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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.08.2013

Ein kasernierter
Landstrich
Johannes Zang schildert
die Zustände im Gazastreifen
Man weiß nicht, was alles noch geschrieben, gemalt, gezeigt, gebetet, gebettelt werden muss, bis man den Menschen im Gazastreifen die gleichen Rechte gibt, die alle Menschen auf dieser Welt haben sollten. Sie werden eingeschlossen in einem Gebiet von der Größe der Großstadt Köln, auf 363 Quadratkilometern. Dazu hier noch ein anderer Vergleich: Das kleinste Gebiet, was sich jemand in Deutschland vorstellen kann, ist die Insel Langeoog, und Gaza ist nur sechzehnmal so groß wie Langeoog.
  In Gaza wächst nun schon die vierte Generation von Menschen heran, die sich nicht frei bewegen können. Für gewöhnlich werden nur die Ausnahmezustände publik – wenn jemand nicht so einfach aus seinem Land herauskommt oder nicht auf das Meer fahren kann. Für die Gaza-Bewohner gibt es nämlich nicht den Unterschied zwischen nationalen und internationalen Gewässern, den jeder andere Küstenbewohner kennt.
  Johannes Zang hat es unternommen, den tiefsitzenden Unrechtstatbestand zu beschreiben, der sich in Gaza monströs aufgipfelt – und der auch nicht durch die mörderischen Qassam -Raketen weggewischt wird. Die Menschen, die dort leben, verdienen, dass man sie endlich freilässt – auch wenn einige von den 1,6 Millionen Bewohnern sich für eine Nervenheilanstalt qualifizieren, weil sie meinen, mit selbstgebastelten Raketen irgendetwas ändern zu können. Im jüngsten UN-Report heißt es, dass im Jahr 2020 Gaza 2,1 Millionen Einwohner haben werde.
  Johannes Zang kennt Gaza von einigen Besuchen. Er kennt auch die Westbank, die im Verhältnis zu Gaza ein frei zugängliches Gebiet ist –wie gesagt: im Verhältnis zu Gaza. Zang schreibt: „Niemand in Gaza weiß, wie Freiheit schmeckt. Die Jüngeren bis Mitte 40 kennen nur die israelische Besatzung. Die etwas Älteren erinnern sich noch an die ägyptische Zeit zwischen 1949 und 1967, die manche als Goldene Zeit Gazas beschreiben.“
  Ja, es sind 13 500 Raketen und Mörsergranaten aus dem Gazastreifen seit 2001 abgeschossen worden, fast ein Viertel davon allein 2008. 70 Prozent der Kinder in dem benachbarten israelischen Sderot sind traumatisiert. Da macht es nichts, dass das eigentlich keine Raketen sind, sondern irgendwelche Geschosse. Es sind immerhin 48 Menschen durch Qassam -, Grad - und Fadschr-5 -Raketen getötet oder ermordet worden. Selbst wenn man den jungen Menschen in Gaza zugutehält, dass sie sich wehren: Man sollte sich so wehren, dass man die Menschheit auf seine Seite zieht.
  Man kann bei diesem Thema der palästinensischen Elite den Vorwurf der politischen Korruption und Dummheit nicht ersparen. Warum lässt sich denn Abbas weiter auf den Zirkus der Besatzung mit Autonomiebehörde ein? Weil er und andere politische Großkopferte in Westbank und Gaza dank israelischer Privilegien gut leben, wenn sie solche Ämter übernehmen. Aber die Bevölkerung ist arm dran, und deshalb kommt es immer wieder mal zu einer Intifada und anderen Formen von Widerstand.
RUPERT NEUDECK
Johannes Zang: Gaza – ganz nah, ganz fern. AphorismA Verlag, Berlin 2013. 148 Seiten, 15 Euro.
Rupert Neudeck ist Mitbegründer des internationalen Friedenskorps Grünhelme.
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