Glittra ist Martins Schutzengel. Und dass das keine leichte Aufgabe ist bei jemandem, der alles liebt, was gefährlich ist, ist unschwer zu merken. Da kann es schon mal passieren, dass der Schutzengel einen Moment lang nicht aufpasst. Und dann wird es brenzlig. Glittra muß das Äußerste geben, damit alles gerade noch einmal gutgeht. "Diese Schutzengel-Geschichte fällt so aus dem Rahmen, daß sie Kinder und Erwachsene gemeinsam lesen sollten." SÜDDEUTSCHE ZEITUNG PREIS DER STIFTUNG BUCHKUNST, 1997, "DIE BESTEN 7 BÜCHER FÜR JUNGE LESER", AUSGEWÄHLT VON FOCUS UND DEUTSCHLANDRADIO
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.09.1997Tod eines Schutzengels
Zwischen Abgasen und Rauschgold: Peter Pohl wird metaphysisch
Seit einigen Jahren sind Engel in Mode. Während der Raum, den die Menschen Gott in ihrer Vorstellung zuteilen, geschrumpft ist, dehnt sich das Zwischenreich, das Dämonen und Engel bevölkern, neuerdings wieder. Vom Erhabenen bis zum Kitsch finden sich alle Nuancen, die uns aus Literatur und Bildtradition vertraut sind. Den Kindern werden Engel vor allem als Spielgefährten oder Schutzgeister vorgestellt. Peter Pohl hat sich für die zweite Variante entschieden. Er weicht den vertrauten Bildchen des geflügelten Schutzengels aus und greift auf Versatzstücke zurück, die der Mathematik und der modernen Physik entnommen sind:Falten, die entfernte Räume und Zeiten zusammenlegen, Supernova, Energie und Antienergie, die Imaginationsspiele mit der Antimaterie. Pohl kombiniert diese Spielphysik mit Allegorien lebenspraktischer Tugenden, denen er Farbe gibt: Die Verantwortung ist tabakbraun, der Ernst dunkelrot, das Entzücken lila. Die Namen seiner Schutzengel, Glittra und Glindra, glitzern wie Rauschgold.
Glittra hat es schwer mit ihrem Schutzbefohlenen, dem sechs Jahre alten Martin. Er ist unbezähmbar neugierig und wild auf Schlüssel wie auf das, was sie erschließen. Er lebt riskant im Gefahrenbereich von Arzneischrank und Vaters Gewehr. Deshalb hätte Glittra sich nicht mit Glindra, dem Schutzengel von Martins Freundin, erinnerungsselig verplaudern dürfen. Die unbeaufsichtigten Kinder dringen in die Garage mit dem Auto ein, zu dem der tatendurstige Martin den Zündschlüssel bereithält. Das Garagentor fällt zu, und der Tod der Kinder durch Abgase scheint unaufhaltsam. Aber Glittra macht ihre Nachlässigkeit wieder gut, indem sie sich selbst für die Rettung der Kinder opfert, was immer das bei einem Engel heißen mag.
Die Illustratorin Jacky Gleich schafft mit wenigen Strichen Räume, die von Gestalten zwischen Kinderzeichnung und Comic, Figuren mit ausdrucksvollen Gesten und raumgreifenden Bewegungen dynamisiert werden. Weder diese ansehnlichen, zum Teil witzigen Zeichnungen noch Pohls preziöse Phantastik vermögen allerdings darüber hinwegzutäuschen, wie dünn die Erzählung ist, die dem alten Muster der Warngeschichte folgt. Der alltagspraktischen Belehrung über lebensgefährliche Spiele verleiht die höhere Moral des Selbstopfers nicht die angestrebte Würde und Tiefe, sondern nur ein Pathos, das ziemlich hohl klingt.
GUNDEL MATTENKLOTT Peter Pohl: "Glittras Auftrag". Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer. Mit Bildern von Jacky Gleich. Hanser Verlag, München 1997. 88 S., geb. 24,80 DM. Ab 6 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zwischen Abgasen und Rauschgold: Peter Pohl wird metaphysisch
Seit einigen Jahren sind Engel in Mode. Während der Raum, den die Menschen Gott in ihrer Vorstellung zuteilen, geschrumpft ist, dehnt sich das Zwischenreich, das Dämonen und Engel bevölkern, neuerdings wieder. Vom Erhabenen bis zum Kitsch finden sich alle Nuancen, die uns aus Literatur und Bildtradition vertraut sind. Den Kindern werden Engel vor allem als Spielgefährten oder Schutzgeister vorgestellt. Peter Pohl hat sich für die zweite Variante entschieden. Er weicht den vertrauten Bildchen des geflügelten Schutzengels aus und greift auf Versatzstücke zurück, die der Mathematik und der modernen Physik entnommen sind:Falten, die entfernte Räume und Zeiten zusammenlegen, Supernova, Energie und Antienergie, die Imaginationsspiele mit der Antimaterie. Pohl kombiniert diese Spielphysik mit Allegorien lebenspraktischer Tugenden, denen er Farbe gibt: Die Verantwortung ist tabakbraun, der Ernst dunkelrot, das Entzücken lila. Die Namen seiner Schutzengel, Glittra und Glindra, glitzern wie Rauschgold.
Glittra hat es schwer mit ihrem Schutzbefohlenen, dem sechs Jahre alten Martin. Er ist unbezähmbar neugierig und wild auf Schlüssel wie auf das, was sie erschließen. Er lebt riskant im Gefahrenbereich von Arzneischrank und Vaters Gewehr. Deshalb hätte Glittra sich nicht mit Glindra, dem Schutzengel von Martins Freundin, erinnerungsselig verplaudern dürfen. Die unbeaufsichtigten Kinder dringen in die Garage mit dem Auto ein, zu dem der tatendurstige Martin den Zündschlüssel bereithält. Das Garagentor fällt zu, und der Tod der Kinder durch Abgase scheint unaufhaltsam. Aber Glittra macht ihre Nachlässigkeit wieder gut, indem sie sich selbst für die Rettung der Kinder opfert, was immer das bei einem Engel heißen mag.
Die Illustratorin Jacky Gleich schafft mit wenigen Strichen Räume, die von Gestalten zwischen Kinderzeichnung und Comic, Figuren mit ausdrucksvollen Gesten und raumgreifenden Bewegungen dynamisiert werden. Weder diese ansehnlichen, zum Teil witzigen Zeichnungen noch Pohls preziöse Phantastik vermögen allerdings darüber hinwegzutäuschen, wie dünn die Erzählung ist, die dem alten Muster der Warngeschichte folgt. Der alltagspraktischen Belehrung über lebensgefährliche Spiele verleiht die höhere Moral des Selbstopfers nicht die angestrebte Würde und Tiefe, sondern nur ein Pathos, das ziemlich hohl klingt.
GUNDEL MATTENKLOTT Peter Pohl: "Glittras Auftrag". Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer. Mit Bildern von Jacky Gleich. Hanser Verlag, München 1997. 88 S., geb. 24,80 DM. Ab 6 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main