Ibram X. Kendi
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Gebrandmarkt
Die wahre Geschichte des Rassismus in Amerika
Übersetzung: Röckel, Susanne; Schlatterer, Heike
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Wenn Sie Amerikaner sind und schwarz, dann ist ihre Chance, von der Polizei erschossen zu werden, höher als wenn sie weiß sind. 21-mal höher. Obwohl die USA sich rühmen, ein post-rassistisches Land zu sein und sogar einen schwarzen Präsidenten gewählt haben, sitzt der Rassismus tief. Dieses zornige Buch ist die Geschichte einer nationalen Schande ? so intensiv, dass es weh tut.In einer rasanten Tour de Force erzählt der junge amerikanische Historiker Ibram X. Kendi die wahre Geschichte des Rassismus in Amerika ? von den Puritanern bis zu Black Lives Matter. Er zeigt, dass der Rassismus ...
Wenn Sie Amerikaner sind und schwarz, dann ist ihre Chance, von der Polizei erschossen zu werden, höher als wenn sie weiß sind. 21-mal höher. Obwohl die USA sich rühmen, ein post-rassistisches Land zu sein und sogar einen schwarzen Präsidenten gewählt haben, sitzt der Rassismus tief. Dieses zornige Buch ist die Geschichte einer nationalen Schande ? so intensiv, dass es weh tut.
In einer rasanten Tour de Force erzählt der junge amerikanische Historiker Ibram X. Kendi die wahre Geschichte des Rassismus in Amerika ? von den Puritanern bis zu Black Lives Matter. Er zeigt, dass der Rassismus nicht nur aus den trüben Quellen von Ignoranz und Hass aufsteigt, sondern von Anfang an dazu diente, Diskriminierung zu rechtfertigen und plausibel zu machen. Sein Buch führt uns durch eine erschreckende Geschichte voller Gewalt, Dummheit und Arroganz. Die Vorstellung, dass Schwarzeminderwertig sind und selber schuld an ihrer schlechten Lage, hat sich so tief in die kulturelle DNA der Vereinigten Staaten eingeschrieben, dass der Rassismus bis heute allgegenwärtig ist ? das ist die bittere Bilanz dieses brillanten Buches.
In einer rasanten Tour de Force erzählt der junge amerikanische Historiker Ibram X. Kendi die wahre Geschichte des Rassismus in Amerika ? von den Puritanern bis zu Black Lives Matter. Er zeigt, dass der Rassismus nicht nur aus den trüben Quellen von Ignoranz und Hass aufsteigt, sondern von Anfang an dazu diente, Diskriminierung zu rechtfertigen und plausibel zu machen. Sein Buch führt uns durch eine erschreckende Geschichte voller Gewalt, Dummheit und Arroganz. Die Vorstellung, dass Schwarzeminderwertig sind und selber schuld an ihrer schlechten Lage, hat sich so tief in die kulturelle DNA der Vereinigten Staaten eingeschrieben, dass der Rassismus bis heute allgegenwärtig ist ? das ist die bittere Bilanz dieses brillanten Buches.
Ibram X. Kendi Ibram X. Kendi ist Professor und Direktor des Center for Antiracist Research an der Boston University. 2016 erhielt er für "Gebrandmarkt" den National Book Award. 2020 wählte das Time Magazine ihn zu den '100 most influential people' des Jahres.
Produktdetails
- Verlag: Beck
- Originaltitel: Stamped from the beginning. The Definitive History of Racist Ideas in America
- Seitenzahl: 604
- Erscheinungstermin: 19. Oktober 2017
- Deutsch
- Abmessung: 246mm x 172mm x 43mm
- Gewicht: 1040g
- ISBN-13: 9783406712302
- ISBN-10: 3406712304
- Artikelnr.: 48001905
Herstellerkennzeichnung
C.H. Beck
Wilhelmstrasse 9
80801 München
produktsicherheit@beck.de
Unterjocht
Zorniges Manifest: Der amerikanische Historiker Ibram X. Kendi verspricht die definitive Geschichte des Rassismus, liefert sie aber nicht.
Mit seiner "wahren Geschichte des Rassismus" in den Vereinigten Staaten hat der Historiker Ibram X. Kendi ein denkwürdiges, da in hohem Maße ambivalentes Buch vorgelegt. "Stamped from the Beginning", so der Originaltitel, trug ihm im vergangenen Jahr den National Book Award in der Kategorie Sachbuch ein.
Auf der einen Seite handelt es sich um eine materialreiche, gut lesbare und weit ausholende Darstellung eines finsteren Kapitels nicht allein der nordamerikanischen Geschichte - wenn man etwa bedenkt, dass das Gros der überwiegend aus Westafrika verschleppten
Zorniges Manifest: Der amerikanische Historiker Ibram X. Kendi verspricht die definitive Geschichte des Rassismus, liefert sie aber nicht.
Mit seiner "wahren Geschichte des Rassismus" in den Vereinigten Staaten hat der Historiker Ibram X. Kendi ein denkwürdiges, da in hohem Maße ambivalentes Buch vorgelegt. "Stamped from the Beginning", so der Originaltitel, trug ihm im vergangenen Jahr den National Book Award in der Kategorie Sachbuch ein.
Auf der einen Seite handelt es sich um eine materialreiche, gut lesbare und weit ausholende Darstellung eines finsteren Kapitels nicht allein der nordamerikanischen Geschichte - wenn man etwa bedenkt, dass das Gros der überwiegend aus Westafrika verschleppten
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Sklaven in Brasilien und der Karibik verkauft wurden. Dies ändert allerdings nichts an dem Leiden all jener mehr als dreihunderttausend Afrikaner, die sich am Ende ihrer Odyssee in den dreizehn britischen Festlandkolonien und dort bei weitem nicht nur im Süden der großgrundbesitzenden Plantagenaristokraten, sondern ebenso in New York, Boston und Rhode Island wiederfanden.
Die historische Forschung hat, seitdem in den fünfziger und sechziger Jahren der alte Mythos von der vergleichsweise humanen und paternalistischen angelsächsischen Sklavenhaltung, der einzig die wohlwollende Selbstsicht der Sklavenhalter wiedergab, zusammengebrochen war, herausgearbeitet, wie grausam der Umgang mit Zwangsarbeitern in den Vereinigten Staaten war.
Nicht minder bekannt ist die Gewalt, mit welcher bis weit ins zwanzigste Jahrhundert das System der Rassentrennung in den Vereinigten Staaten aufrechterhalten wurde. Mehr als dreitausend Lynching-Opfer allein zwischen 1890 und 1920 sprechen da eine überdeutliche Sprache. Kendis Werk beschränkt sich nicht einfach darauf, diese altbekannten Fakten zusammenzufassen und einfach nur zu wiederholen. Er will tiefer schürfen, indem er nach den geistigen Wurzeln des Rassismus fragt. Dabei greift er bis auf die Theorien des Aristoteles über die natürliche Ungleichheit der nichtgriechischen Menschen zurück, die in späteren Jahrhunderten gerne als wissenschaftlicher Beleg für die Naturhaftigkeit der längst etablierten Institution der Sklaverei herangezogen wurden.
Zu Recht merkt er indes an, weder Aristoteles noch seine Rezipienten im Mittelalter und der Frühneuzeit seien im strengen Sinn Rassisten gewesen, da sich das Konzept fester Rasseordnungen erst im Laufe der späteren Frühneuzeit mit dem Aufkommen der marktkapitalistischen schwarzen Sklaverei in den Amerikas verdichtete, wobei britischen Theologen und Aufklärungsphilosophen eine federführende Rolle zufiel. Tatsächlich, und dies blendet Kendi sonderbarerweise aus, entwickelte sich das theologische Motiv von der Verfluchung Hams und Kanaans in Genesis 9,25 in erster Linie unter anglikanischen Theologen des achtzehnten Jahrhunderts, während katholische Theologen diese Verse lange allegorisch auf die Verfluchung der Häretiker hin deuteten, obwohl gerade Spanier und Portugiesen ein ökonomisches Interesse an der theologischen Rechtfertigung der Sklaverei gehabt hatten.
An dieser Stelle versagen Kendis mitunter etwas flache, dem Vulgärmarxismus entlehnte ökonomistische Basis-Überbau-Deutungsmittel, da er die gesamte Ideengeschichte der Rassensklaverei auf wirtschaftliche Motive zurückführt. Theologie und Kirchengeschichte sind überhaupt sowieso nicht sein Ding. So behauptet er fälschlicherweise, die Dominikanerpatres auf Hispaniola seien nach den Predigten von P. Montesinos OP gegen die Tainosklaverei von König Ferdinand nach Spanien zurückbefohlen worden, obwohl sie nur eine Delegation zum König geschickt hatten, welche dann die Schutzgesetze von 1512 initiierte. Auch neigt er dazu, protestantische Pfarrer durchweg als Priester zu bezeichnen, was weder der katholischen noch der protestantischen Lehre entspricht.
Auf deutlich sichererem Grunde bewegt er sich in seiner Kritik der Aufklärung. Zu Recht übernimmt er nicht den Mythos, Voltaire habe die Sklaverei gebilligt, denn der französische Vordenker der Aufklärung lehnte sie strikt ab. Dennoch war er, wie John Locke, David Hume und selbst Immanuel Kant fest von der jenseits jeglichem wissenschaftlichen Zweifel stehenden Überzeugung durchdrungen, die schwarze Rasse sei nicht nur häßlicher als die weiße, sondern stünde ihrem Wesen nach tief unter den Europäern. Deswegen schütteten die Aufklärer, die meist der Idee der Polygenese, der unterschiedlichen Herkunft der Menschenrassen, huldigten, kübelweise Hohn und Spott über Theologen, welche das monogenetische System verfochten, oft aber nicht minder rassistisch dachten und agierten als ihre philosophischen Widerparts.
In diesen ersten beiden Hauptteilen des in fünf Hauptabschnitte unterteilten Buches, die sich jeweils um einen zentralen Akteur gruppieren und von diesem aus das jeweilige geistige und soziale Umfeld beleuchten (Cotton Mather, Thomas Jefferson, William Lloyd Garrison, W.E.B. DuBois und Angela Davis), liegt die ganz große Stärke des vorliegenden Buchs.
Seine Schwäche liegt darin begründet, dass es zum anderen mehr sein will als eine historische Abhandlung. Es ist aktivistisches Manifest und aufrüttelnde Anklageschrift zugleich. Kendi, der an der American University in Washington, D.C. lehrt, schreibt furios, traurig, zornig und frustriert, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der toten, von Polizisten erschossenen Schwarzen der späten Obama-Ära. Insofern ist "Gebrandmarkt" der sprachgewaltige Schwanengesang auf die messianische Euphorie des Jahres 2008, gerade unter Schwarzen.
So berechtigt diese Frustration gleichwohl sein mag, sie führt bei Kendi zu argumentativen Problemen, die umso stärker hervortreten, je weiter man auf der Zeitschiene voranschreitet, und die am Ende nicht mehr allein durch Emotionen, sondern durch ideologische Voreingenommenheit erklärt werden können. Der Autor kritisiert scharf jede Form von Ungleichheit, sei sie rassisch, sozioökonomisch, ethnisch, sexuell oder sonstwie begründet. Darin vertritt er einen Individualismus, der neoliberale Züge trägt und beinahe an Maggie Thatchers berühmtes Diktum erinnert, sie kenne ausschließlich Individuen, aber keine Gesellschaft.
In der Konsequenz geht Kendi dann so weit, jedes Argument als assimilationistisch zu kritisieren, das Probleme in der black community auf objektive sozioökonomische Ungleichheiten oder subjektive kulturelle Sinn- und Bedeutungszuschreibungen zurückführt. Anstelle sozialer und kultureller Ungleichheiten tritt bei ihm ein moralischer Dezisionismus, der die Gesellschaft a priori und transhistorisch in rassistische Segregationisten, in Assimilationisten und in Anti-Rassisten einteilt, wobei Letztere die Helden seiner Geschichte stellen.
Während es nun relativ leicht ist, seiner Kritik an den Rassisten zu folgen, wirkt die Kategorie der Assimilationisten reichlich willkürlich. Im Grunde umfasst sie jeden, gleichgültig, welcher Rasse, der nicht Kendis ideologischem Programm folgt. Dies wird regelrecht zynisch, wenn selbst einem aufrechten Kämpfer wie dem schwarzen radikalen Abolitionisten David Walker rassistische Untertöne vorgeworfen werden, weil er es in den zwanziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts wagte, auf die sozialpsychologischen Folgen der Sklaverei aufmerksam zu machen. Frederick Douglass und Martin Luther King ergeht es kaum besser.
Dies ist lediglich denunziatorisch, wenn altbackene klimatheoretische Erwägungen aus der Aufklärungszeit, wie sie etwa Buffon - und nicht nur gegen Schwarze - vorgelegt hatte, dazu benutzt werden, sämtliche sozioökonomischen und soziokulturellen Argumente, die auf eine Selbstkritik der black community hinauslaufen, argumentlos beiseitezuwischen. Gewiss, Kendi hat Recht, wenn er die Oberflächlichkeit neoliberal-neokonservativer Autoren kritisiert, die voreilig von einer postethnischen Gesellschaft in den Vereinigten Staaten schwadronieren, aber sein Gegenentwurf wirkt mindestens ebenso hohl.
Am Ende kann der Autor seine Position nicht einmal widerspruchsfrei durchhalten, da er, wenn es um die hohe Zahl junger Schwarzer geht, die von jungen Schwarzen ermordet werden, selbst auf das Argument sozialer Benachteiligung zurückgreifen muss. Hier drängt sich der Verdacht auf, der humane Individualismus seiner Darstellung könnte nur Tarnung für einen möglicherweise unreflektierten eigenen rassistischen Essentialismus sein. Wie Kendi selbst sagt: Rassisten sagen niemals offen, dass sie Rassisten sind.
Das Buch endet mit einem Appell, der die umfassenden Ziele der Kerngruppe von Black Lives Matter aufnimmt und mehr durch Pathos als durch argumentative Integrität zu überzeugen vermag. Angesichts dieser Schwierigkeiten kann von einer "wahren" - oder wie es im Englischen heißt: "definitiven" - Geschichte des Rassismus nicht die Rede sein. Es sei denn, man betriebe Schindluder mit beiden Begriffen, dem der Geschichte und dem der Wahrheit.
MICHAEL HOCHGESCHWENDER.
Ibram X. Kendi: "Gebrandmarkt".
Die wahre Geschichte des Rassismus in Amerika.
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Susanne Röckel und Heike Schlatterer.
C. H. Beck Verlag, München 2017. 604 S., geb., 34,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die historische Forschung hat, seitdem in den fünfziger und sechziger Jahren der alte Mythos von der vergleichsweise humanen und paternalistischen angelsächsischen Sklavenhaltung, der einzig die wohlwollende Selbstsicht der Sklavenhalter wiedergab, zusammengebrochen war, herausgearbeitet, wie grausam der Umgang mit Zwangsarbeitern in den Vereinigten Staaten war.
Nicht minder bekannt ist die Gewalt, mit welcher bis weit ins zwanzigste Jahrhundert das System der Rassentrennung in den Vereinigten Staaten aufrechterhalten wurde. Mehr als dreitausend Lynching-Opfer allein zwischen 1890 und 1920 sprechen da eine überdeutliche Sprache. Kendis Werk beschränkt sich nicht einfach darauf, diese altbekannten Fakten zusammenzufassen und einfach nur zu wiederholen. Er will tiefer schürfen, indem er nach den geistigen Wurzeln des Rassismus fragt. Dabei greift er bis auf die Theorien des Aristoteles über die natürliche Ungleichheit der nichtgriechischen Menschen zurück, die in späteren Jahrhunderten gerne als wissenschaftlicher Beleg für die Naturhaftigkeit der längst etablierten Institution der Sklaverei herangezogen wurden.
Zu Recht merkt er indes an, weder Aristoteles noch seine Rezipienten im Mittelalter und der Frühneuzeit seien im strengen Sinn Rassisten gewesen, da sich das Konzept fester Rasseordnungen erst im Laufe der späteren Frühneuzeit mit dem Aufkommen der marktkapitalistischen schwarzen Sklaverei in den Amerikas verdichtete, wobei britischen Theologen und Aufklärungsphilosophen eine federführende Rolle zufiel. Tatsächlich, und dies blendet Kendi sonderbarerweise aus, entwickelte sich das theologische Motiv von der Verfluchung Hams und Kanaans in Genesis 9,25 in erster Linie unter anglikanischen Theologen des achtzehnten Jahrhunderts, während katholische Theologen diese Verse lange allegorisch auf die Verfluchung der Häretiker hin deuteten, obwohl gerade Spanier und Portugiesen ein ökonomisches Interesse an der theologischen Rechtfertigung der Sklaverei gehabt hatten.
An dieser Stelle versagen Kendis mitunter etwas flache, dem Vulgärmarxismus entlehnte ökonomistische Basis-Überbau-Deutungsmittel, da er die gesamte Ideengeschichte der Rassensklaverei auf wirtschaftliche Motive zurückführt. Theologie und Kirchengeschichte sind überhaupt sowieso nicht sein Ding. So behauptet er fälschlicherweise, die Dominikanerpatres auf Hispaniola seien nach den Predigten von P. Montesinos OP gegen die Tainosklaverei von König Ferdinand nach Spanien zurückbefohlen worden, obwohl sie nur eine Delegation zum König geschickt hatten, welche dann die Schutzgesetze von 1512 initiierte. Auch neigt er dazu, protestantische Pfarrer durchweg als Priester zu bezeichnen, was weder der katholischen noch der protestantischen Lehre entspricht.
Auf deutlich sichererem Grunde bewegt er sich in seiner Kritik der Aufklärung. Zu Recht übernimmt er nicht den Mythos, Voltaire habe die Sklaverei gebilligt, denn der französische Vordenker der Aufklärung lehnte sie strikt ab. Dennoch war er, wie John Locke, David Hume und selbst Immanuel Kant fest von der jenseits jeglichem wissenschaftlichen Zweifel stehenden Überzeugung durchdrungen, die schwarze Rasse sei nicht nur häßlicher als die weiße, sondern stünde ihrem Wesen nach tief unter den Europäern. Deswegen schütteten die Aufklärer, die meist der Idee der Polygenese, der unterschiedlichen Herkunft der Menschenrassen, huldigten, kübelweise Hohn und Spott über Theologen, welche das monogenetische System verfochten, oft aber nicht minder rassistisch dachten und agierten als ihre philosophischen Widerparts.
In diesen ersten beiden Hauptteilen des in fünf Hauptabschnitte unterteilten Buches, die sich jeweils um einen zentralen Akteur gruppieren und von diesem aus das jeweilige geistige und soziale Umfeld beleuchten (Cotton Mather, Thomas Jefferson, William Lloyd Garrison, W.E.B. DuBois und Angela Davis), liegt die ganz große Stärke des vorliegenden Buchs.
Seine Schwäche liegt darin begründet, dass es zum anderen mehr sein will als eine historische Abhandlung. Es ist aktivistisches Manifest und aufrüttelnde Anklageschrift zugleich. Kendi, der an der American University in Washington, D.C. lehrt, schreibt furios, traurig, zornig und frustriert, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der toten, von Polizisten erschossenen Schwarzen der späten Obama-Ära. Insofern ist "Gebrandmarkt" der sprachgewaltige Schwanengesang auf die messianische Euphorie des Jahres 2008, gerade unter Schwarzen.
So berechtigt diese Frustration gleichwohl sein mag, sie führt bei Kendi zu argumentativen Problemen, die umso stärker hervortreten, je weiter man auf der Zeitschiene voranschreitet, und die am Ende nicht mehr allein durch Emotionen, sondern durch ideologische Voreingenommenheit erklärt werden können. Der Autor kritisiert scharf jede Form von Ungleichheit, sei sie rassisch, sozioökonomisch, ethnisch, sexuell oder sonstwie begründet. Darin vertritt er einen Individualismus, der neoliberale Züge trägt und beinahe an Maggie Thatchers berühmtes Diktum erinnert, sie kenne ausschließlich Individuen, aber keine Gesellschaft.
In der Konsequenz geht Kendi dann so weit, jedes Argument als assimilationistisch zu kritisieren, das Probleme in der black community auf objektive sozioökonomische Ungleichheiten oder subjektive kulturelle Sinn- und Bedeutungszuschreibungen zurückführt. Anstelle sozialer und kultureller Ungleichheiten tritt bei ihm ein moralischer Dezisionismus, der die Gesellschaft a priori und transhistorisch in rassistische Segregationisten, in Assimilationisten und in Anti-Rassisten einteilt, wobei Letztere die Helden seiner Geschichte stellen.
Während es nun relativ leicht ist, seiner Kritik an den Rassisten zu folgen, wirkt die Kategorie der Assimilationisten reichlich willkürlich. Im Grunde umfasst sie jeden, gleichgültig, welcher Rasse, der nicht Kendis ideologischem Programm folgt. Dies wird regelrecht zynisch, wenn selbst einem aufrechten Kämpfer wie dem schwarzen radikalen Abolitionisten David Walker rassistische Untertöne vorgeworfen werden, weil er es in den zwanziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts wagte, auf die sozialpsychologischen Folgen der Sklaverei aufmerksam zu machen. Frederick Douglass und Martin Luther King ergeht es kaum besser.
Dies ist lediglich denunziatorisch, wenn altbackene klimatheoretische Erwägungen aus der Aufklärungszeit, wie sie etwa Buffon - und nicht nur gegen Schwarze - vorgelegt hatte, dazu benutzt werden, sämtliche sozioökonomischen und soziokulturellen Argumente, die auf eine Selbstkritik der black community hinauslaufen, argumentlos beiseitezuwischen. Gewiss, Kendi hat Recht, wenn er die Oberflächlichkeit neoliberal-neokonservativer Autoren kritisiert, die voreilig von einer postethnischen Gesellschaft in den Vereinigten Staaten schwadronieren, aber sein Gegenentwurf wirkt mindestens ebenso hohl.
Am Ende kann der Autor seine Position nicht einmal widerspruchsfrei durchhalten, da er, wenn es um die hohe Zahl junger Schwarzer geht, die von jungen Schwarzen ermordet werden, selbst auf das Argument sozialer Benachteiligung zurückgreifen muss. Hier drängt sich der Verdacht auf, der humane Individualismus seiner Darstellung könnte nur Tarnung für einen möglicherweise unreflektierten eigenen rassistischen Essentialismus sein. Wie Kendi selbst sagt: Rassisten sagen niemals offen, dass sie Rassisten sind.
Das Buch endet mit einem Appell, der die umfassenden Ziele der Kerngruppe von Black Lives Matter aufnimmt und mehr durch Pathos als durch argumentative Integrität zu überzeugen vermag. Angesichts dieser Schwierigkeiten kann von einer "wahren" - oder wie es im Englischen heißt: "definitiven" - Geschichte des Rassismus nicht die Rede sein. Es sei denn, man betriebe Schindluder mit beiden Begriffen, dem der Geschichte und dem der Wahrheit.
MICHAEL HOCHGESCHWENDER.
Ibram X. Kendi: "Gebrandmarkt".
Die wahre Geschichte des Rassismus in Amerika.
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Susanne Röckel und Heike Schlatterer.
C. H. Beck Verlag, München 2017. 604 S., geb., 34,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Kendi erzählt die Geschichte der Entmenschlichung der Schwarzen in Amerika quellenah und mit erfrischender Polemik.
Neue politische Literatur, Manfred Berg
"Ein Buch, so schmerzhaft wie informativ."
Die ZEIT, Sachbuch-Bestenliste Dezember Platz 2, 30. November 2017
"Eindringliches, umfangreiches und zorniges Werk.
Carsten Hueck, Deutschlandfunk Kultur, 15. Januar 2018
"Ibram X. Kendis dichte Recherche und scharfe Analysen münden in einen flüssigen, oft romanesken Schreibstil. Das macht ihre Sogkraft aus."
Arlette-Louise Ndakoze, Deutschlandfunk Andruck, 11. Dezember 2017
"Wahnsinnig ausgreifende, wuchtige und wütende Geschichte des Rassismus
Neue politische Literatur, Manfred Berg
"Ein Buch, so schmerzhaft wie informativ."
Die ZEIT, Sachbuch-Bestenliste Dezember Platz 2, 30. November 2017
"Eindringliches, umfangreiches und zorniges Werk.
Carsten Hueck, Deutschlandfunk Kultur, 15. Januar 2018
"Ibram X. Kendis dichte Recherche und scharfe Analysen münden in einen flüssigen, oft romanesken Schreibstil. Das macht ihre Sogkraft aus."
Arlette-Louise Ndakoze, Deutschlandfunk Andruck, 11. Dezember 2017
"Wahnsinnig ausgreifende, wuchtige und wütende Geschichte des Rassismus
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in den USA."
René Aguigah, Deutschlandfunk Kultur, 30. November 2017
"Entfaltet (...) die ganze Wucht von Unterdrückung und ethnischer Ungleichheit."
Michael Bartle, BR2 Zündfunk, 17. Dezember 2017
"Ibram X. Kendi entlarvt die Vorstellung von einer postethnischen Gesellschaft als Illusion."
Boris Peter, Tagesspiegel, 18. April 2018
"Was Kendis Buch so lesenswert macht, ist, wie er die Entstehung und Entwicklung rassistischer Stereotypen und ihre Spiegelung in Literatur, Musik und Film einbaut."
Christiane Wechselberger, Münchner Feuillton, Mai 2018
"Ibram X. Kendi entlarvt die Vorstellung von einer postethnischen Gesellschaft als Illusion."
Boris Peter, Tagesspiegel, 18. April 2018
"Eine klarsichtige Analyse des Rassismus in den USA von den ersten Siedlern bis heute. Ein wichtiges Buch in einer Zeit, in der Rassenhass längst nicht überwunden ist."
Martin Zähringer, Deutschlandfunk Buch der Woche, 8. Februar 2018
"Meisterhaft. Ein Buch, das wehtut."
René Aguigah, Deutschlandfunk Kultur, 12. Dezember 2017
"Buch der Stunde (...) ein großer Wurf."
Matthias Kolb, Süddeutsche Zeitung, 23. Oktober 2017
René Aguigah, Deutschlandfunk Kultur, 30. November 2017
"Entfaltet (...) die ganze Wucht von Unterdrückung und ethnischer Ungleichheit."
Michael Bartle, BR2 Zündfunk, 17. Dezember 2017
"Ibram X. Kendi entlarvt die Vorstellung von einer postethnischen Gesellschaft als Illusion."
Boris Peter, Tagesspiegel, 18. April 2018
"Was Kendis Buch so lesenswert macht, ist, wie er die Entstehung und Entwicklung rassistischer Stereotypen und ihre Spiegelung in Literatur, Musik und Film einbaut."
Christiane Wechselberger, Münchner Feuillton, Mai 2018
"Ibram X. Kendi entlarvt die Vorstellung von einer postethnischen Gesellschaft als Illusion."
Boris Peter, Tagesspiegel, 18. April 2018
"Eine klarsichtige Analyse des Rassismus in den USA von den ersten Siedlern bis heute. Ein wichtiges Buch in einer Zeit, in der Rassenhass längst nicht überwunden ist."
Martin Zähringer, Deutschlandfunk Buch der Woche, 8. Februar 2018
"Meisterhaft. Ein Buch, das wehtut."
René Aguigah, Deutschlandfunk Kultur, 12. Dezember 2017
"Buch der Stunde (...) ein großer Wurf."
Matthias Kolb, Süddeutsche Zeitung, 23. Oktober 2017
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»Die göttliche Vorsehung schicke Afrikaner in die Sklaverei ins christliche Amerika, damit sie von ihren Herren Kenntnis von der ruhmreichen Heilsbotschaft Christi erhielten. Sie sind Menschen, keine Tiere. … Allerdings ist ihre Dummheit entmutigend. Afrikaner zu belehren scheint …
Mehr
»Die göttliche Vorsehung schicke Afrikaner in die Sklaverei ins christliche Amerika, damit sie von ihren Herren Kenntnis von der ruhmreichen Heilsbotschaft Christi erhielten. Sie sind Menschen, keine Tiere. … Allerdings ist ihre Dummheit entmutigend. Afrikaner zu belehren scheint keine geringere Aufgabe zu sein, als sie zu waschen.«
Afroamerikaner blicken auf eine lange Leidensgeschichte zurück. Noch heute ist ihr Leben von Benachteiligungen und Diskriminierung geprägt. Die statistische Wahrscheinlichkeit, von der Polizei getötet zu werden, liegt für einen jungen schwarzen Amerikaner einundzwanzigmal höher als für einen jungen Weißen und die durchschnittliche Finanzkraft weißer Haushalte übersteigt die schwarzer Haushalte um das Dreizehnfache.
Ibram X. Kendi, Professor für Geschichte und Internationale Beziehungen an der American University in Washington, D.C. erzählt die Geschichte Schwarzer in Amerika von den Anfängen bis zur Gegenwart. Überaus präzise und detailliert ist sein Bericht, vermittelt den Eindruck von Vollständigkeit und ist reich an Zitaten.
»Diese Regierung wurde nicht von Negern und nicht für Neger geschaffen, sondern von weißen Männer für weiße Männer. Das Gesetz gründe auf der falschen Vorstellung von rassischer Gleichstellung. Die Ungleichheit der weißen und der schwarzen Rasse sei ein Brandmal von Geburt an.« (Jefferson Davis, 1860)
Für seinen Bericht hat er eine sehr reizvolle Art der Umsetzung gefunden, denn er reiht im Grunde fünf Biographien von Persönlichkeiten aneinander, die zu ihrer jeweiligen Zeit die ethnischen Vorstellungen und Ideen beeinflusst oder vertreten haben. Konkret haben wir es mit Cotton Mather, Thomas Jefferson, William Lloyd Garrison, W. E. B. Du Bois und Angela Davies zu tun. Ich gestehe, dass mir manche der Namen zuvor nicht viel gesagt haben, umso interessanter war zu lesen, wie wichtig ihre Lebensläufe und Gedanken für alle maßgeblichen Debatten zum Thema Rassismus waren und sind.
Als Basis stellt Kendi drei unterschiedliche Standpunkte vor, die seit Jahrhunderten diskutiert werden, schon dabei habe ich viel Neues erfahren, zum Beispiel, dass den Anti-Rassisten zwei Hauptströmungen rassistischer Ideen gegenüberstehen. Dann die vielen Theorien, die aufgestellt wurden um zu ergründen, weshalb es eigentlich Menschen mit heller und solche mit dunkler Haut gibt. Klimatheorie, Fluchtheorie und die Überlegung, ob eine schwarze Seele weiß werden kann – ich habe gestaunt, womit sich selbst Gelehrte befasst haben.
Was versteht man unter ethnischer Ungleichheit oder schrittweiser Gleichstellung? Und wie war das mit der Kolonisation? Interessant fand ich auch die Zusammenhänge von Sexismus und Rassismus, denn auch die Gleichheit der Geschlechter wird thematisiert.
Immer wieder gab es Abschnitte, bei denen ich beim Lesen richtig wütend wurde. Manchmal wusste ich nicht, was mich mehr empört, die Grausamkeit der beschriebenen Handlung oder die Argumentation, mit der sie „gerechtfertigt“ wurde.
Vielen berühmten Namen begegnet der Leser, denn natürlich haben Martin Luther King, Malcolm X und Barack Obama ihren Platz im Buch, das neben der Geschichte des Rassismus auch viel über die Geschichte der Vereinigten Staaten erzählt. Bei den Sachinhalten fehlt, so mein Eindruck, nichts.
Persönlich hätte ich es schön gefunden, wenn es noch ein paar Bilder, vor allem aus dem historischen Teil, gegeben hätte. Auch hat mir der Stil nicht immer zugesagt, er war mir manchmal schlicht zu trocken. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass der Autor an einigen Stellen eine Benachteiligung hineininterpretiert, die so eigentlich nicht gemeint war. Ich halte mich wirklich für sensibel, was diese Thematik angeht und fand doch bei einigen Gelegenheiten den von Kendi geäußerten Rassismus-Vorwurf für übertrieben.
Fazit: Ein präziser und detaillierter Bericht über die Geschichte des Rassismus. Sehr wichtig und lesenswert!
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