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Die international besetzte Fachkonferenz, die im Gleimhaus in Halberstadt - einem exponierten Schauplatz der Geselligkeit und des privaten Buchbesitzes - stattfand, widmete sich unter dem Titel "Geselligkeit und Bibliothek" zwei zentralen Themenbereichen der Literatur- und Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts unter europäischer Perspektive.
Aus dem Inhalt:
Markus Fauser: Geselligkeit, Bibliothek, Lesekultur - Konzepte und Perspektiven der Forschung
Emilio Bonfatti: Der Briefwechsel zwischen Gleim und Lessing
Wolfgang Braungart: Bürger als Epigone seiner selbst
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Produktbeschreibung
Die international besetzte Fachkonferenz, die im Gleimhaus in Halberstadt - einem exponierten Schauplatz der Geselligkeit und des privaten Buchbesitzes - stattfand, widmete sich unter dem Titel "Geselligkeit und Bibliothek" zwei zentralen Themenbereichen der Literatur- und Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts unter europäischer Perspektive.

Aus dem Inhalt:
Markus Fauser: Geselligkeit, Bibliothek, Lesekultur - Konzepte und Perspektiven der Forschung
Emilio Bonfatti: Der Briefwechsel zwischen Gleim und Lessing
Wolfgang Braungart: Bürger als Epigone seiner selbst
Gonthier-Louis Fink: Lektüre der Romanhelden im empfindsamen europäischen Roman (1731-1774)
Gunter E. Grimm: Lektüre im Briefwechsel zwischen Johann Gottfried Herder und Caroline Flachsland
Peter J. Brenner: Gleims Briefwechsel mit Ramler und Uz
Barbara Becker-Cantarino: Die Lektüren Sophie von La Roches (1730-1807)
Giulia Cantarutti: Die vergessene Bibliothek eines 'Letterato buon cittadino' und die Anfänge der Gessner-Verehrung in Italien
Elena Agazzi: Die Bibliothek der Brüder Schlegel. Geselligkeit in der Frühromantik
York-Gothart Mix: Der wahre Dichter und die Ware Literatur. Lyrik, ästhetische Originalität und Almanachkultur zwischen Rokoko und Romantik
Ernst Rohmer: Johann Peter Uz und sein Freundeskreis in Ansbach
Autorenporträt
Dr. Ute Pott; Literaturwissenschaftlerin; Direktorin des Gleimhauses Literaturmuseum und Forschungsstätte.

Markus Fauser (Prof. Dr. phil. habil.) lehrt Germanistische Literaturwissenschaft und ist Leiter der Arbeitsstelle Rolf Dieter Brinkmann an der Universität Vechta. Seine Forschungsschwerpunkte sind Historische Kulturwissenschaften, Literaturgeschichte 18.-20. Jahrhundert sowie Literaturtheorie.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.09.2005

Tränen, eimerweise
Erfundene Intimität: Die Lesekultur des 18. Jahrhunderts
Im 18. Jahrhundert werden die Zeiten modern. Das zivilisationskritische Grundrauschen verdichtet sich zum manifesten Unbehagen an den zunehmend abstrakten und verwirrenden Verhältnissen. Als Gegenpol entdeckt man eine neuartig intime und affektive Art der Freundschaft sowie eine entsprechende Form der Geselligkeit. Dort räsoniert man nicht nur tüchtig, wie Jürgen Habermas in seiner klassischen Studie zum „Strukturwandel der Öffentlichkeit” meinte, sondern man küsst sich auch - zumindest gedanklich - aufs Heftigste; fliegt einander mit aller Wucht in die Arme; vergießt gemeinsam eimerweise Tränen - und: Man liest gemeinsam. Überhaupt stellt die Literatur die entsprechenden Stichworte zur Verfügung, entwirft die neuen Konzepte von Emotionalität und befördert jene Intensität der Vergemeinschaftung, die viele Leser und vor allem auch viele Leserinnen des 18. Jahrhunderts für Realität gehalten haben mögen. Diese Verbindung von Sozialform und Lektüre bringt Wolfgang Adam und Markus Fauser auf den Titel ihres Sammelbands: „Geselligkeit und Bibliothek”.
Darin wird vor allem eines klar: Fiktionen sind eine feine Sache; man darf sie bloß nicht auf ihre Realitätstauglichkeit hin testen. Es empfiehlt sich nachdrücklich, Briefe zu schreiben und in Briefen von möglichen Begegnungen zu schwärmen, wie dies etwa die Freundschaftseuphoriker um den Anakreontiker Johann Wilhelm Gleim getan haben. Aber von gegenseitigen Besuchen ist - wie etwa Peter J. Brenners oder Emilio Bonfattis Beiträge zeigen - eher abzuraten. Mehr noch: Selbst die briefliche Intimität zeigt irgendwann ihre konventionelle, formelhafte Seite. Nur in der Bibliothek also lässt sich der aufklärerische Traum von der Geselligkeit dauerhaft und ohne Störung träumen. Nur durch „Idealisierung” und die nachfolgende „Virtualisierung des Freundschaftsbundes” entsteht die neue Geselligkeit. Und nur jenseits der Begegnung und jenseits der sprachlichen Beschwörung erfüllt sich letztlich die angestrebte Form „absoluter Intimität” - aus naheliegenden Gründen gibt es allerdings keine authentischen Zeugnisse von einsam Schweigenden.
Die Literatur profitiert von beiden Seiten des Problems. Erst beteiligt sie sich am Entwurf der neuen Geselligkeitsideale; dann verwaltet sie die Probleme, die sich daraus ergeben und liefert traurige Geschichten unglücklicher Lieb- und Freundschaften. Dass die Poesie allerdings auch auf der Verliererseite stehen kann, demonstriert Wolfgang Braungart in seiner Studie zur Frühform der „Eventisierung von Literatur” und zur Gruppendynamik literarischer Innovation: Gottfried August Bürgers Balladendichtung entsteht im Freundschaftszirkel des Göttinger Hain. In diesem literarischen Konventikel testet Bürger die schauerliche Wirkung seiner „Lenoren”-Ballade, in einem Raum also, der sich durch „Selbstcharismatisierung” von den Dynamiken des etablierten Literaturbetriebs und der Gesellschaft abgrenzt und der damit zugleich neue Formen der Individualisierung etabliert. Was den Innovationsdruck des Marktes fernhalten sollte, nistet sich auf diese Weise heimlich in den nur scheinbar intimen Beziehungen ein. Das dichterische Ethos der Hainbündler wird nicht weniger vom Konkurrenzdenken diktiert als das ihrer erklärten Gegner. Bürger hat dem nicht standgehalten: Zum einen trägt ihm sein poetisches Selbstbewusstsein auch im Göttinger Hain Animositäten ein - Geselligkeit lässt nur ein bestimmtes Maß an Individualität zu. Zum anderen wird er mit den Balladen nach der „Lenore” dem einmal gesetzten dichterischen Standard nicht mehr gerecht. Mit Braungart formuliert: „Von dieser Verse Stampfen / Beginnt der Kopf zu dampfen” STEFFEN MARTUS
WOLFGANG ADAM, MARKUS FAUSER (Hrsg.): Geselligkeit und Bibliothek. Lesekultur im 18. Jahrhundert. Hrsg. von Wolfgang Adam und Markus Fauser in Zusammenarbeit mit Ute Pott. Wallstein Verlag. Göttingen 2005. 332 Seiten, 32 Euro.
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