Produktdetails
  • Verlag: Piper Taschenbuch
  • ISBN-13: 9783492275514
  • ISBN-10: 3492275516
  • Artikelnr.: 20769768
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.05.2006

Für den Tisch Man erfährt in Reinhold Messners "Gebrauchsanweisung für Südtirol" vieles über Südtirol. Zum Beispiel, daß seine Einwohner "fensterln", die Leute "ausrichten" und Südtirol viele Rekorde hält - auch den der höchsten Selbstmordrate Mitteleuropas. Vor allem aber erfährt man, wie der Ex-Bergsteiger, Ex-Politiker und aktuelle Museumsverwalter Reinhold Messner zu seiner Heimat Südtirol steht. Messner ist der Hauptdarsteller des Buches, seine Meinung ist die maßgebende. Die Politik, schreibt Messner, funktioniere "wie eine Zweierseilschaft, bestehend aus Partei und Zeitung". Das ist zwar richtig und ärgerlich für Südtirol. Doch viele Vorwürfe, die Messner erhebt, lesen sich wie ein persönlicher Racheakt. Wenn er schreibt, "die Zeitung kann Projekte niedermachen", dann klingt das, als gehe es um Messners Projekte. Und wenn er gleich danach seinem neuesten Projekt, dem Messner Mountain Museum, ein eigenes Kapitel in der Gebrauchsanweisung einräumt und sicherheitshalber auch Parkplätze und Öffnungszeiten erwähnt, dann erscheint es fraglich, für was diese Gebrauchsanweisung gedacht ist: für ganz Südtirol oder in erster Linie für Messners Museen?

asl

Reinhold Messner: "Gebrauchsanweisung für Südtirol". Piper, 192 Seiten, 12,90 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.05.2006

Ich und Südtirol
Messners Gebrauchsanweisung
Finsternis über einem sonnigen Land. Es wird beherrscht von sinistren „Seilschaften”. Gut, das Land liegt im Gebirge, da liegt das nahe, könnte man einwenden. Noch dazu wird es fast erdrückt von einem Meinungsmonopol, das die kreativen Köpfe abschneidet und die besten Ideen schon im Knospenstadium vom sonnigen Erker stößt. Denn dorthin gehört ja wohl nur die „Brennende Lieb”, die rote Geranie also, und wehe, es pflanzt einer ein italienisches Gewächs oder, noch schlimmer: ein tibetanisches.
Wer Reinhold Messners „Gebrauchsanweisung für Südtirol” liest, der könnte denken, das kleine Land südlich des Brenners werde von „der Partei” und „der Zeitung” derart drangsaliert, dass sich die chinesische KP samt ihrer Staatspresse dagegen wie eine Hippiekommune ausnimmt. „Lesen Sie die Zeitung, wenn Sie bei uns Urlaub machen. Es ist allemal unterhaltsam, wenn man einmal durchschaut hat, wie sie manipuliert. Unser Land ist sogar hierin mit keinem anderen zu vergleichen und wir Südtiroler sind sogar stolz darauf.” Gemeint ist die lokale Tageszeitung „Dolomiten”, die mit der Südtiroler Volkspartei eine „Seilschaft nach Führerprinzip” bilde und so das Land nach ihrem Gutdünken steuere, fast ohne demokratische Kontrolle.
Das mag zwar alles nicht falsch sein, doch so einzigartig ist es auch wieder nicht. Ein Blick in so manch bayerischen Landkreis hätte dem Gipfelstürmer mit Zweitdomizil in München genügen müssen, um zu sehen, dass 60 Jahre lang die selbe Partei wählen und 60 Jahre die selbe Zeitung lesen kein originär Südtiroler Phänomen ist. Doch gerade in dieser suggerierten Einzigartigkeit wird deutlich, dass Messner, der sich gern als Dissident und unverstandener Prophet im eigenen Land sieht, ganz einer der seinen ist: „die schönsten Berge der Welt”, „das schönste Fleckchen Erde in Mitteleuropa”, die beste Autonomie und nun halt auch das perfideste Meinungsmonopol - ein kleines Land zwischen deutschem Dialekt und italienischer Staatsbürgerschaft sucht seine Identität im Superlativ.
Ein solcher wäre noch hinzuzufügen: der größte Egoman. Denn Messner, der viele gute Bücher geschrieben hat, kennt nur ein Thema: sich selbst. Er soll ein Land beschreiben und erklärt nur sich. „Zwischen Weinreben und Gletscherfirn, zwischen Dörfern und Höfen ist es gerade dieses Landschaftsbild, dieses Licht, dieser Menschenschlag, die zu mir gehören.” Nicht er zum Land, es zu ihm! Zuweilen wird diese Perspektive für den Leser unerträglich: „Die Haltung des echten Südtirolers ist auch die meine, auch wenn sie niemand mit mir teilen will.” Man hätte sich Begegnungen und Beobachtungen gewünscht, in denen Messners Analyse eines kulturellen und politischen Systems Veranschaulichung fänden. Doch ein Beobachter muss sich im Hintergrund halten, „sich selbst bescheiden”, wie es laut Messner die Bergbauern tun - eine Eigenschaft, die ihm nicht vererbt wurde.
HANS GASSER
REINHOLD MESSNER: Gebrauchsanweisung für Südtirol. Piper Verlag, München 2006. 208 Seiten, 12, 90 Euro.
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