Marktplatzangebote
12 Angebote ab € 15,99 €
  • Buch mit Leinen-Einband

"...auch werde ich keiner Frau ein Abtreibungsmittel geben." Obwohl dies schon im Eid des Hippokrates so festgehalten ist, kannte die antike Medizin selbstverständlich solche Mittel. Zeugung und Geschlecht, der Frauenkörper, Geburtshilfe und Gynäkologie, Frauen und Medizin, Frauenmedizin als Beruf: Die ausgewählten medizinischen Texte zu diesen Bereichen vermitteln höchst interessante Einsichten in ein wenig bekanntes Kapitel europäischer Kulturgeschichte.

Produktbeschreibung
"...auch werde ich keiner Frau ein Abtreibungsmittel geben." Obwohl dies schon im Eid des Hippokrates so festgehalten ist, kannte die antike Medizin selbstverständlich solche Mittel. Zeugung und Geschlecht, der Frauenkörper, Geburtshilfe und Gynäkologie, Frauen und Medizin, Frauenmedizin als Beruf: Die ausgewählten medizinischen Texte zu diesen Bereichen vermitteln höchst interessante Einsichten in ein wenig bekanntes Kapitel europäischer Kulturgeschichte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2000

Der Tempelschlaf der Griechinnen
Eine Quellensammlung zur antiken Gynäkologie

Im Zuge der Intensivierung frauengeschichtlicher Forschung treten zunehmend die gynäkologischen Schriften der antiken Medizin in das Blickfeld der Wissenschaft. Daher ist es zu begrüßen, dass nun in der Tusculum-Bücherei eine zweisprachige Auswahl solcher Texte vorgelegt wird, philologisch von Ulrich Huttner, medizinhistorisch von der Althistorikerin Charlotte Schubert betreut und mit ausführlichen Erläuterungen versehen. Die ausführliche Einführung unterrichtet über unsere Quellen - also vor allem über die medizinischen und gynäkologischen Schriften - und über die unterschiedlichen medizinischen Schulen, über die Entwicklung der antiken Medizin überhaupt und dann über die Frauenmedizin im Besonderen. Die Erläuterungen zu den einzelnen Quellenstellen selber bestehen leider eher nur aus einer Paraphrase der Texte. Es wird versäumt, sie kritisch etwa den heutigen empirischen Kenntnissen gegenüberzustellen.

Aus den Quellen - hauptsächlich das hippokratische Corpus des fünften bis dritten Jahrhunderts vor Christus sowie die Mediziner Celsus, Soranos von Ephesos und Galenos von Pergamon, alle drei aus der römischen Kaiserzeit - ergibt sich, dass die medizinischen Vorstellungen zunächst "hochspekulativ" waren, durch Aristoteles eine empirische Wende nahmen und dass erst im Hellenismus durch die jetzt vorgenommenen Sektionen die anatomischen Kenntnisse einigen Realitätsbezug bekamen. Neben dieser wissenschaftlich-rationalen Medizin gab es die kultischen Heilmethoden in den Askleiposheiligtümern, vor allem in Gestalt des Heilschlafes, die in der gesamten Antike weiter praktiziert wurden und die anscheinend nicht in direkte Konkurrenz zur Schulmedizin traten. Zwischen den Hebammen, die einen durchspezialisierten Frauenberuf hatten, und den Medizinern gab es keine Rivalität, sondern viele Berührungspunkte, wobei nicht klar ist, wie sich die mündlich tradierten praktischen Kenntnisse dieser Frauen zu den von den Männern verfassten medizinischen Schriften verhielten. Einige dieser Schriften waren sogar Hebammen gewidmet - ob es da in Hebammenkreisen manches Augurinnenlächeln gegeben hat ob der Ahnungslosigkeit tolpatschiger Männer?

Über die im engeren Sinne medizinischen Tatbestände hinaus gibt das Buch auch andere wissenswerte Hinweise, so über antike Verhütungs- und Abtreibungsmittel (meist recht wirksam) oder über die nicht bis ins letzte geklärte Frage, ob Abtreibung strafbar gewesen sei - die Formulierung des hippokratischen Eides ist nicht eindeutig, und ein im römischen Recht befindliches Abtreibungsverbot bezog sich wohl nur darauf, dass dem Ehemann auf diese Weise nicht die Nachkommenschaft entzogen werden solle. Menschliches Leben begann nach antiker Auffassung erst mit dem ersten Atemzug des Kindes, und auch das Leben des Säuglings galt wenig, wie die üblichen Kindesaussetzungen zeigen.

Im Übrigen macht sich bei der Lektüre der antiken Texte einige Erschütterung breit über die zum Teil abenteuerlichen Vorstellungen, die hinsichtlich Anatomie, Physiologie, Pathologie und Therapie bestanden und die in der ärztlichen Praxis zum Teil schreckliche Folgen gehabt haben dürften. Das soll hier nicht weiter ausgebreitet werden. Immerhin wurde ständig mit Analogien zum Staats- oder Gesellschaftskörper operiert, es galt das Dogma der vier Säfte, die den menschlichen Körper bestimmten, oder die Vorstellung, dass der männliche Körper trocken, der weibliche feucht sei, mit entsprechenden Folgen für Diagnose und Therapie. Die Anatomie hatte es trotz nicht geringer Fortschritte schwer, so wurden die Ovarien als weibliche Hoden betrachtet; noch Soran meinte, Empfängnis finde nur bei dem Orgasmus der Frau statt; und die Vorstellung, dass es einen weiblichen Samen gebe, wurde erst im neunzehnten Jahrhundert aufgegeben. Wenn an dem instruktiven Buch etwas zu bemängeln ist, dann dieses, dass es nur deskriptiv vorgeht und die damaligen Vorstellungen nicht den heutigen Erkenntnissen der Medizin gegenüberstellt. Bei allem Kulturpessimismus kann man - und frau - dennoch froh sein, dass wir es in diesem Punkte jedenfalls wirklich herrlich weit gebracht haben.

WOLFGANG SCHULLER

"Frauenmedizin in der Antike". Griechisch - lateinisch - deutsch. Herausgegeben und übersetzt von Charlotte Schubert und Ulrich Huttner. Artemis & Winkler, Düsseldorf 1999. 576 S., geb., 88,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wolfgang Schuller begrüßt nachhaltig diese zweisprachige Herausgabe antiker Schriften zur Medizin, die noch dazu mit "ausführlichen Erläuterungen" glänze. So erfahre man etwas über die Quellen selbst, über die unterschiedlichen medizinischen Schulen, die Entwicklung der antiken Medizin im Allgemeinen und der Frauenmedizin im Besonderen. Die Lektüre hat dem Rezensenten die ein oder andere Gänsehaut beschert angesichts der zum Teil phantastischen Vorstellungen der Antike von der menschlichen Anatomie. Schuller bedauert nur, dass die Autoren/Herausgeber sich vor allem auf das Beschreiben konzentrieren und den antiken medizinischen Kenntnissen keine heutigen gegenübergestellt haben.

© Perlentaucher Medien GmbH