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Produktdetails
  • Verlag: Peter Hammer Verlag
  • Originaltitel: Les Contes d' Amadou Koumba
  • Seitenzahl: 314
  • Abmessung: 205mm
  • Gewicht: 402g
  • ISBN-13: 9783872947826
  • ISBN-10: 3872947826
  • Artikelnr.: 07260738
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.1998

Warum der Baum wächst
Auch die Scheibe ist doch rund: Birago Diops "Geistertöchter"

Seine Großmutter muß eine afrikanische Scheherazade gewesen sein. Bei Anbruch der Nacht wiegte sie ihren Enkel mit Sagen und Fabeln in den Schlaf. Doch bevor der junge Birago Diop die Geschichten in seinen Träumen weiterspann, nahm er seiner Großmutter das Versprechen ab, daß sie am nächsten Abend mit der Erzählung fortfahre. Später nährte und unterdrückte Diop sein Heimweh mit diesen Geschichten, die das Leben nicht schrieb.

Es handelt sich um die Geschichten des Amadou Koumba, des Grioten der Familie. Ein Griot ist der Erzähler, Sänger, Genealogist und damit der Bewahrer der ausschließlich mündlich überlieferten Tradition. Birago Diop durchkreuzte diese Tradition, indem er die Geschichten aufschrieb. Nicht als Zeichen der Abkehr, sondern als Zeichen seiner Rückkehr vor aller Welt. Im Jahr 1947 erschienen die gesammelten "Erzählungen des Amadou Kumba" in französischer Sprache. Diop wurde zu einem der bekanntesten Vertreter der afrikanischen Literatur im Umkreis der Négritude. Sartre lobte die "schlichte Majestät" der Geschichten. Die deutsche Ausgabe ist erst jetzt erschienen. Doch was sind fünfzig Jahre angesichts einer jahrhundertealten Tradition des Erzählens? Diese Geschichten sind staubresistent, aktuell und altbacken zugleich.

Schon die Widmung für seine Töchter vereinigt Klischee und Wirklichkeit, Metaphorik und Traditionsbewußtsein Afrikas: "Meinen Töchtern Nenou und Dédée - Damit sie erfahren und nie vergessen, / daß der Baum nur wächst, / wenn er seine Wurzeln / tief in die nährende Erde senkt." Das klingt simpel, vielleicht naiv, aber auch konservativ-modern; solcher Art sind die Geschichten, die Diop erzählt. Meist sind es Tierfabeln: Golo, das Oberhaupt des Affenvolkes, Diassigue, die Mutter der Kaimane, Buki, die Hyäne, oder Leuk, der Hase. Tier für Tier lernt der Leser den literarischen Streichelzoo kennen und die Charaktere einzuschätzen. Gegen Ende des Buches wird er gewahr, daß sie ihm zum zauberhaften Ersatz für menschliche Protagonisten wurden.

Die Fabeln illustrieren moralische Imperative.Zum Beispiel "Du sollst nicht lügen": Demba verstößt seine Frau, leugnet es aber, als er merkt, daß er auf ihre häuslichen Tugenden nicht verzichten kann; seine aufmüpfige Frau beharrt darauf, daß er sie verstoßen habe. Imam Madiakaté-Kala macht dem ehelichen Gezeter ein Ende. Für sein weises Urteil bedarf es nur einer Frage: "Wo ist der Mann, der seine Frau verstoßen hat?" Mit seinem "Hier bin ich" verwirkt Demba das Recht auf seine Frau. Ausgleichende Gerechtigkeit herrscht allerorten; eine Moral wird mundgerecht zubereitet. Wer den Geschichten von Diop lauschen möchte, der muß sich dorthin begeben, wo es egal ist, ob die Erde eine Scheibe ist, und wo einzig und allein zählt, daß das Weltbild rund bleibt. SHIRIN SOJITRAWALLA

Birago Diop: "Geistertöchter - Die Geschichten des Amadou Koumba". Aus dem Französischen übersetzt von Christel Dobenecker und anderen. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 1998. 314 S., geb., 29,80 DM.

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