Öffentlichkeit gezeigt wurden.

Robert Hughes verehrt diesen Künstler, seit er als junger Mann eine Kopie von Goyas Radierung "Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer" erwarb. Schon damals reifte in ihm der Entschluss, eine Biographie über Goya zu schreiben. Aber erst nach jahrzehntelanger Annäherung an den großen Spanier legte er dieses bewegende Buch vor, in dem - ein absolutes Novum - auch die frühen Wandgemälde Goyas in dem Aula-Dei-Kloster analysiert werden. Es ist einfühlsam und mit leichter Hand erzählt, tief schürfend in der Analyse und reich an faszinierenden Einblicken in die Epoche zwischen Aufklärung und Restauration.
Autorenporträt
Robert Hughes ist 1938 in Sydney, Australien, geboren und dort aufgewachsen. Er lebt und arbeitet seit 1970 in den USA als Kunstkritiker für Time Magazine . Er hat zahllose Artikel und 13 Bücher veröffentlicht und diverse Preise und Auszeichnungen erhalten, u.a. den Academy Award in Literature.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2005

Der Meister aller Schrecken
War Goya der "Prophet der Moderne"? Auf jeden Fall ist er das Kunstereignis dieses Sommers / Von Peter Richter

Goya - Prophet der Moderne. Das klingt wie: van Gogh - Genie und Wahnsinn. Oder: Picasso - der Mann, der ziemlich viele Frauen liebte. Also sehr selbstverständlich. Genau das ist es aber eben ganz und gar nicht. Und am wenigsten selbstverständlich ist es als Titel einer Ausstellung, die ab 13. Juli in Berlin gezeigt wird. Denn kaum eines der Bilder dort war je zuvor in Deutschland zu sehen. Einige haben Spanien sogar noch nie verlassen. Sie hängen über den Kaminen von Landadligen, sie sind der Stolz von Provinzmuseen, und sie werden als Nationalheiligtümer im Prado bewacht.

Es gibt wenig, was schwieriger zu organisieren wäre, als eine große Goya-Ausstellung. Jedenfalls eine, die nicht nur die Grafik, sondern auch die Gemälde umfaßt. Daß die Alte Nationalgalerie jetzt gleich mehr als siebzig der bedeutendsten davon zeigen kann, ist allein schon museumspolitisch ein verblüffendes Ausstellungswunder. Es dürfte vor allem dadurch zustande gekommen sein, daß sich die Preußischen Sammlungen geschickt an die alte Habsburger-Achse angelagert haben. Und zwar an das Kunsthistorische Museum Wien, dem der sonst nicht direkt für übertriebene Leihwütigkeit bekannte Prado in Madrid für seine große Dürer-Ausstellung noch etwas schuldig war, nämlich ein paar eigene Meisterwerke und die Vermittlung bei kleineren Museen und Privatsammlern.

Solche Ringtauschgeschäfte und Wanderausstellungen sind bei alter Kunst konservatorisch keine ganz unbedenkliche Sache; gerade der Ärger um Dürers empfindlichen Hasen, der trotzdem von Wien nach Madrid ging, hat das soeben wieder gezeigt. Um so erfreulicher für Berlin, daß ausgerechnet die Nationalgalerie die erste Station für diesen Ausstellungshöhepunkt des Jahres sein darf. Und damit der Ort, wo in diesem Sommer aus dem Schiller- endgültig ein Goya-Jahr wird. Kleine, delikate Ausstellungen zu Goyas Grafik und Zeichnungen hatten das in Schwerin und Hamburg schon angedeutet. Im Augenblick zeigt die Wiener Albertina "Von Goya bis Picasso". Und wer mit der erfrischenden neuen Goya-Biographie des australischen Kunstkritikers Robert Hughes in dieses Jahr gegangen ist, der war ohnehin gut gewappnet für Schiller, Trafalgar, den Blair-Chirac-Streit, die Krise Europas und was sonst noch so alles im Moment auf die Zeit um 1800 zurückweist.

Mann für alle Fälle

Dabei braucht Goya noch nicht einmal ein rundes Jubiläum für diese plötzliche Aufmerksamkeit, genausowenig wie Rubens, der es vor ein paar Jahren ebenfalls ohne erkennbaren Anlaß zu einer ganzen Reihe von Ausstellungen gebracht hat. Manche Künstler gehen halt immer. Trotzdem wird Goya in der Nationalgalerie nicht nur für sich selbst stehen dürfen, sondern in eine didaktische Fortschrittsgeschichte eingepaßt werden, die unter Umständen genauso kinderbuchhaft geraten könnte wie der Ausstellungstitel: Dort, wo normalerweise die Impressionisten hängen, soll nach den Präraffaeliten und dem russischen Realisten Ilja Repin nun Goya als Teil einer Ausstellungsreihe beweisen, daß die Moderne ihre Wurzeln nicht nur in Frankreich hatte.

Das liegt zwar einerseits genauso auf der Hand wie andererseits der Versuch der Nationalgalerie verständlich ist, nach dem Erfolg der MoMA-Ausstellung vor einem Jahr jetzt gewissermaßen mit einer Art Vorgeschichte direkt daran anzuknüpfen. Ein bißchen stupide ist es trotzdem. Man könnte sich auf Ausstellungen wie diese noch weitaus mehr freuen, wenn nicht ständig bei allem und jedem so zwanghaft von der Moderne und ihren vielen Propheten die Rede wäre. Denn damit verhält es sich inzwischen fast wie mit der späten DDR, die irgendwann auch kurzerhand alles, was in der Vergangenheit irgendwie gut war, für sich als Ahne und Vorform reklamierte. Es gibt nichts, was sich nicht mit ein paar guten Argumenten in etwas anderem spiegeln ließe, das Neue Testament im Alten, Hitler in Luther, die Moderne in Goya. Nur ist meistens am Ende noch nicht mal mehr ganz klar, wer dabei eigentlich wen legitimieren oder auch diskreditieren soll.

Vielleicht ist auch nur der Begriff Moderne etwas aus der Form geraten, als er den Kunsthistorikern von den Soziologen aus dem Mund genommen und wie ein historischer Kaugummi in alle möglichen Vorvergangenheiten gedehnt wurde. Protomodernes findet sich heute praktisch bis runter zum Mittelalter, und selbst da soll es mitunter schon verdammt modern zugegangen sein.

Verglichen mit den Nazarenern, deren angebliche Modernität dieses Frühjahr in der Frankfurter Schirn-Kunsthalle beteuert wurde, ist Goya zwar sicherlich ein wesentlich zuverlässigerer Prophet der Moderne. Aber wenn er jetzt in Berlin den Ankündigungen zufolge wieder vor allem diese Rolle zu spielen hat, die des Wegbereiters für andere, dann ist das nicht nur die langweiligste aller möglichen Pointen - es ist außerdem auch eine, an deren Revision sich gerade die jüngste Forschung, offensichtlich leider erfolglos, abgerackert hat. Nachdem Goya Romantiker, Realist, Impressionist, Symbolist, Expressionist und Surrealist gewesen ist, und zwar alles nacheinander und vor allem: nach seinem Tod, hat ihn jetzt Robert Hughes mit seiner Biographie zur Abwechslung mal wieder als einen Mann seiner eigenen Zeit dargestellt - und nicht als einen, der aus Versehen hundert Jahre zu früh für seine Kunst geboren wurde. Zumal auch deren protomoderne Züge von Werner Hofmann zuletzt eher aus weit zurückreichenden spanischen Kulturtraditionen erklärt worden sind. Goyas Werk, schimpfte der Um-1800-Experte Hofmann neulich in der "Zeit", büße seine spezifischen Merkmale ein, wenn es "zu einem Wegbereiter der selbstbezüglichen Moderne verfälscht" werde.

Mann seiner Zeit

Und weil es wirklich schade wäre um die einmalige Gelegenheit, wenn man Goya in der Alten Nationalgalerie nur als Steigbügelhalter der späteren Avantgardisten begriffe und danach bewertete, worin er der erste war - deshalb kann es vielleicht nicht schaden, wenn man sich zugleich vor Augen ruft, worin er alles der letzte war. Daß er mit spätbarocken Heiligengemälden angefangen hat. Daß er die Schwester seines Konkurrenten Francisco Bayeu geheiratet hat und daß sich dieses Malerkartell eine Zeitlang alle wichtigen Aufträge sicherte, die Saragossas Kirchen zu vergeben hatten. Daß der Berufseinstieg also nicht nur nach allen Regeln, sondern auch nach allen Zwängen der mittelalterlichen Zunft erfolgte. Daß er am Madrider Hof unter die Kuratel des böhmischen Hardcore-Klassizisten Mengs geriet, der der absolute Superstar seiner Zeit war und gerade Giambattista Tiepolo ins Abseits gestellt hatte, der wiederum nur deshalb nach Madrid gekommen war, um dort die letzte schwindelerregende Herrschaftsallegorie des Barock an die Decke des Thronsaals zu malen. Und daß Goya trotzdem mehr von Tiepolo lernte als von Mengs und über Tiepolo von Veronese und Rembrandt und so weiter.

Mann unter Einfluß

Die großen, leuchtenden Gobelin-Entwürfe, die Goya am Anfang für Mengs anzufertigen hatte und von denen ein paar besonders schöne Exemplare auch in Berlin zu sehen sein werden, hätte er im übrigen auch kaum so wunderbar zuwege bringen können, wenn er sich an Mengs' sturen Staffagen orientiert hätte, obwohl die, kunsthistorisch gesehen, natürlich viel "moderner" waren. Es sind, wie im absolutistischsten Rokoko, vor allem reiche Leute beim Arme-Leute-Spielen, was diese durchsonnten Idyllen zeigen. Und wenn darunter ein "Verletzter Maurer" ist, dann gereicht das der sozialpolitischen Umsicht des Malers und seines aufgeklärten Monarchen auch nur so lange zur Ehre, bis man die bis ins Detail deckungsgleiche Variante des Bildes danebenhält, die als "Betrunkener Maurer" betitelt ist.

Es war oft genug eine Art Unterschichtenfernsehen für die damaligen Oberschichten, was Goya malte, und die Volkstümlichkeit, die ihn später zum Bezugspunkt für alle sozial engagierten Realisten machte, war zunächst einmal eine sehr aristokratische Geste: Wer sich in Spanien zur Aufklärung zählte, hatte oft genug eine befremdliche Freude an der Folklore der unaufgeklärten Stände. Goya wickelte nicht nur die Gräfin von Alba, mit der er allen Gerüchten zum Trotz wohl eher kein intimes Verhältnis hatte, in die ordinäre Tracht einer Madrider Vorstadtschlampe, vulgo: Maja. Er stilisierte sich selbst als deren männliches Gegenstück, als vulgären, streng religiösen, abergläubischen, stierblutdürstigen, traditionsgläubigen, fremden- und neuerungsfeindlichen Majo.

Wer damals seine Begeisterung für die französische Lebensart, Kultur und Aufklärung unvorsichtigerweise durch entsprechende Perücken, Puder und Anzüge zu erkennen gab, wurde von diesen Majos als "petimetre" beschimpft, was "petit maître" heißen sollte, und von Goya wurde er auf einem gleichnamigen, jetzt in Berlin gezeigten Bild als "Hampelmann" verhöhnt: als französisch kostümierte Puppe, die von vergnügungssüchtigen Weibern zum Spaß in die Luft geschnippt wird. Heute würde dieser Goya vermutlich Fußballtrikots tragen, Mädchen mit Tätowierungen am Steiß chauvinistische Zoten hinterherrufen und Brillenträgern Prügel anbieten. Als Attitüde, versteht sich. Für Leute, die von ordnungsgemäßen Propheten der Moderne auch erwarten, daß sie mindestens Grünen-Wähler avant la lettre waren, ist das alles vielleicht nicht so erfreulich. Wenn man sich aber fragt, warum Goya trotzdem so modern wirkt, macht das die Geschichte nur um so spannender.

Fortsetzung auf Seite 25

Als das französische 19. Jahrhundert daranging, die komplette Kunstgeschichte nach seinen eigenen Bedürfnissen zurechtzufrisieren, hat es den Mann in einem Maße zum Revolutionär, Antimonarchisten und Atheisten gestempelt, daß man dahinter den bestbestallten spanischen Maler seiner Zeit, den Liebling von Madrids Aristokratie und Klerus und den auf seinen Adelstitel Wert legenden Hofmaler kaum noch erkennt. Den Mann, der sich nicht nur an der Stilistik von Velázquez orientierte, sondern auch dessen Job und Sozialstatus übernommen hatte. Es ist richtig, daß weder Karl noch Ferdinand auf ihren Porträts sehr schmeichelhaft wegkommen. Trotzdem müssen das noch keine bösartigen Karikaturen der Könige sein, jedenfalls nicht in einem Land, das die frappierende Häßlichkeit seiner Herrscher seit Jahrhunderten wie dynastische Wasserzeichen zu einer regelrecht heraldischen Qualität ausformuliert hatte. Und daß durch Goyas albtraumhafte Nachtvisionen sehr häufig auch fehlgeleitete Mönche spuken, spricht eher dafür, daß er die Kirche als Institution ernst genug nahm, um ihr Personal auf Abwegen sehen zu können.

Kosmos des Häßlichen

Eines der atemberaubendsten Bilder der Berliner Ausstellung wird der "Hexenflug" sein, ein Gemälde, das Goya für die Herzogin von Osuna malte, die sich, wie viele Vertreter der spanischen Aufklärung, massiv für Gespenstergeschichten und den Volksaberglauben begeistern konnte. Es sind vier männliche Hexen, die da ihre Zähne in den Leib eines Mannes schlagen; unten sind Menschen, die seine Schreie nicht hören und sein unglaubliches Leid nicht sehen wollen, außerdem gibt es einen Esel, der das alles nicht begreift. Die Hexer tragen Corozas, wie sie denen auf den Kopf gesetzt wurden, die vor die Inquisition mußten. Durch einen Spalt werden sie allerdings zur Bischofsmitra.

Es sind die vielen erschreckenden Ambivalenzen, die Goya immer wieder als Vorläufer des Surrealismus erscheinen lassen. Und es sind die ständigen Widersprüche und Dichotomien dieses Werkes, das sich verblüffend gleichzeitig an Königen und Kannibalen, an Heiligen und Hexen abarbeitete und neben dem Staatstragenden einen privaten Kosmos voller Katastrophen hervorbrachte, der Goya so modern sein läßt - wenn man unter Moderne die Gleichzeitigkeit des Disparaten, die Erfahrung multipler Wirklichkeiten und das Eingeständnis einer gewissen Ratlosigkeit versteht. Kürzlich wußte noch nicht mal mehr Ivan Nagel zu entscheiden, ob Goya mit dem radikalen Pazifismus seiner späten Bilder und Radierungen eigentlich der moralischere Maler war als der zeitgleich in Frankreich unverdrossen antikisch herumheroisierende David oder umgekehrt. Aber genau das macht Goya als Heldenfigur für das lupenreine Fortschrittsmärchen der Moderne eigentlich eher untauglich.

Der "Hexenflug" hätte auf alle Fälle nicht die Hälfte seiner gespenstischen Kraft, wenn es nicht die diabolische Umkehrung einer klassischen Himmelfahrtsszene wäre und knietief in uralten christlichen Bildtraditionen stünde. Das gleiche gilt für seine Bilder vom Volksaufstand gegen die Franzosen und sogar für die berühmten Radiermappen, mit denen Goya tatsächlich - und ökonomisch ziemlich erfolglos - den Schritt in die freie Existenz des auf eigenes unternehmerisches Risiko handelnden modernen Künstlers gewagt hatte. Vielleicht wäre es generell hilfreicher, Goya nicht als Propheten der Moderne, sondern als großen Katalysator zu sehen, der sehr alte Motive für die Moderne erst wiederverwertbar gemacht hat. Und zwar nicht unbedingt nur in der bildenden Kunst.

Arsenal des Horrors

Moritz Wullen, der für die Berliner Station der Ausstellung verantwortliche Kurator, hat darauf hingewiesen, daß die Metastasen des Goyesken heute vor allem in der Populärkultur und im Film wuchern. Bevorzugt da, wo die heile Welt plötzlich in irrationale Abgründe kippt. Man darf also durchaus ein ganzes Arsenal von Horrorfilmen im Hinterkopf haben, wenn man in diese Ausstellung geht. Aber eben auch nur dort. Denn im direkten Vergleich ist Goya im Zweifel immer stärker, aufregender und abgründiger als alle seine modernen Adepten zusammen. Das haben vor ein paar Jahren eindrucksvoll Jake und Dinos Chapman bewiesen, als sie ihre goyaiden Höllenphantasien gemeinsam mit den "Desastres de la Guerra" ausstellten und kläglich daran scheiterten.

Das war ebenfalls in Berlin. Einer Stadt, in der Goya neuerdings sogar von den Verächtern der Moderne beansprucht wird. Eine Diskothek für die reifere Jugend sucht hier nach Aktionären. Wenn genug beisammen sind, soll der Laden "Goya" heißen, und der Architekt Hans Kollhoff hat für das Innere folgende Vorstellungen: "Geheimnisvoll aus der Dunkelheit auftauchende Raumkonturen, ein Meer von Kerzenlicht fassend, und die Opulenz reflektierenden Geschirrs, das soll der erste Eindruck von Goya sein."

Was man eben so vor Augen hat, wenn die Vernunft tief genug schläft.

Vom 13. 7. bis zum 3. 10., Alte Nationalgalerie Berlin, danach in Wien.

Aktuelle Goya-Bücher: Robert Hughes: "Goya. Der Künstler und seine Zeit", Blessing, München.

Werner Hofmann: "Goya. Vom Himmel durch die Welt zur Hölle", C. H. Beck, München.

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"Eine gründliche, vielschichtige und großartig bebilderte Hommage für den großen Goya."
(John Updike in "The New Yorker")

"Wir lesen und lieben Robert Hughes, weil er so ganz anders als schreibt als die gewöhnlichen Kunstkritiker."

(Michael Glover in "The Independent")

"Eine sehr sorgfältig recherchierte Aufarbeitung des Künstlerlebens. Hughes brilliert in der Analyse von Goyas Modernität."
(Julia Blackburn in "Times Literary Supplement")