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Produktdetails
  • Verlag: arani-Verlag
  • Repr. d. Ausg. v. 1890-1909. Sonderausg.
  • Seitenzahl: 6600
  • Abmessung: 195mm
  • Gewicht: 4822g
  • ISBN-13: 9783760586731
  • ISBN-10: 3760586732
  • Artikelnr.: 24067137
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.02.1997

Das historische Handwerkszeug wiegt schwer
Heinrich Graetz' große Geschichte des jüdischen Volkes wurde endlich wieder neu aufgelegt

"Der Graetz" - die "Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart" -, dessen elf Bände in den Jahren 1853 bis 1875 erschienen sind, gilt als das klassische Standardwerk jüdischer Geschichtsschreibung. Heinrich Graetz (1817-1891) - ein Autodidakt, der Dozent am jüdisch-theologischen Seminar in Breslau war und von 1870 an außerordentlicher Professor an der dortigen Universität - stellte die Geschichte der Juden als eine Einheit dar; sein Werk ist gleichsam die erste nationale Geschichte des jüdischen Volkes von den biblischen Anfängen bis zum Jahr 1848. Ein einzelner Autor hat dieses monumentale Werk geschaffen, das heutzutage nur als Sammelwerk einer großen Autorenschar denkbar wäre.

Nicht nur die Materialfülle beeindruckt den Leser, sondern vor allem der verständliche Stil, das Engagement des Autors für die Sache der Juden und die Kunst der Darstellung. Graetz, der sich stets als "Schriftsteller" (und nicht als studierter Historiker) bezeichnete, verstand es, seine flüssig erzählte Geschichte durch eine Vielzahl bibliographischer Angaben und dem Text beigefügte, teilweise umfangreiche "Noten", die der historischen Vertiefung dienen, zu komplettieren und ihr so wissenschaftliche Dignität zu verleihen. Das Werk, dessen einzelne Bände bis 1909 jeweils mehrere, teilweise erweiterte und verbesserte Auflagen erlebten, fand damals nicht nur in Deutschland großen Anklang. Es wurde in sieben Sprachen übersetzt, darunter ins Hebräische und ins Jiddische. Neben der Talmud-Übersetzung von Goldschmidt und Dubnow gehörte "der Graetz" zu den grundlegenden Büchern, die jüdische Einwanderer mit nach Israel genommen haben.

Die deutsche Historiker-Zunft hat sich nicht immer wohlwollend über das Werk von Graetz geäußert, ja es meist verschwiegen. Heinrich von Treitschke blieb es vorbehalten, aus der explizit nationaljüdischen Einstellung des Autors zu folgern, daß die Juden eigentlich in Deutschland nichts zu suchen hätten. Es gebe nur eine Lösung der "Judenfrage": Auswanderung und Gründung eines jüdischen Staates irgendwo in der Welt. In der Auseinandersetzung zwischen Treitschke ("Die Juden sind unser Unglück") und Graetz sprang unter den prominenten Historikern allein Theodor Mommsen dem jüdischen Gelehrten bei und trat Treitschke 1881 mit der Schrift "Auch ein Wort über unser Judentum" entgegen.

Heute ist "der große Graetz" in deutschen Bibliotheken fast gar nicht mehr vorhanden - offenbar haben die Nationalsozialisten auch hier ganze Arbeit geleistet. Lediglich die dreibändige "Volksausgabe" von 1888 ist 1986 als Taschenbuchreprint bei dtv herausgekommen, aber inzwischen vergriffen. Dennoch gehört das monumentale Werk auch jetzt noch zum unabdinglichen Handwerkszeug für jeden, der sich mit der Geschichte der Juden beschäftigt. Denn obwohl die Geschichtsforschung in den vergangenen neunzig Jahren manche Ergänzungen und auch Berichtigungen zum "Graetz" hervorgebracht hat, ist er immer noch von herausragender Bedeutung.

1957 stellte Leo Baeck fest, Graetz möge sich hier und da geirrt haben, aber eigentlich habe er dennoch das Eigentliche und Entscheidende in jeder Epoche erkannt, weil er fähig gewesen sei, das Ganze zu erfassen. Was Graetz zuweilen nur intuitiv erfaßte, wurde durch die Erforschung der Quellen, die Graetz noch nicht vorlagen, bewiesen oder erhärtet.

In Zusammenarbeit mit dem Berliner Centrum Judaicum hat der arani-Verlag - zu dessen Judaica-Programm solche ambitionierten Unternehmungen bisher nicht gehörten - jetzt eine Reprint-Ausgabe der elf Bände der "Geschichte der Juden" herausgebracht. Das Vorwort, das den heutigen Leser in das Werk einführt, stammt von dem israelischen Historiker Reuven Michael. Zugrunde gelegt wurde die Ausgabe letzter Hand. Einzelne Bände dieser Ausgabe wurden noch von Graetz selbst, andere von seinen Schülern überarbeitet und aktualisiert. Das verdienstvolle, hoch zu lobende Unternehmen ist bemerkenswerterweise ohne Zuschüsse realisiert worden. PETER JOCHEN WINTERS

Heinrich Graetz: "Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart". Mit einem Vorwort von Reuven Michael. Reprint. 11 Bände in 13 Teilen. arani-Verlag, Berlin 1996. 6744 S., geb., 1480,- DM.

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