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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.08.2009

Herz der Päonien

Der heute siebzigjährige Jürgen-Peter Stössel war Tierarzt auf dem Land und Redakteur eines Ärztejournals. Er hat später Einschlägiges und durchaus Kritisches über Gesundheitspolitik und medizinische Versorgung geschrieben. Seine Liebe aber gilt der Literatur, speziell der Lyrik. Sein Erstling "Tatworte" brachte 1971 seine Intention auf den Begriff. Und von der Vorstellung einer engagierten Poesie wollte das Mitglied der linken "Wortgruppe München" lange Zeit nicht lassen. "Gesternmorgenschnee" heißt nun ein schön gedruckter Band mit seinen ausgewählten Gedichten. Was daran Schnee von gestern und was von heute ist, lässt der Titel in der Schwebe. "Auf meine Vergangenheit gibt mir / die Zukunft keinen Kredit", heißt es in "Flugstunde". Damals schrieb Stössel Epigramme wie "Columbus 69": "Die ersten Menschen / Auf dem Mond / Entdeckten nichts / als Amerika." Derlei ist inzwischen etwas zahnlos geworden. Halten wir uns lieber an Stössels neuere Gedichte. Einige handeln von Quitten, Phlox und Rosskastanien. Und die roten Päonien erinnern ihn an den griechischen Gott des Heilens. Es sind Blumen, die "das Herz ausschütten", was die Frage evoziert: "Wer kann das noch / ohne sich zu schämen / der tödlichen Blöße?" Kein Zweifel: Der ehemalige Viehdoktor liebt die Kreatur, weil sie den Menschen beschämt. Vom Blick eines Esels heißt es: "Seine Lippen lesen / die letzte Zärtlichkeit / mir aus der Hand." Von solch unerschöpfbarer Zärtlichkeit liest man gern. (Jürgen-Peter Stössel: "Gesternmorgenschnee". Ausgewählte Gedichte. Verlag Langewiesche-Brandt, Ebenhausen bei München 2009. 96 S., br., 12,- [Euro].) H.H.

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