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Ein Buch, das viele neue Erkenntnisse eröffnet: über Beck als Person, über die Gruppe, der er angehörte: die preußisch-deutsche Militärelite, und über die Entwicklung und Struktur des militärischen Widerstands gegen Hitler.
Müller begreift Beck als Ausnahmeerscheinung innerhalb seiner Offiziersgeneration - als Typus des kultivierten, gebildeten Bürgers, dessen von der Familie geprägte geradlinige Moral und intellektuelles Ethos sein ganzes Leben bestimmten. Sie befähigten ihn, einmal als richtig erkannten Einsichten gegen alle Zwänge seines beruflichen Milieus unbeirrbar zu folgen. Gerade…mehr

Produktbeschreibung
Ein Buch, das viele neue Erkenntnisse eröffnet: über Beck als Person, über die Gruppe, der er angehörte: die preußisch-deutsche Militärelite, und über die Entwicklung und Struktur des militärischen Widerstands gegen Hitler.

Müller begreift Beck als Ausnahmeerscheinung innerhalb seiner Offiziersgeneration - als Typus des kultivierten, gebildeten Bürgers, dessen von der Familie geprägte geradlinige Moral und intellektuelles Ethos sein ganzes Leben bestimmten. Sie befähigten ihn, einmal als richtig erkannten Einsichten gegen alle Zwänge seines beruflichen Milieus unbeirrbar zu folgen. Gerade in Konfliktsituationen erwiesen sie sich als stärker als seine militärische Erziehung oder als Karrierestreben.

Inhaltlich beanspruchte Beck, ganz der preußischen Militärtradition folgend, für das Militär eine der Politik gleichberechtigte Führungsrolle in Staat und Gesellschaft. Dieser politisch-soziale Eliteanspruch unterschied ihn u. a. von seinen Rivalen Keitel und Fromm, die in den Kategorien einer bloßen Funktionselite dachten. Er war überzeugt, dass politische und militärische Entscheidungen ethisch fundiert sein mussten. Beck glaubte zunächst, das Dritte Reich würde seine Ansprüche verwirklichen. Als er aber erkannte, dass das Handeln Hitlers mit seinen Überzeugungen unvereinbar war, führten ihn seine moralische Kraft und seine Prinzipientreue Schritt für Schritt in den Widerstand, bis zur letzten Konsequenz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2007

Die Sonderstellung des Offizierkorps bewahren
Klaus-Jürgen Müller zeichnet Generaloberst Becks langen Weg in den Widerstand gegen Hitler nach / Von Rainer Blasius

Gegen 16.30 Uhr traf Claus Schenk Graf von Stauffenberg im Bendlerblock ein. Am Mittag des schwül-heißen 20. Juli 1944 war im "Führerhauptquartier Wolfschanze" in Ostpreußen während der Lagebesprechung eine Sprengladung detoniert. Nun meldete sich der Oberst bei Friedrich Fromm, dem Befehlshaber des Ersatzheeres, zurück und bekannte sich zu dem Attentat. Von General Friedrich Olbricht erfuhr Fromm, dass die Alarmmaßnahmen "Walküre" bereits ausgelöst seien. Fromm telefonierte sofort mit dem "Führerhauptquartier". Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Wilhelm Keitel, bestätigte ihm, dass ein Attentat auf Hitler stattgefunden habe, aber fehlgeschlagen sei. Fromm distanzierte sich daraufhin vom Aufstand und ließ sich festnehmen.

Wenig später erschien Generaloberst a. D. Ludwig Beck im Bendlerblock. Der 1938 zurückgetretene Generalstabschef des Heeres trug als provisorisches Staatsoberhaupt zivil, um seine politische Funktion kenntlich zu machen. Kurz nach 17 Uhr kam der Berliner Polizeipräsident Wolf Heinrich Graf Helldorf zu einer Besprechung. Als er sich schon wieder entfernen wollte, schaltete sich Beck ein: "Einen Augenblick, Olbricht. Wir müssen loyalerweise den Polizeipräsidenten davon unterrichten, dass gewisse Nachrichten aus dem Hauptquartier vorliegen, denen zufolge Hitler nicht tot sein soll." Auf Olbrichts Zwischenruf "Keitel lügt!" erwiderte Beck: "Olbricht, es ist gleichgültig, ob Keitel lügt! Hier geht es darum, dass Helldorf wissen muss, was für eine Behauptung über das Missglücken des Attentats von der Gegenseite aufgestellt wird." Becks Devise lautete: "Für mich ist dieser Mann tot. Davon lasse ich mein weiteres Handeln bestimmen. Von dieser Linie dürfen wir nicht abweichen, sonst bringen wir unsere eigenen Reihen in Verwirrung." Unbeirrt stand er zu der revolutionären Tat, fasste sie als symbolischen Akt, als Vermächtnis für Deutschlands Zukunft auf. Gegen 23 Uhr brach der Umsturzversuch zusammen. Dann rechnete Fromm - dem seit langem die Staatsstreichvorbereitungen nicht verborgen geblieben waren - mit den Verschwörern ab und räumte Beck die Gelegenheit zum Freitod ein.

Klaus-Jürgen Müller beschäftigt sich seit vier Jahrzehnten mit Beck und der Geschichte der preußisch-deutschen Armee. Nun zieht er in seiner großen und sehr lesenswerten Biographie die Summe seiner Forschungen. Überzeugend arbeitet er heraus, dass Beck die Sonderstellung des Offizierkorps im Staate durch alle Wechselfälle seines Lebens hindurch als Ideal betrachtete und unbedingt gewahrt wissen wollte. Der am 29. Juni 1880 in Biebrich am Rhein geborene Professoren- und Unternehmersohn erlebte Hitlers Machtübernahme als Divisionskommandeur in Frankfurt/Oder. Nach dem 30. Januar 1933 propagierte das Reichswehrministerium unter dem neuen Minister General Werner von Blomberg unermüdlich die "Zwei-Säulen-Theorie"; danach ruhte der Staat auf Armee und Partei (NSDAP), was Müller als eine bewusste Anknüpfung an die Tradition des Dualismus von Politik und Militär in der preußisch-deutschen Militärmonarchie interpretiert. Hitler griff dieses Bild in Reden geschickt auf. Für Beck war die Zwei-Säulen-Theorie der Maßstab für sein eigenes Wirken.

Am 1. Oktober wurde Beck Chef des Truppenamtes, also des Generalstabes des Heeres - wie es ab 1935 wieder hieß. Beck ging es darum, einen über den drei Wehrmachtteilen - also auch über Luftwaffe und Marine - stehenden Gesamtgeneralstab zu schaffen. Demgegenüber favorisierte das Wehrmachtamt unter dem hitlerbegeisterten General Keitel schon früh ein eigenes Oberkommando der Wehrmacht mit einem Wehrmachtführungsstab. Auf solche Ressortstreitigkeiten bezog sich Beck 1935 auf der Feier des 125. Jahrestages der Gründung der Kriegsakademie und stellte den hohen Anspruch des Heeresgeneralstabs heraus: "Nichts wäre gefährlicher als sprunghaften, nicht zu Ende gedachten Eingebungen, mögen sie sich auch noch so klug und genial ausnehmen, nachzugeben, oder auf Wunschgedanken, mögen sie auch noch so heiß gehegt werden, aufzubauen. Wir brauchen Offiziere, die den Weg logischer Schlussfolgerungen in geistiger Selbstzucht systematisch bis zu Ende gehen, deren Charakter und Nerven stark genug sind, das zu tun, was der Verstand diktiert."

In dem Kapitel "Preußische Tradition und neuer Staat" erinnert Müller daran, dass das Heer der SS am 30. Juni 1934 Hilfe und Rückendeckung für die Aktion gegen die SA-Führung gab, der 85 Menschen zum Opfer fielen, darunter die Generale Kurt von Schleicher und Ferdinand von Bredow. Beide beschuldigte Hitler in der Reichstagsrede vom 13. Juli des Hoch- und Landesverrats, so dass Beck vergeblich bei Blomberg eine Untersuchung der Anschuldigungen verlangte. In indirektem Zusammenhang mit dem 30. Juni stand die Nachfolge des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, der am 2. August 1934 starb und dessen Amt Hitler usurpierte. Nach Aussagen seines Bruders habe Beck den Befehl Blombergs zur sofortigen Vereidigung der Streitkräfte auf Hitler als "Überrumpelung" empfunden. In der Zielsetzung war er sich allerdings - so Müller - mit Blomberg einig, den "ein klares machtpolitisches Kalkül geleitet" habe. Müller versteht die Eidesformel als Ausdruck einer "Umarmungstaktik" der Reichswehr gegenüber Hitler. Beck bemühte sich anschließend verstärkt um den in Tutzing lebenden General a. D. Erich Ludendorff, den er wohl als Schirmherrn der Armee, als eine Art Ersatz-Hindenburg gewinnen wollte. Der längst von eigenen messianischen Wahnvorstellungen befallene "größte General des Weltkrieges" (so Beck 1935 in einer Rundfunkansprache) ließ sich aber nicht einbinden.

Gefordert war Beck Anfang 1938 durch den Blomberg-(Heirats-)Skandal und die Fritsch-Krise. Als Hitler mit Werner von Fritsch die Symbolfigur der preußisch-deutschen Militärtradition entließ - der gegen ihn erhobene Vorwurf der Homosexualität ging auf eine Intrige der SS zurück -, wollte Beck nicht mit dem Diktator brechen. Für den Generalstabschef stand vielmehr die Neugliederung im Vordergrund: Hitler übernahm statt Blomberg selbst den Oberbefehl über die gesamte Wehrmacht, Walther von Brauchitsch folgte Fritsch nach als Oberbefehlshaber des Heeres. In der "Sudetenkrise" im Frühjahr/Sommer 1938 versuchte Beck zunächst, mittels Denkschriften Hitlers Kriegskurs entgegenzusteuern. Laut Müller akzeptierte Beck "den klassischen Primat der Politik nicht, er glaubte vielmehr an ein harmonisches Zusammenwirken von Politik und Militär unter Respektierung der jeweiligen Sphären". Becks Kampf gegen einen von ihm befürchteten "großen Krieg" mit den Westmächten gipfelte darin, dass er Mitte Juli die Idee einer kollektiven Verweigerung der Generalität und gleichzeitig eine "klärende Auseinandersetzung zwischen Wehrmacht und SS" erwog. Die dahintersteckende Absicht war in Müllers Sicht eine "Regimereform", für die sich die große Mehrheit der karrieresüchtigen Generale nicht erwärmen konnte. Daher reichte Beck Mitte August sein Rücktrittsgesuch ein und hoffte auf eine neue Verwendung (Heeresgruppe in Dresden). Als Hitler dies ablehnte, bat er am 19. Oktober um den Abschied aus dem aktiven Dienst, die mit der Beförderung zum Generaloberst erfolgte.

Ohne Amt und Machtmittel kam Beck angesichts des Versagens der Generalskameraden, die trotz der vielen Verbrechen an ihrer rein funktionalen Berufsauffassung festhielten und dafür den Eid auf Hitler als Vorwand in Anspruch nahmen, ab 1942 zu der Erkenntnis, sich selbst für einen Umsturz engagieren zu müssen. Bis zum Attentat habe er die vage Hoffnung gehabt, "trotz der alliierten Forderung nach bedingungsloser Kapitulation das Militär als politischen Faktor irgendwie über die Niederlage hinwegretten zu können. Offensichtlich verstellte solches Rollenverständnis eine angemessene Realitätserfassung", meint Müller. Als designierte höchste politische Instanz fiel Beck bei den heterogenen Verschwörergruppen die ausgleichende und letztentscheidende Rolle zu; Stauffenberg stand in engstem Kontakt mit ihm und handelte in seinem Auftrag. Leider nur in einer Anmerkung versteckt erwähnt Müller die "ungelöste Spannung" im Traditionsverständnis der Bundeswehr, für die der Primat der Politik und das Prinzip der Volkssouveränität (Parlamentsarmee) gelten. "Auf der Grundlage des Grundgesetzes wurde die funktional-professionelle Berufsauffassung zum Grundsatz erhoben." Das habe jedoch die politischen Repräsentanten der Bundesrepublik nie daran gehindert, in Festreden und Gedenkartikeln Becks, Stauffenbergs und "ihrer Kameraden Tat Respekt und ihrem Ethos Verehrung zu zollen, wiewohl deren politisch-soziale und idealistisch-moralische Eliteauffassung quer zur geltenden Verfassungsgebung, zum politischen mainstream und zur daraus abgeleiteten politischen Korrektheit steht".

Klaus-Jürgen Müller: "Generaloberst Ludwig Beck". Eine Biographie. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2007. 835 S., 39,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Bestnoten vergibt Rezensent Wolfram Wette an diese Ludwig-Beck-Biografie des emeritierten Historikers, die sich aus seiner Sicht über weite Strecken auch wie eine Militärgeschichte des "ersten deutschen Nationalstaats" liest. Zwar handelt es sich Wette zufolge um ein "streng wissenschaftliches Werk" für Spezialisten, was man allein schon am "riesigen Anmerkungsapparat" erkennen könne. Trotzdem kämen die Leser voll auf ihre Kosten. Zumindest jene, die sich für Innenleben, Denkstrukturen, Mentalitäten und Personalpolitik des preußischen Generalstabs interessierten. Denn der Autor leuchte mit viel Einfühlungsvermögen dieses Milieu aus und beschreibe auch Becks Position in diesem Kontext sehr deutlich, als dessen Exempel er für den Rezensenten immer wieder kenntlich wird. Allerdings findet Wette Becks Ansichten zur Judenverfolgung nicht deutlich genug herausgearbeitet. Auch bei der Darstellung der Motive für Becks Beteiligung am 20. Juli hätte sich der Rezensent etwas mehr Klarheit gewünscht.

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