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Nach der Ersten Moderne des ökonomischen Liberalismus und des liberalen Rechtsstaates und der Zweiten Moderne der Wohlfahrtsökonomie und des demokratischen Rechtsstaates stehen wir jetzt an der Schwelle einer Dritten Moderne. Ob sie die Modernisierungsrisiken der Ersten und Zweiten Moderne besser bewältigen und gleichwohl ihre Errungenschaften bewahren kann, ist noch völlig offen. Die Dritte Moderne wird zunächst von einer Verschärfung ökologischer Risiken und von neuen sozialen Eruptionen geprägt sein. Ihre Bewältigung im Rahmen einer erst noch aufzubauenden globalen Mehr-Ebenen-Demokratie…mehr

Produktbeschreibung
Nach der Ersten Moderne des ökonomischen Liberalismus und des liberalen Rechtsstaates und der Zweiten Moderne der Wohlfahrtsökonomie und des demokratischen Rechtsstaates stehen wir jetzt an der Schwelle einer Dritten Moderne. Ob sie die Modernisierungsrisiken der Ersten und Zweiten Moderne besser bewältigen und gleichwohl ihre Errungenschaften bewahren kann, ist noch völlig offen. Die Dritte Moderne wird zunächst von einer Verschärfung ökologischer Risiken und von neuen sozialen Eruptionen geprägt sein. Ihre Bewältigung im Rahmen einer erst noch aufzubauenden globalen Mehr-Ebenen-Demokratie kann keineswegs als sicher gelten. Es handelt sich dabei um nicht mehr als ein Programm, dessen Verwirklichung sich in der Dritten Moderne nicht von allein einstellt.
Autorenporträt
Münch, RichardRichard Münch, geboren 1945, lehrt Soziologie an der Universität Bamberg. Zuletzt erschien in der edition suhrkamp Die akademische Elite (es 2510), Münchs vieldiskutierte Studie zur Hochschulreform.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.07.1998

Schafft eine, zwei, viele Modernen
Richard Münch kann bis drei zählen, aber am wirtschaftlichen Einmaleins fehlt's

Werden die Nationalstaaten infolge der Globalisierung zerfallen? Und wie werden die neuen Gesellschaftsmodelle dann aussehen? Diese Fragen versucht der Bamberger Soziologe Richard Münch in seinem neuen Buch auf ideenreiche Art und Weise zu beantworten. Die Bedrohung der sozialen Integration durch die Globalisierung stellt die Leitidee dieser Sammlung kürzerer Abhandlungen dar.

Der Autor beginnt mit Überlegungen zu soziologischen Theorien und zum Verhältnis zwischen Ökonomie und Ethik, denen Analysen der ökonomischen, ökologischen, politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen nachfolgen - erst global und dann europäisch betrachtet. Der letzte, wieder theoretische Teil beschäftigt sich mit den internationalen Beziehungen und mit politischer Philosophie.

Bei den theoretischen Überlegungen, deren Klarheit die Stärke des Buches ausmacht, spielt das Erklärungsmodell von drei aufeinanderfolgenden Modernen eine dominante Rolle. Die Erste Moderne, die mit den industriellen und demokratischen Revolutionen angefangen habe und durch eine innerstaatliche Homogenisierung das System der Nationalstaaten hervorgebracht habe, sei im neunzehnten Jahrhundert "in Gestalt der Ehe von ökonomischem Liberalismus und liberalem Rechtsstaat" befestigt worden. Doch ihre von Marx prognostizierte Selbstzerstörung durch eine unkontrollierte Ausbeutung hat laut Münch eine Bedrohung dargestellt, die erst durch die Ankunft der Zweiten Moderne abgewandt werden konnte. Diese neue Moderne, die Wohlfahrtsökonomie und demokratischen Rechtsstaat zusammengefügt habe, sollte einerseits die Gewalt des Kapitalismus zähmen und andererseits die Früchte von dessen Wirtschaftswachstum den Massen zur Verfügung stellen, um sie zu integrieren.

Die Wachstumsabhängigkeit der Zweiten Moderne mache aber den Kern ihrer heutigen Schwierigkeiten aus. Die Umwelt werde überlastet, ein durch die Globalisierung verschärfter Wettbewerb zwinge die Regierungen, wohlfahrtsstaatliche Maßnahmen abzubauen und die Wirtschaft zu deregulieren, was die Gesellschaft zu zerreißen drohe. Die außer Kontrolle des Nationalstaats geratenen Probleme seien in der Dritten Moderne zu lösen, die Umweltökonomie und globale Mehr-Ebenen-Demokratie miteinander verbinden werde.

Im Rahmen der Zweiten Moderne galt es noch, Güter mit dem, was gut für die Wirtschaft ist, gleichzusetzen. Zigarettenkonsum, Waffenexporte oder Gewalt auf dem Bildschirm trugen zum Wirtschaftswachstum bei und halfen so, die Gesellschaft zusammenzuhalten. Die negativen Folgen wurden übersehen. Um langfristig überleben zu können, muß man aber auch sie in die Entscheidungsmechanismen einbeziehen. Das Leistungsprinzip der liberalen Wirtschaft und das Solidaritätsprinzip der Wohlfahrtökonomie sind nach Münch um ein Umweltprinzip zu ergänzen.

Der Nationalstaat ist für ihn jedoch kaum in der Lage, die Bedingungen für solch einen Wertewandel hervorzubringen. Die ökologischen Herausforderungen seien ihrer Natur nach überstaatlich, überdies werde der Staat durch Deregulierung und Standortwettbewerb auch in seinen solidaritäts- und identitätsstiftenden Funktionen ernsthaft geschwächt. Das neue politische System müsse so gestaltet werden, daß sowohl überstaatliche als auch lokale Probleme zu lösen sind. Münch schlägt daher eine globale Subsidiarität innerhalb einer Mehr-Ebenen-Demokratie vor, die für Gemeinde, Staat, supranationale Union und Welt gleichermaßen funktionieren soll.

Die niedrigste Ebene, die der Gemeinde, soll nach den Prinzipien der republikanischen Demokratie im Rousseauschen Sinne ausgestaltet werden. Die Gemeinde sei nämlich klein genug, damit die Bürger in einer gemeinsamen Diskussion das Allgemeininteresse feststellen können, dem die Einzelinteressen untergeordnet werden müssen. Die liberale Demokratie, die im Gegensatz zur republikanischen individuelle Freiheiten hervorhebe, sei für die supranationale und globale Ebene geeignet, während auf der Staatsebene eine repräsentative Demokratie einzurichten sei. Man erkennt ohne Mühe, daß der republikanischen Demokratie die Sympathie des Autors gilt. Die größte Bedrohung liegt nach Münch nicht im Abbau individueller Freiheiten, sondern im Gesellschaftszerfall, soweit man beides voneinander trennen kann.

Dieser Blickwinkel führt ihn manchmal zu einem übertriebenen Pessimismus, dem er mit zweifelhaften Rezepten begegnen will. Das betrifft besonders ökonomische Fragen. Das Konzept des shareholder value lehnt er ab, weil es die Standortloyalität der Unternehmen zerstöre - als ob Auslandsinvestitionen ein Übel darstellten, wenn sie neue Arbeitsplätze nicht in den reichen Ländern des Nordens, sondern in den armen, aber heute dynamischen Ländern des Südens schaffen. Amerikanische Erfolge bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit werden mit dem beliebten Gefängnis-Argument relativiert: Angeblich sitzt in amerikanischen Zellen derjenige Teil der Bevölkerung ein, um den Deutschland den Vereinigten Staaten an Arbeitslosen voraus ist. Daß diese Rechnung im Fall der ähnlich organisierten Arbeitsmärkte von Großbritannien und den Niederlanden nicht aufgeht, stört den Autor nicht.

Im Rahmen der Umweltökonomie wird eine Besteuerung des Verkehrs vorgeschlagen, die laut Münch zur Entlastung der Umwelt und zur Regionalisierung der Märkte führen werde. Solch ein Zerfall der Weltwirtschaft in mehrere fast autarke Regionen hätte wohl eine Wirtschaftskrise zur Folge, und die ärmsten Länder wären am härtesten betroffen. Münch empfiehlt für diesen Fall zwar Transferzahlungen, aber "wie das möglich sein soll, steht noch in den Sternen". PETR DRULÁK

Richard Münch: "Globale Dynamik, lokale Lebenswelten". Der schwierige Weg in die Weltgesellschaft. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1998. 458 S., br., 29,80 DM.

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