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Die Belgierin Madeleine Bourdouxhe (1906-1966) gehörte in den dreißiger Jahren zum literarischen Kreis um Sartre und Simone de Beauvoir. Dieser Roman einer zerstörerischen Leidenschaft, entstanden im Jahr 1937, erscheint hier erstmals in deutscher Sprache. Es handelt sich um eine subtile, ausweglose Dreiecksgeschichte, angesiedelt in Fabrikarbeiterkreisen einer belgischen Industriestadt.
Madeleine Bourdouxhe, geb. 1906 in Lüttich, gestorben 1996 in Brüssel. Sie gehörte zum literarischen Kreis um Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir.
Produktdetails
- Piper Taschenbuch Bd.2605
- Verlag: Piper
- Originaltitel: La femme de Gilles, dtsch. Ausg.
- 1998
- Deutsch
- Abmessung: 15mm x 120mm x 190mm
- Gewicht: 184g
- ISBN-13: 9783492226059
- ISBN-10: 3492226051
- Artikelnr.: 07278994
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Eine Liebe von Gilles
Madeleine Bourdouxhes großer Roman · Von Eckart Kleßmann
Im Pariser Verlag Gallimard erschien 1937 - dem Verleger von Jean Paulhan empfohlen - ein Roman, der bei der französischen Kritik Bewunderung, ja Begeisterung erregte, in Deutschland damals aber nicht bekannt geworden ist: "La Femme de Gilles". Verfasserin war die bis dahin ganz unbekannte Belgierin Madeleine Bourdouxhes, damals einunddreißig Jahre alt. Nicht oft erweist sich ein Debüt als so makellos wie dieses.
Der Roman beginnt mit der Schilderung eines harmonischen Eheglücks. Elisa ist verheiratet mit dem Fabrikarbeiter Gilles, sie sind Eltern von Zwillingen. Die Familie lebt in bescheidenen Verhältnissen in der Nähe des
Madeleine Bourdouxhes großer Roman · Von Eckart Kleßmann
Im Pariser Verlag Gallimard erschien 1937 - dem Verleger von Jean Paulhan empfohlen - ein Roman, der bei der französischen Kritik Bewunderung, ja Begeisterung erregte, in Deutschland damals aber nicht bekannt geworden ist: "La Femme de Gilles". Verfasserin war die bis dahin ganz unbekannte Belgierin Madeleine Bourdouxhes, damals einunddreißig Jahre alt. Nicht oft erweist sich ein Debüt als so makellos wie dieses.
Der Roman beginnt mit der Schilderung eines harmonischen Eheglücks. Elisa ist verheiratet mit dem Fabrikarbeiter Gilles, sie sind Eltern von Zwillingen. Die Familie lebt in bescheidenen Verhältnissen in der Nähe des
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Werks; als Ort hat man sich Lüttich, den Geburtsort der Autorin, zu denken. Was diese Ehe nicht zuletzt so glücklich macht, ist gerade auch die sexuelle Harmonie des Paares. Ohne jegliche voyeuristische Penetranz wird die starke körperliche Anziehungskraft, die beide aufeinander ausüben, beschrieben, wobei von Anfang an deutlich ist, wie sehr Elisa auf Gilles fixiert ist, den Mittelpunkt ihres Denkens und Fühlens.
Doch dann entdeckt Gilles eines Tages die erotische Faszination Victorines, Elisas jüngerer Schwester, und das Verhängnis hebt an. Was wie ein zunächst noch harmloser Flirt zu beginnen scheint, entwickelt sich zur Abhängigkeit, zur sexuellen Hörigkeit. Elisa, durch eine fortgeschrittene Schwangerschaft ein wenig abseits gestellt, fürchtet nichts so sehr wie den Verlust des geliebten Mannes. Sie demütigt sich, indem sie der Leidenschaft ihres Mannes für seine Schwägerin nichts in den Weg legt, ja sie läßt sich zur Komplizin seiner Begierde machen und tröstet ihn, als Victorine ihn verläßt. Und sie demütigt ihn, indem sie ihn durch ihr Verhalten zu brutaler Gewalttätigkeit nötigt, die ihn erniedrigt. Der von vornherein kraftlos begonnene Kampf um die Wiedergewinnung ihres Glücks bedeutet für Elisa tatsächlich nur eine Kapitulation, durch die sie Gilles vollends verliert. Und als sie spürt, daß sie von Gilles, dem nun seinerseits Verlassenen, nicht mehr geliebt wird und sich den Verlust der eigenen Liebe zu diesem Mann eingestehen muß, nimmt sie sich das Leben.
Was den Leser an dieser Geschichte sofort gefangennimmt und bis zum letzten Satz nicht mehr losläßt, ist nicht allein der fast mechanische, wie vorbestimmte Ablauf des Geschicks, das diese drei Menschen bindet und als Zerbrochene wieder aus dieser Bindung entläßt. Es ist noch mehr die Kunst der Autorin, in sehr präziser, sparsamer Sprache dieses Schicksalsknäuel zum Bild werden zu lassen, einzufangen in winzige Momentaufnahmen, Stilleben zu schaffen aus Emotionen, die sich in den Dingen wie in den Körpern abbilden. Die langsame Auflösung einer am Anfang der Erzählung unzerstörbar wirkenden Liebe, ihr allmähliches und schließlich restloses Verschwinden und am Ende die verzweifelte Fassungslosigkeit darüber, für den anderen nichts mehr empfinden zu können - wann hat man das zuletzt in solcher Meisterschaft dargestellt gefunden?
Es ist schwer zu verstehen, daß ein solches Buch so viele Jahrzehnte lang vergessen werden konnte. In Frankreich und Belgien, wo "La Femme de Gilles" erstmals 1985 wiederaufgelegt worden ist, war es wohl der Krieg, der dazu wesentlich beigetragen hat, aber warum hat in den vergangenen sechzig Jahren kein deutscher Verleger diesen Roman, der 1937 so enthusiastisch begrüßt worden war, entdecken können? Nun also lernen die Leser in Deutschland eine Autorin kennen, von der es außer "Gilles' Frau" noch weitere Romane und Erzählungen gibt (ihr zweiter Roman erschien 1943), die alle wieder gedruckt und vielleicht auch bei uns übersetzt erscheinen werden. Madeleine Bourdouxhe hat ihre so späte Wiederentdeckung noch erlebt. Am 16. April 1996 ist sie in Brüssel gestorben, neunzig Jahre alt.
Madeleine Bourdouxhe: "Gilles' Frau". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Monika Schlitzer. Mit einem Nachwort von Faith Evans. Piper Verlag, München 1996. 176S., geb., 32,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Doch dann entdeckt Gilles eines Tages die erotische Faszination Victorines, Elisas jüngerer Schwester, und das Verhängnis hebt an. Was wie ein zunächst noch harmloser Flirt zu beginnen scheint, entwickelt sich zur Abhängigkeit, zur sexuellen Hörigkeit. Elisa, durch eine fortgeschrittene Schwangerschaft ein wenig abseits gestellt, fürchtet nichts so sehr wie den Verlust des geliebten Mannes. Sie demütigt sich, indem sie der Leidenschaft ihres Mannes für seine Schwägerin nichts in den Weg legt, ja sie läßt sich zur Komplizin seiner Begierde machen und tröstet ihn, als Victorine ihn verläßt. Und sie demütigt ihn, indem sie ihn durch ihr Verhalten zu brutaler Gewalttätigkeit nötigt, die ihn erniedrigt. Der von vornherein kraftlos begonnene Kampf um die Wiedergewinnung ihres Glücks bedeutet für Elisa tatsächlich nur eine Kapitulation, durch die sie Gilles vollends verliert. Und als sie spürt, daß sie von Gilles, dem nun seinerseits Verlassenen, nicht mehr geliebt wird und sich den Verlust der eigenen Liebe zu diesem Mann eingestehen muß, nimmt sie sich das Leben.
Was den Leser an dieser Geschichte sofort gefangennimmt und bis zum letzten Satz nicht mehr losläßt, ist nicht allein der fast mechanische, wie vorbestimmte Ablauf des Geschicks, das diese drei Menschen bindet und als Zerbrochene wieder aus dieser Bindung entläßt. Es ist noch mehr die Kunst der Autorin, in sehr präziser, sparsamer Sprache dieses Schicksalsknäuel zum Bild werden zu lassen, einzufangen in winzige Momentaufnahmen, Stilleben zu schaffen aus Emotionen, die sich in den Dingen wie in den Körpern abbilden. Die langsame Auflösung einer am Anfang der Erzählung unzerstörbar wirkenden Liebe, ihr allmähliches und schließlich restloses Verschwinden und am Ende die verzweifelte Fassungslosigkeit darüber, für den anderen nichts mehr empfinden zu können - wann hat man das zuletzt in solcher Meisterschaft dargestellt gefunden?
Es ist schwer zu verstehen, daß ein solches Buch so viele Jahrzehnte lang vergessen werden konnte. In Frankreich und Belgien, wo "La Femme de Gilles" erstmals 1985 wiederaufgelegt worden ist, war es wohl der Krieg, der dazu wesentlich beigetragen hat, aber warum hat in den vergangenen sechzig Jahren kein deutscher Verleger diesen Roman, der 1937 so enthusiastisch begrüßt worden war, entdecken können? Nun also lernen die Leser in Deutschland eine Autorin kennen, von der es außer "Gilles' Frau" noch weitere Romane und Erzählungen gibt (ihr zweiter Roman erschien 1943), die alle wieder gedruckt und vielleicht auch bei uns übersetzt erscheinen werden. Madeleine Bourdouxhe hat ihre so späte Wiederentdeckung noch erlebt. Am 16. April 1996 ist sie in Brüssel gestorben, neunzig Jahre alt.
Madeleine Bourdouxhe: "Gilles' Frau". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Monika Schlitzer. Mit einem Nachwort von Faith Evans. Piper Verlag, München 1996. 176S., geb., 32,- DM.
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Broschiertes Buch
Unwiederbringlich
Im Jahre 1937 erschien der Roman «Gilles´ Frau» als Debüt der belgischen Schriftstellerin Madeleine Bourdouxhe - und blieb weitgehend unbeachtet. Zwölf Jahre später ging Simone de Beauvoir dann in ihrem berühmten Buch «Das andere …
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Unwiederbringlich
Im Jahre 1937 erschien der Roman «Gilles´ Frau» als Debüt der belgischen Schriftstellerin Madeleine Bourdouxhe - und blieb weitgehend unbeachtet. Zwölf Jahre später ging Simone de Beauvoir dann in ihrem berühmten Buch «Das andere Geschlecht» ausführlich auf die Thematik in Bourdouxhes Roman ein, der die Diskrepanzen weiblicher und männlicher Sexualität in fiktionaler Form aufzeigt. Wiederentdeckt, und durch diverse Übersetzungen weithin bekannt, wurde er erst 1985, von der Kritik in Frankreich damals als makelloses Debüt gefeiert. Ein Klassiker also, der den heutigen Leser eventuell irritieren wird mit seiner feministischen Problematik, über die inzwischen zwar die Zeit hinweg gegangen ist, deren Grundbedingungen aber als genetische Prägung ja nach wie vor gelten dürften.
Der Arbeiter Gilles, ein äußerst stattlicher, kräftiger Mann, und seine attraktive, ebenso fleißige wie brave Ehefrau Elisa leben mit ihren kleinen Zwillingstöchtern glücklich und zufrieden in einer belgischen Industriestadt, - Lüttich vermutlich, der Name wird nicht genannt. Ihre auch sexuell beglückende Zweisamkeit in einer rundum harmonischen Ehe wird abrupt gestört, als es Elisas jüngerer Schwester Victorine gelingt, Gilles zu verführen. Schlagartig wird er ihr regelrecht hörig und gesteht nach einiger Zeit schließlich seiner bereits etwas Derartiges ahnenden Frau diese rauschartige, leidenschaftliche Affäre. Elisas Lebensglück, ihr Daseinszweck gar besteht darin, «Gilles´ Frau» zu sein, nicht nur juristisch, sondern auch sexuell, etwas anderes kann sie sich mit ihrem schlichten Gemüt beim besten Willen nicht vorstellen. Sie hofft nun inständig darauf, dass er sich irgendwann aus seiner fatalen, rein triebgesteuerten Abhängigkeit wird lösen können, und lebt fortan unfreiwillig in einer Ménage-à-trois, - eine Demütigung, die sie geduldig hinnimmt. Nach außen hin ändert sich nichts, sie erwartet ihr drittes Kind, der untreue Gilles bleibt bei ihr wohnen und kümmert sich nach wie vor um Frau und Kinder, trifft sich aber sehr oft zum Sex mit der lasziven Victorine. Als die jedoch plötzlich verkündet, einen anderen Mann heiraten zu wollen, rastet der eifersüchtige Gilles in seiner primitiven Männlichkeit total aus und schlägt sie grün und blau. Allmählich gelingt es ihm dann zwar doch, sich aus seiner sexuellen Obsession zu lösen, aber seine Liebe zu Elisa lebt nicht wieder auf. Er ist ziemlich lethargisch geworden und hat jegliches Interesse an ihr verloren. Elisa ist fassungslos, ihr Glück ist endgültig zerstört!
Dieser Roman trägt alle Züge einer antiken Tragödie, geradezu paradigmatisch wird hier der gescheiterte Versuch einer einfachen Frau ohne ausgeprägte eigene Identität geschildert, den aus ihrer schon beinahe symbiotischen Ehe ausgebrochenen Mann zurück zu gewinnen, egal wie. Beide Protagonisten dieser fast ausschließlich auf sie fokussierten, kammerspielartig aufgebauten Geschichte scheitern. Gilles scheitert an der Amour fou mit seiner leichtlebigen Schwägerin, Elisa an der nun endgültig erloschenen Liebe ihres Mannes, - Fontane hat seinen thematisch vergleichbaren Roman sehr treffend «Unwiederbringlich« betitelt, - mit einem ebenso katharsisähnlichen Ende übrigens.
Es ist die schicksalhafte Vorbestimmung, die das Geschehen in diesem Roman schon bei der Schilderung der ehelichen Idylle von Anfang an drohend überlagert, zu schön um wahr zu sein, quasi. Wobei Madeleine Bourdouxhe mit ihrer zurückgenommenen, schlichten Sprache komplexe, emotionale Vorgänge extrem komprimiert zu veranschaulichen versteht. Wozu ist die zerstörerische Kraft einer bedingungslosen Liebe fähig? «Die Auslöschung der eigenen Person im Namen der Liebe – das ist mehr oder weniger die Geschichte aller Frauen» hat die Autorin einst in einem Kommentar zu ihrem Roman kurz und bündig festgestellt. Und wenn man dieses Buch gelesen hat, dann ist man fast geneigt, ihr das tatsächlich auch zu glauben.
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