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Bradford Morrow gelingt in diesem spannenden Roman um lang verschüttete Familiengeheimnisse eine verblüffende literarische Variante des Pandora-Mythos. Den Hintergrund bildet das gewaltige Panorama der westlichen Rocky Mountains - von Morrow als "Landschaftsmaler der zeitgenössischen amerikanischen Literatur" meisterhaft heraufbeschworen.

Produktbeschreibung
Bradford Morrow gelingt in diesem spannenden Roman um lang verschüttete Familiengeheimnisse eine verblüffende literarische Variante des Pandora-Mythos. Den Hintergrund bildet das gewaltige Panorama der westlichen Rocky Mountains - von Morrow als "Landschaftsmaler der zeitgenössischen amerikanischen Literatur" meisterhaft heraufbeschworen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.1997

Pandora mit Zigarrenkiste
Blick auf die Berge: Bradford Morrows Roman "Giovannis Gabe"

Eine Zigarrenkiste, versehen mit dem Bild einer braunäugigen Schönen und dem Siegel der amerikanischen Steuerbehörde - überzeugt sie uns als moderne Büchse der Pandora? Aber es geht dem jungen Amerikaner Bradford Morrow nicht um eine Nichtraucherkampagne. In diesem Buch, das die Zigarrenkisten auf dem Umschlag trägt, wird stark und bedenkenlos geraucht.

Mit der Büchse der Pandora immerhin ist es Morrow Ernst. Als guter Amerikaner kennt er die alten Mythen allerdings so, wie sie vor hundertfünfzig Jahren Nathaniel Hawthorne in seinem "Wunderbuch" den Kindern von Tanglewood erzählt hat. Die Geschichte, die er zu erzählen hat, ist "nichts anderes als die Chronik kleiner Eifersüchteleien und Kämpfe, individueller Konflikte im kurzen Dasein des einzelnen Menschen", und die sind für ihn im gleichen Maße Ausdruck "menschlicher Verworfenheit und Niedertracht", wie sie "an den großen und berühmten Schauplätzen von Krieg, Revolution, Knechtschaft und Rebellion überall sonst auf der Welt zutage tritt". Der Satz ist Morrows Moral für sein Buch und steckt zugleich auch dessen Grenzen ab.

Denn wohl ereignet sich das, was uns da erzählt wird, im amerikanischen Alltag der vergangenen drei Jahrzehnte, aber kein Hauch der aufgeregten Zeit dringt in die Einsamkeit von Ash Creek irgendwo in den Rocky Mountains, wo auch der Autor selbst residiert. Von Vietnam, dem arabischen Golf oder anderen Schauplätzen des großen Welt- und Nationalgeschehens weiß man hier nichts. Morrows Roman ist ein zutiefst privates Buch, so privat wie irgendein Kriminalroman, dem es allein um die Suche nach einem Mörder zu tun ist.

Tatsächlich bildet ein Kriminalfall das erzählerische Rückgrat dieser Geschichte über den Inhalt einer Zigarrenkiste. Giovanni Trentas nämlich, ihr einstiger Besitzer, scheint vor Jahren ermordet worden zu sein. Konkurrenz zu Patricia Cornwells unappetitlichen Techno-Krimis entsteht hier freilich nicht. Erst dem vorsichtigen Beobachter, der eng in den Kreis der Handelnden verflochten ist, können zerrissene Zettel, eine Adlerfeder, ein Fetzen Zigarettenpapier ihr Geheimnis enthüllen und etwas über das unsichere Schicksal des einstigen Besitzers preisgeben.

Einen solch aufmerksamen Beobachter nun hat Morrow in Grant Morgan gefunden, der Kindern von Diplomaten in Rom Englischunterricht gibt, ein bißchen übersetzt, bereits die zweite Scheidung um die Ohren hat und des dringend erwünschten Tapetenwechsels wegen derzeit Onkel und Tante in Ash Creek besucht. Die aber sind tief in die dortigen Intrigen verwickelt; eine seltsame Katzenmusik, die Unbekannte für sie boshaft zu nächtlicher Stunde veranstalten, ist Symptom dafür und ruft den Detektiv in Morgan auf den Plan.

Was er entdeckt, muß hier nicht nacherzählt werden. Morrow hat sich viel Mühe gegeben, ein feines Gewebe zu spinnen, und sich für den Schluß ein paar - allerdings errechenbare - Überraschungen aufgehoben. Gleichzeitig sind die mythischen Helden von Hawthornes "Wunderbuch" in der Einsamkeit der Berge stets präsent und mit ihnen natürlich die Leidenschaften und Mächte, für die sie einzustehen haben: Pandora, Eros, Thanatos und Midas. Von Lieben und Sterben wie von der Macht des bösen Geldes also wird erzählt, von den "Urkonflikten" der alten Mythen, von "festverwurzelten Geschichten, die miteinander ein riesiges, konfuses Labyrinth" bilden. Das sagt wiederum der Autor pro domo, so daß man sich bei solcher Neigung zum Selbstkommentar gelegentlich fragt, ob er vielleicht der Überzeugungskraft seiner Geschichte doch nicht so ganz traut.

Morrow kann allerdings durchaus spannend erzählen, und er kann vor allem in ganzer Fülle und Farbe den Grund und Boden malen, auf dem er seine Figuren handeln läßt: die Landschaft der Rocky Mountains im Wandel der Jahreszeiten, die Ströme und Schluchten, die Gipfel der Berge und die Weite des Himmels, das "grüne Meer der Nadelbäume" und die Vielgestaltigkeit der Wolken. Sowohl mit dieser Grundierung seines Romans als auch mit dessen äußerster Privatheit schreibt Morrow also letztlich ein Stück nordamerikanischer Heimatliteratur.

Dieses Buch strahlt einen stillen Patriotismus aus, gerade indem es zugleich einen milden Kosmopolitismus einbezieht. Denn Giovanni Trentas war einst aus dem faschistischen Italien ausgewandert und zum guten Amerikaner geworden; zugleich ist er die fleckenloseste Gestalt dieses Buches, im Unterschied etwa zum uramerikanischen Graham Tate, dem Urheber vieles Bösen.

Im Gegenzug zu Trentas wird Grant am Ende nach der blutigen Bestrafung des Mörders wieder nach Rom zurückkehren, in jene Welt, aus der auch die antiken Mythen entsprangen. In einem gewaltigen Konzert aller Glocken von Rom klingt das Buch aus. Entzückt schließt Grant die Augen, "und als ich sie wieder öffne, blicke ich in eine vollkommen neue Welt".

Ein bißchen pathetisch klingt das schon, und man muß sich erst an Hawthornes Apotheose der Hoffnung in seiner Pandora-Erzählung erinnern, um zu erkennen, woher Morrow sein Pathos bezieht. Denn die Hoffnung, "diese reizende und sorglose kleine Gewalt", ist das letzte Wesen in der Büchse der Pandora. Nachdem alle Übel, Sorgen, Krankheiten und bösen Leidenschaften sich ausgebreitet haben, gibt es durch sie wenigstens die scheue Aussicht auf eine kommende Zeit frei von ihnen. Aber wie Hawthorne schon der alten Mythe mildere Züge gab, so auch der literarische Urenkel (seiner eigenen Geschichte von der Pandora mit der Zigarrenkiste). Giovannis "Gabe" hat zwar am Ende schlimme Dinge ans Licht gebracht, aber dadurch die Welt zugleich ein wenig hoffnungsvoller und besser gemacht.

Grant schließlich wird von seiner Tante hören, daß "Wurzellosigkeit" einstmals schon seinen Vater unglücklich gemacht habe. Sind die Glocken von Rom die Antwort darauf? Oder wird da nicht vielmehr auch noch jene junge Helen Trentas wirksam, die nach ihrem Vater suchte und nun einen Geliebten gefunden hat, der sich ihr über die halbe Welt hinweg verbunden fühlt? Denn von allen Wurzeln reichen diejenigen der Liebe am tiefsten. GERHARD SCHULZ

Bradford Morrow: "Giovannis Gabe". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Barbara Schaden. Berlin Verlag, Berlin 1997. 384 S., geb., 39,80 DM.

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