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In der NS-Propaganda galt das Lager Theresienstadt, nördlich von Prag gelegen, als »jüdisches Siedlungsgebiet«. Tatsächlich ist es aber eine Zwischenstation zur Deportation in die Vernichtungslager gewesen. Schwer vorstellbar, aber es gab dort, im Wartesaal des Todes, über zwei Jahre eine Fußballiga auf hohem Niveau und mit großen Zuschauerzahlen.Das von der jüdischen Selbstverwaltung im Lager organisierte Kultur- und Sportleben lässt sich nicht als eine der NS-Propaganda genehme Ablenkungsaktion abtun. Überlebende betonten immer wieder, dass Fußballspielen oder Zuschauen einen »Augenblick der…mehr

Produktbeschreibung
In der NS-Propaganda galt das Lager Theresienstadt, nördlich von Prag gelegen, als »jüdisches Siedlungsgebiet«. Tatsächlich ist es aber eine Zwischenstation zur Deportation in die Vernichtungslager gewesen. Schwer vorstellbar, aber es gab dort, im Wartesaal des Todes, über zwei Jahre eine Fußballiga auf hohem Niveau und mit großen Zuschauerzahlen.Das von der jüdischen Selbstverwaltung im Lager organisierte Kultur- und Sportleben lässt sich nicht als eine der NS-Propaganda genehme Ablenkungsaktion abtun. Überlebende betonten immer wieder, dass Fußballspielen oder Zuschauen einen »Augenblick der Menschlichkeit« darstellte, in dem sich alle als Individuen fühlen konnten.Der in seiner Heimat als Institution geltende Sportjournalist Frantisek Steiner (1925-2013) hat unter Mitarbeit von Zeitzeugen ein ebenso berührendes wie ermutigendes Buch über die Geschichte des Fußballs im Lager Theresienstadt verfasst. Stefan Zwicker hat es übersetzt, ausführlich erläutert, ergänzt und mit einem Kommentar in den Stand der geschichtswissenschaftlichen Forschung zum Thema eingeordnet. Es ist ein beeindruckendes Zeugnis dafür, wie der Fußball Mut zum »Weiterleben« machen konnte, auch angesichts existentieller Bedrohung.
Autorenporträt
Frantisek Steiner (1925-2013) war sowohl in der Zeit des Sozialismus als auch nach der Wende einer der bekanntesten tschechischen Sportjournalisten. Während der NS-Besatzungszeit wurde er als "Halbjude" verfolgt.Dr. Stefan Zwicker ist Historiker, Literaturwissenschaftler und Übersetzer. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Themen der Erinnerungskultur, die deutsch-tschechischen Beziehungen und die Sportgeschichte.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.01.2018

Im Angesicht
des Todes
František Steiners Bericht
über Fußball in Theresienstadt
Das Spiel war dynamisch, die Akteure kämpften aufopferungsvoll, es fielen Tore, allen machte es große Freude. Nicht nur den 22 Akteuren auf dem Platz, sondern auch mehreren Tausend Zuschauern. Ein paar Szenen von jenem Fußballspiel sind auf Zelluloid verewigt, in dem Dokumentarfilm „Theresienstadt. Bericht aus dem jüdischen Siedlungsgebiet“, der unter der nicht offiziellen Bezeichnung „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“ bekannt wurde. Der Film war NS-Propaganda, er sollte der Weltöffentlichkeit, vor allem dem Roten Kreuz, eine Idylle vorgaukeln.
Überlebende des KZ Theresienstadt berichteten, dass diese Fußballpartie brüsk abgebrochen wurde, als der Kameramann glaubte, genügend Gute-Laune-Bilder im Kasten zu haben. SS-Leute jagten Akteure und Zuschauer zurück ins Lager, zur Zwangsarbeit. Doch wurde innerhalb des KZ unweit von Prag, das eine Zwischenstation zu den Vernichtungslagern im besetzten Polen war, regelmäßig Fußball gespielt, es gab sogar zwei Ligen, geduldet von den Aufsehern der SS. Der „Sport im Angesicht des Todes“, wie es ein Überlebender nannte, war eine besonders zynische Methode, die Arbeitsmoral zu heben; er sollte aber auch Energien binden, um einer Rebellion der Gefangenen vorzubeugen. Manchen von ihnen aber gab er auch Kraft zum Überleben.
Der Bonner Historiker Stefan Zwicker, ein Spezialist für die deutsch-tschechischen Beziehungen, hat nun einen detail- und anekdotenreichen Bericht darüber aus der Feder des bekannten Prager Sportkommentators František Steiner übersetzt und ausführlich kommentiert. Steiners Vater hat als „Halbjude“ Theresienstadt überlebt, ist aber wenige Jahre nach dem Krieg an den Folgen der Entbehrung gestorben. Der Sohn hat intensive Recherchen zu diesem wenig bekannten Kapitel aus der deutschen Vernichtungsmaschinerie angestellt. Sein ebenso farbiger wie beklemmender Bericht, streckenweise von sarkastischem Humor durchzogen, erschien vor acht Jahren. Das Thema wurde stets kontrovers diskutiert, denn die Akteure waren privilegiert, sie bekamen größere Essensrationen und mussten weniger harte physische Arbeit leisten als ihre Schicksalsgenossen.
Einige frühere Spitzenspieler aus der Tschechoslowakei und Österreich liefen für die KZ-Mannschaften auf, die die einzelnen Arbeitsabteilungen aufstellten. Da das Spielfeld, ein Exerzierplatz, nicht die Ausmaße eines normalen Fußballfeldes hatten, zählte jede Mannschaft nur sieben Spieler. In der „Ghettoliga“ verliefen die Spiele oft turbulent, bei der Meisterschaft 1943 gab es im Durchschnitt acht Treffer pro Partie. Doch die meisten der jüdischen Sportler überlebten nicht, von Theresienstadt gingen zahllose Transporte nach Auschwitz.
THOMAS URBAN
František Steiner:
Fußball unterm gelben Stern. Die Liga im Ghetto Theresienstadt 1943-44. Herausgegeben und übersetzt von Stefan Zwicker. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2017,
195 Seiten, 26,90 Euro. E-Book: 21,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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