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Dezember 1993, Dnepropetrowsk, Ukraine. Der 22-jährige Dmitrij Belkin nimmt drei Taschen und sechs Bücher, setzt sich in einen Bus und fährt ins völlig Ungewisse, nach Deutschland, wie eine Viertelmillion andere Juden aus der Ex-UdSSR auch. Er kommt als Einwanderer in ein Land im Umbruch: Postsowjetischer Blick trifft auf alte und neue Bundesrepublik, in der für ihn und seine Familie eine jüdische Selbstentdeckung möglich wird. Deutsche Zeitgeschichte im Spiegel einer sehr persönlichen und zugleich politischen Erzählung, die ihr Licht auch auf die heutige turbulente Zeit der Einwanderung wirft.…mehr

Produktbeschreibung
Dezember 1993, Dnepropetrowsk, Ukraine. Der 22-jährige Dmitrij Belkin nimmt drei Taschen und sechs Bücher, setzt sich in einen Bus und fährt ins völlig Ungewisse, nach Deutschland, wie eine Viertelmillion andere Juden aus der Ex-UdSSR auch. Er kommt als Einwanderer in ein Land im Umbruch: Postsowjetischer Blick trifft auf alte und neue Bundesrepublik, in der für ihn und seine Familie eine jüdische Selbstentdeckung möglich wird. Deutsche Zeitgeschichte im Spiegel einer sehr persönlichen und zugleich politischen Erzählung, die ihr Licht auch auf die heutige turbulente Zeit der Einwanderung wirft.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Sehr lesenswert findet Rezensentin Nadja Erb, wie Dimitrij Belkin das Schicksal eines typischen Migranten in Deutschland auf den Punkt bringt. Der Historiker Dimitrij Belkin, der mit seiner jüdischen Familie Anfang der neunziger Jahre die Sowjetunion verließ, erzählt in dem Buch von seinem "Ankommen" in Deutschland. Belkin trug nicht das typische Reisegepäck, erzählt Erb. Statt Fotos der Liebsten, Geld oder warme Socken besaß er nur sechs, in karierten chinesischen Plastiktaschen transportierte Bücher, so die Rezensentin, die sein erklärtes Ziel nur zu gut versteht: Die europäische Kultur kennen-und verstehen lernen um sie zurück in seine Heimat bringen. Belkin erzählt "ohne Selbstmitleid", lobt Erb. Dass Belikin kaum über den Antisemitismus in Deutschland spricht, findet sie zwar schade, aber verständlich.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.11.2016

In der Grauzone
Dmitrij Belkin beschreibt seinen Weg im Land der Täter
Wäre man hier auf der Belletristik-Seite, wäre das Urteil schnell gefällt: Vor uns liegt ein Entwicklungsroman. Steht ja auch vorne drauf. „Wie ich in Deutschland jüdisch und erwachsen wurde“. Dmitrij Belkin erzählt in „Germanija“ seine Geschichte, sie spielt in einer Sphäre zwischen jüdisch und christlich, religiös und säkular, sowjetisch, russisch, ukrainisch und deutsch. Es ist die Geschichte einer Selbstfindung – aber auch eine Geschichte der Integration, eine kluge Analyse des jüdischen Gemeindelebens in Deutschland und ein Diskurs über den Umgang mit dem Holocaust in der Bundesrepublik nach der Wiedervereinigung.
  Erzählt wird zunächst von einer scheinbar längst vergangenen Zeit. Dabei ist es gar nicht so lange her, dass etwa 250 000 jüdische „Kontingentflüchtlinge“ aus der zerfallenen Sowjetunion in Deutschland aufgenommen wurden. Sie kamen zwischen 1991 und 2005 hier an, erhielten sofort eine unbefristete Arbeitserlaubnis und durften arbeiten – und niemand regte sich groß darüber auf. Allein dieser Kontrast zum Jahr 2015 macht einen großen Reiz dieser Betrachtungen aus. Belkin kommt 1993, er flieht nicht vor einem Krieg, ist nicht mal „richtig“ jüdisch – sein Vater war Jude, seine Mutter nicht – und hat auch nicht unbedingt vor, ewig zu bleiben. Doch dem Grundthema dieser Reise nach Westen kommt Belkin von Anfang an nicht aus: Die Deutschen „dachten, sie retten uns vor Antisemitismus und Totalitarismus und tun damit etwas für ihr Gewissen“. Oder anders gesagt: „Wir waren wichtiges symbolisches Kapital, das man sehr preiswert erworben hat.“
  Die Geschichte des ukrainischen Geschichtsstudenten Belkin zum jüdischen Deutschen mit Heimatgefühl ist kurzweilig, voller Humor, kleinen Anekdoten, die mehr erzählen als ein Seminar bei Politologen oder Soziologen, und auch voller Ernsthaftigkeit. Man lernt viel darüber, wie das deutsche Judentum nach 1945 das Land der Täter betrachtet, dass die postsowjetischen Zuwanderer hier offener agieren und gleichzeitig nicht jedes Vorurteil erfüllen, das über sie verbreitet wird.
  Dmitrij Belkins Buch spielt in einer Grauzone verschiedener Identitäten, in einem Land voller Brüche. Damit ist „Germanija“ ganz gut getroffen.
ROBERT PROBST
Dmitrij Belkin: Germanija. Wie ich in Deutschland jüdisch und erwachsen wurde. Campus-Verlag, Frankfurt 2016, 202 Seiten. 19,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2016

Komplizierte neue Heimat
Wie Dmitrij Belkin in "Germanija" sesshaft wurde

"Willkommen im Zoo" - so beschreibt Dmitrij Belkin die Reaktion seines damaligen Chefs auf seine Einbürgerung in Deutschland. Diese zynische Distanz vieler Deutscher zur eigenen Nation ist nicht das Einzige, womit der Autor dieses Buches, der 1993 aus der Ukraine in die Bundesrepublik kam, in seiner neuen Heimat fremdelt. Für ihn ist Deutschland aber kein Zoo, er blickt auf Land und Leute nicht wie durch Gitterstäbe. Seine Perspektive ist die eines distanzierten Insiders, der nach Zugehörigkeit strebt, ohne seine Herkunft und Geschichte zu verleugnen und ohne seine Beobachterposition am Rand aufzugeben.

Belkin verzichtet in diesem autobiographischen Text dankenswerterweise auf in der Migrantenliteratur beliebte Essensmetaphern à la "Currywurst und Döner". Seine Erfahrung spielt sich nicht einfach zwischen zwei kulinarischen Polen ab. Im Spannungsfeld zwischen sowjetischen, russischen, ukrainischen, deutschen und jüdischen Identitäten und Kontexten ist dies auch gar nicht möglich. Der Autor konstruiert sich auch nicht allein als Objekt deutscher Fremdenfeindlichkeit, obwohl Vorurteile seines Umfelds insbesondere gegenüber "Russland" und "dem Osten" immer wieder eine Rolle spielen.

Der Leser erlebt den "Migranten" Belkin vielmehr als handelndes Subjekt, als Individuum, das sich selbst entdeckt und die Gesellschaft, in die er sich "integriert", messerscharf analysiert. So diagnostiziert er Deutschland eine "Liebe zu den Schwachen (...) nur, solange sie schwach sind", während das Streben der Marginalen nach Macht und Anerkennung auf Befremden stoße. Diese Erkenntnis wird uns in der post-euphorischen Phase der "Flüchtlingskrise" sicher noch begleiten. Auch wundert sich Belkin über den Kampf seiner Osteuropa-affinen Kollegen gegen ihren "kollektiven Putin". Dieser habe wenig mit dem realen Russland und der realen Ukraine, aber viel mit der linken Vergangenheit altgewordener Achtundsechziger und der NS-Vergangenheit ihrer Eltern und Großeltern zu tun.

Die Suche des Autors nach sich selbst findet unter besonderen Umständen statt, auf der "Flucht vor dem 20. Jahrhundert", wie er es formuliert. Ausgangspunkt seiner Reise ist der Untergang seines Landes, der Sowjetunion, ein dramatischer Tiefpunkt nach der - heute fast vergessenen - Euphorie der Perestroika. Man kriegt bei der Lektüre ein Gefühl dafür, was dieser Einschnitt für die Biographien von Millionen Menschen bedeutete. "Everything was forever, until it was no more", so der Titel eines Buches des russisch-amerikanischen Anthropologen Alexei Yurchak über das Ende der Sowjetunion - diese Erschütterung von Gewissheiten, die auch Belkins Leben zeichnete, ist bis heute nicht ausgestanden.

Der junge Dmitrij will eigentlich nicht aus einem geliebten Dnepropetrowsk weg. Bleiben kann er aber auch nicht, zumal Anfang der neunziger Jahre niemand weiß, wie es weitergeht. Die Rückkehr des Eisernen Vorhangs erscheint eine reale Möglichkeit. Also wird er einer der vielen post-sowjetischen "bus people", die sich auf den Weg nach Westen machen. Zur Erinnerung: Ehemalige Sowjetbürger sind die größte Einwanderergruppe im heutigen Deutschland.

Auf seiner Reise lernt Belkin, der als "jüdischer Kontingentflüchtling" nach Deutschland kommt, die Paradoxien ethnizitätsbasierter Zuwanderung kennen. Sein Vater ist Jude, das macht ihn "jüdisch genug" für Deutschland, aber nicht für das Judentum, das nur mütterliche Abstammung anerkennt. Was ist schon "jüdisch" an ihm? Diese Frage treibt ihn um und bringt ihn an ganz widersprüchliche Stellen, zur christlichen Taufe und schließlich zur Konversion zum Judentum inklusive Beschneidung. Zu den Paradoxien gehört auch die Tatsache, dass Dmitrij erst in Deutschland wieder seinen russischen Namen tragen kann, nachdem die Ukraine aus ihm ungefragt einen "Dmytro" machte, der er nie sein wollte.

Dmitrij Belkins Buch ist kompakt und enthält doch mehrere faszinierende Erzählungen für den zeithistorisch interessierten Leser. Es ist eine Geschichte von Perestroika und Transformation, von Migration und Integration, eine Geschichte des neuen Deutschlands und nicht zuletzt eine Geschichte des neuen deutschen Judentums. Als zunehmend selbstbewusster post-sowjetischer deutscher Jude findet Belkin sich nicht einfach mit der ihm zugedachten Rolle als "Geschenk" für das geläuterte "Land der Täter" ab. Zugleich scheut er sich nicht, dankbar zu sein für die Aufnahme, die er gefunden hat - und trotzdem seine neue Heimat immer wieder an ihren neuralgischen Punkten zu hinterfragen. Solche Spannungsverhältnisse durchziehen die Erzählung und machen sie zu einer hellsichtigen Analyse der bundesdeutschen Gegenwart. Wer die Umwälzungen der letzten dreißig Jahre in Deutschland und Osteuropa und ihre Auswirkungen bis heute verstehen will, sollte dieses Buch lesen.

JANNIS PANAGIOTIDIS

Dmitrij Belkin: "Germanija". Wie ich in Deutschland jüdisch und erwachsen wurde.

Campus Verlag, Frankfurt a.M. / New York 2016. 202 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»In 'Germanija' beschreibt Belkin so angenehm unsentimental wie ironisch, wie er 1993 als Kontingentflüchtling aus der Ukraine nach Deutschland kam und sich einlebte.« Susanne Lenz, Berliner Zeitung, 11.04.2017»Höchst lesenswertes Buch.«, Deutschlandradio Kultur, 04.11.2016»Die Geschichte des ukrainischen Geschichtsstudenten Belkin zum jüdischen Deutschen mit Heimatgefühl ist kurzweilig, voller Humor, kleinen Anekdoten, die mehr erzählen als ein Seminar bei Politologen oder Soziologen, und auch voller Ernsthaftigkeit.« Robert Probst, Süddeutsche Zeitung, 06.11.2016»Witzige Perspektive eines Ex-'Kontingentflüchtlings' auf gestern und heute.«, Die Welt, 03.12.2016»Der Historiker Belkin sieht Ambivalenzen, die die Einheimischen nicht mehr sehen.« Martin Krauss, die tageszeitung, 08.02.2017»Wer die Umwälzungen der letzten dreißig Jahre in Deutschland und Osteuropa und ihre Auswirkungen bis heute verstehen will, sollte dieses Buch lesen.« Jannis Panagiotidis, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.11.2016»Es ist die Geschichte eines jahrzehntelangen Ankommens, einer Suche nach der eigenen Identität, die auch und vor allem eine geistige Sinnsuche ist.« Nadja Erb, Frankfurter Rundschau, 04.10.2016»'Germanija' ist ein biografisch-politischer Exkurs durch die mannigfaltigen Umbrüche der jüngsten Vergangenheit, der auch hinsichtlich der aktuellen Migrationsbewegungen von Relevanz ist.« Daniel Windheuser, Der Freitag, 22.09.2016»Belkin, nach eigenem Bekunden nur in einer Grauzone zwischen Zuschreibungen wie jüdisch, deutsch, russisch oder europäisch wirklich zu Hause, rüttelt an dem 'Denken in Schubladen'.« Robert Kalimullin, Jüdische Allgemeine, 22.09.2016»Auch [Belkin] musste lernen, sich zu integrieren, ohne sich selbst zu verlieren. Und genau das sei die Message seines Buches.«, Bayerischer Rundfunk / B5, 11.09.2016»Ein wunderbares Buch.« Almut Engelien, rbb Kulturradio, 27.11.2016»[Dmitrij Belkin] verbindet den selbstironischen Humor eines Wladimir Kaminer mit dem etwas erweiterten und geschärften Blick des Historiikers und der persönlichen Ehrlichkeit eines Autors, der nahezu alle Probleme eines Einwanderers in sich bündelt.« Almut Engelien, NDR, 09.09.2016…mehr