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In einer Fülle von Texten zeigt dieser Band, wie die Menschen im 18. Jahrhundert die Landschaft erlebten: als Gegenstand der Erkenntnis oder als Ort praktischen Handelns, als idyllischen Garten oder als erhabene Wildnis.

Produktbeschreibung
In einer Fülle von Texten zeigt dieser Band, wie die Menschen im 18. Jahrhundert die Landschaft erlebten: als Gegenstand der Erkenntnis oder als Ort praktischen Handelns, als idyllischen Garten oder als erhabene Wildnis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.1997

Eia! Wär' ich da!
Die Natur im achtzehnten Jahrhundert: Ein Buch wird zum Museum / Von Franziska Augstein

Wie weit hört man das Brausen der Wasserfälle? Bei welcher Beschaffenheit der Luft entstehen die Lawinen? Und wie lange können diejenigen leben, die von ihnen eingewickelt werden? Der Schweizer Gebirgswanderer Johann Jakob Scheuchzer hatte viele Fragen an die Natur, er bedachte das "alte verlegne Eis auf den hohen Alpen" und spekulierte, "ob die, so erfrieren, von den Geburtsgliederen" her dem Tod entgegenglitten. Scheuchzers "Einladungsbrief zur Erforschung natürlicher Wunderen, so sich im Schweizerland befinden" wurde 1699 publiziert und fiel damit in eine Epoche, die als "wissenschaftliche Revolution" bezeichnet worden ist. Die Kinder dieser Revolution vermaßen die Natur, und ihre Enkel wollten liebend in ihr untergehen.

Indem die Welt klassifiziert wurde, entdeckten die Zeitgenossen einen Rest, der ihr Gefühl ansprach und also dem Reich der Kunst zugeschlagen wurde, wo die Schönheit und das Erhabene sich maßen. 1757 publizierte Edmund Burke seinen Aufsatz über das Erhabene und das Schöne. Wenn es einen Text gibt, der in Hansjörg und Ulf Küsters Quellensammlung zur europäischen Naturbetrachtung des achtzehnten Jahrhunderts fehlt, dann ist es eine Passage aus diesem Essay. Mit ihm begann der publizistische Wildwuchs: Es ist kein Zufall, daß kaum ein halbes Dutzend der mehr als sechzig Quellen im Buch der Brüder Küster aus der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts stammt.

Im übrigen ist die Sammlung von wunderbarer Vielfalt. Diderot und Buffon, Klopstock und Goethe, Hölderlin und Wieland und viele andere kommen zu Wort. Die meisten Texte der Sammlung wurden von deutschen Autoren geschrieben, von denen wundersamerweise fast jeder zweite den Namen Johann trägt. Die Reibung zwischen Erwägungen der Nützlichkeit und der Ästhetik befruchtete die Wahrnehmung der Natur. Durch Berg und Tal plätschern die Quellen. Die Stücke handeln von Wildnissen und Idyllen, von der Theorie des Ackerbaus oder der Sorge über die Holzverknappung. Der Raum für die Gartengestaltung ist erfreulicherweise begrenzt - der englische Landschaftsgarten und Frankreichs cartesische Buchsbaumsoldaten haben genug von sich reden gemacht. Lieber erfährt man, daß Sophie de La Roche 1772 "eine Idylle auf Zürcher Porzellan" in Auftrag gab: Die Schnitter nach der Ernte, abgemattet neben den gebundenen Garben, dabei der Herzog von Trier und Sophies Gemahl. "La Roche sieht seinen Herrn mit verdoppelter Liebe an", spezifizierte Sophie, "ich segne ihn und hebe mit einer behenden Träne im Aug einen Strohhalm auf, den unser Kurfürst in diesem Augenblick betreten hatte . . . O wenn Gessner eine Idylle daraus machte." 1773 hatte Gessner immer noch nicht geliefert. Aber der Arzt Albrecht von Haller hatte die "Höhenstufen der Alpen" bestimmt. Und Matthias Claudius dichtete wenig später eine "Serenate, im Walde zu singen".

Manch einer suchte das Natürliche in der Fremde: "Ha! sind nicht meist der Freud' und Unschuld Spuren, / Verschwunden in Europia?" adressierte Friedrich Wilhelm August Schmidt die Bewohner der Freundschaftsinseln, "die trifft man nur auf euren Bambusfluren, / Und eia! wär' ich da!" Johann Jakob Ferber für sein Teil ist tatsächlich angekommen: In den siebziger Jahren unternahm er viele Male einen "Spaziergang zum Pausilip", er hat ihn beschrieben und fand ihn so reizend, "daß ich mir nichts als Ihre Gesellschaft noch dabei wünschen würde". Die Einladung sei allen Lesern anempfohlen. Nur eines sollten sie wissen: In diesem Park gibt es keine Wege und kein Geländer. Was von den Texten und den Autoren zu halten sei, das muß jeder für sich allein herausfinden.

Hansjörg und Ulf Küster (Hrsg.): "Garten und Wildnis". Landschaft im 18. Jahrhundert. Verlag C. H. Beck, München 1997. 366 S., 11 Abb., geb., 44,- DM.

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