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Georg Arbogast von und zu Franckenstein (1825-1890) war einer der bedeutendsten Parlamentarier der Bismarckzeit: in zähen Verhandlungen mit dem Reichskanzler gelang es ihm, seine Vorstellungen in der Zollpolitik durchzusetzen. König Ludwig II. von Bayern rief ihn kurz vor seinem Tod zu sich: Franckensteins eingehender Bericht über die ungeklärten Vorgänge im Sommer 1886 in Bayern ist hier zum ersten Mal veröffentlicht.
Karl Otmar von Aretin wirft durch seine Bearbeitung des bisher unveröffentlichten Nachlasses von Franckenstein neues Licht auf zentrale Aspekte der Innenpolitik Bismarcks und
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Produktbeschreibung
Georg Arbogast von und zu Franckenstein (1825-1890) war einer der bedeutendsten Parlamentarier der Bismarckzeit: in zähen Verhandlungen mit dem Reichskanzler gelang es ihm, seine Vorstellungen in der Zollpolitik durchzusetzen. König Ludwig II. von Bayern rief ihn kurz vor seinem Tod zu sich: Franckensteins eingehender Bericht über die ungeklärten Vorgänge im Sommer 1886 in Bayern ist hier zum ersten Mal veröffentlicht.

Karl Otmar von Aretin wirft durch seine Bearbeitung des bisher unveröffentlichten Nachlasses von Franckenstein neues Licht auf zentrale Aspekte der Innenpolitik Bismarcks und auf das tragische Schicksal Ludwigs II. So erhält der Leser Einblicke in das Leben eines zu Unrecht vergessenen Politikers und wird zugleich Zeuge der großen politischen Fragen der Epoche (u.a. Sozialistengesetze, Kulturkampf). Der Reichskanzler, der an dem hochgewachsenen fränkischen Baron Gefallen hatte, gewann Franckenstein für die Gestaltung der Sozialgesetze, die bis in die heutige Zeit nachwirken. Als Vertrauter des Königs war er eng mit der bayerischen Königstragödie verbunden. Im letzten Augenblick vom König nach Neuschwanstein gerufen, konnte Franckenstein den dramatischen Verlauf der Ereignisse nicht mehr abwenden ...
Autorenporträt
Karl O. von Aretin, geboren 1923, Schüler von Franz Schnabel, war Ordinarius für Neuere Geschichte an der Universität Darmstadt und Direktor des Instituts für Europäische Geschichte in Mainz. Mitglied der österreichischen Akademie der Wissenschaften, 1982 Mitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; Ehrenmitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Budapest; 1998 Mitglied der Britischen Akademie, London.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.03.2004

Zwischen Leo und Otto
Das Zentrum im bismarckischen Pseudoparlamentarismus: Karl Otmar von Aretin porträtiert Georg Arbogast Freiherr von und zu Franckenstein
Es ist eine glückliche Koinzidenz, dass der Historiker des Alten Reichs, Karl Otmar von Aretin, in diesen Tagen, da die auf Bismarck zurückgehende Sozialgesetzgebung einer Revision unterzogen wird, eine quellengesättigte Biographie des Zentrums-Abgeordneten Georg Arbogast Freiherr von und zu Franckenstein vorlegt. Dank Franckensteins vermittelnder Tätigkeit gelang es Bismarck, in den frühen 1880er Jahre ein umfangreiches Sozialversicherungsprogramm durch den Reichstag zu bringen: das Arbeiterunfall- und das Krankenkassengesetz, mit denen erstmals das Prinzip eines staatlich garantierten Versicherungsschutzes für abhängig Beschäftigte verankert wurde. Der technisch-fiskalische Aspekt dieser sozialpolitischen Innovation wurde durch die so genannte „Franckenstein-Klausel” ermöglicht, die bestimmte, dass die dem Reich zufließenden Mehreinnahmen aus dem steigenden Aufkommen der von Bismarck inaugurierten Schutzzollgesetzgebung jenseits einer Kappungsgrenze von 130 Millionen Reichsmark anteilig den deutschen Einzelstaaten zuflössen.
Fragen des Steuer- und Haushaltsrechts rühren allemal daran, wer in einem Staat die politische Macht ausübt. Das Haushaltsrecht im Bismarckreich war von seinem Schöpfer so angelegt, dass der Reichstag nur über einen vergleichsweise geringen Anteil am gesamten Aufkommen an Steuern, Zöllen und sonstigen Abgaben entscheiden konnte. Für den größten Haushaltsposten, das Militärbudget, galt beispielsweise die Septennatsregelung, die dem Reichstag nur alle sieben Jahre die patriotische Pflicht erlaubte, die ihm vorgelegten Rüstungsausgaben abzunicken. Dennoch lamentierte Bismarck unentwegt, das Reich sei „ein lästiger Kostgänger bei den Einzelstaaten”, was besagen wollte, dass der Reichstag seinem Geschmack nach über zu viele Kompetenzen im Haushaltsrecht verfüge und er folglich nicht ohne Einreden „unzünftiger Politiker” und „naseweiser Kammerzelebritäten” politisch schalten und walten könne.
Mit diesem Gejammer tarnte Bismarck eine Verlegenheit, die ihm jenseits der Budgetkompetenzen des Reichstags mehr und mehr Verlegenheiten bereitete. Mit der Spaltung und dem daraus resultierenden parlamentarischen Niedergang der Nationalliberalen, auf deren bedingungslose Unterstützung sich Bismarck in der ersten, der liberalen Phase des Reichs von 1871 verlassen konnte, sah er sich zunehmend häufiger mit der Notwendigkeit konfrontiert, opportunistische Mehrheiten für seine immer offensichtlichere anti-liberale Politik im Reichstag mit den Mitteln von Lockung und Drohung zusammenzuschirren.
Dabei wurde die katholische Zentrumspartei als Mehrheitsbeschafferin stetig bedeutsamer. Das war nicht ohne bittere Ironie, denn das Zentrum war ausgerechnet die Partei gewesen, die von ihm als „reichsfeindlich” gebrandmarkt den willkommenen Watschenmann abgab, den er brauchte, um die „Verpreußung” des Reichs, die Bedingungen von dessen politisch-kultureller Identität in Tateinheit mit den ihm ergebenen Nationalliberalen durchsetzen zu können.
Das Mittel zu diesem Zweck war der „Kulturkampf”, den Bismarck im Januar 1872 gegen den politischen Katholizismus im Reich, repräsentiert durch die im Spätjahr 1870 gegründete Zentrums-Partei vom Zaume brach. Als Feindbild eignete sich diese Partei für Bismarck vor allem aus zwei Gründen: Zum einen war sie das Sammelbecken all jener, die zu den Verlierern und, eo ipso, zu den potentiellen Gegnern seiner Reichsgründung gehörten. Das waren neben den Polen in Preußen, den Elsaß-Lothringern, den hannoverschen „Welfen”, die ihm nicht den „Kronenraub” verziehen, vor allem die partikularistisch-katholischen Elemente in Süd- und Westdeutschland, die sich durch das protestantisch geprägte preußisch-deutsche Reich in die Minderheit gedrängt sahen. Außerdem fühlten sie sich in ihrer sozialen und wirtschaftlichen Existenz durch die liberale Wirtschaftspolitik bedroht, die Bismarck zunächst einschlug.
Zum weiteren erschien Bismarck das Zentrum als besonders gefährlich, weil es für einen Konservatismus einstand, der mit seiner Grundhaltung lediglich den Begriff gemein hatte: Bismarcks Konservatismus war einem preußischen Partikularismus verpflichtet, der seinen Niederschlag in seinem Reichs- und Staatsverständnis fand, das preußisch-unitarisch bestimmt, während der Konservatismus des Zentrums föderalistisch gesinnt war. Sein besonderes Gepräge erhielt der „Kulturkampf” durch die so genannten „Mai-Gesetze” von 1873, die nichts anderes waren als eine massive Einmischung des Staates in rein kirchliche Belange. Sie gipfelten 1875 in einer Aufhebung aller Klöster mit Ausnahme jener Orden, die in der Krankenpflege tätig waren.
In dem Maße jedoch, wie sich Bismarck den Liberalen entfremdete, er gleichzeitig in der Sozialdemokratie eine neue, „reichsfeindliche” Kraft erkannte, erschien ihm mit einem Mal das Zentrum in neuem Licht. Dessen Reichstagsfraktion würde er brauchen, um sich die ihm genehme konservative Mehrheit zu verschaffen. Der Preis, den er für diesen Sukkurs entrichten musste, war selbstverständlich eine Beendigung des „Kulturkampfs”, eine Zurücknahme der kirchenfeindlichen Gesetze. Daran war nicht nur dem Zentrum gelegen, das ein besonderes Interesse daran hatte, Bismarck nur zu einem möglichst hohen Preis aus seiner Mehrheitsverlegenheit zu befreien, sondern auch der Vatikan, dessen Interessen nicht notwendigerweise mit denen des Zentrums identisch waren.
In direkten Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl konnte Bismarck das Zentrum überspielen, das sich vom Vatikan bedrängt sah, einen Friedensschluss nicht durch allzu hohe Forderungen hinauszuzögern. In diesem Ballett spielte der führende Zentrumsabgeordnete und süddeutsche Standesherr von und zu Franckenstein eine bedeutende Rolle, wie von Aretin detailliert aufzeigt. Durch markante Gunstbeweise, mit denen Bismarck Franckenstein auszeichnete, gelang es ihm überdies, zwischen diesen und den „welfischen” Zentrumsführer Windthorst einen Keil zu treiben, der dazu beitrug, dass der „eiserne Kanzler” einen Frieden mit der römischen Kirche schließen konnte, der im wesentlichen seinen Bedingungen entsprach.
Auch wenn dies nicht das eigentliche Thema des Buchs von Aretins ist, so liegt dennoch in der Schilderung, wie die Zentrums-Partei zwischen Papst Leo XIII. und Otto von Bismarck als eine eigenständige politische Kraft im Zusammenhang mit jenen „Friedensverhandlungen” vernichtet wurde, eine Brisanz, die weit über die Person des heute keineswegs zu Unrecht vergessenen Freiherrn von und zu Franckenstein hinausweist. Das zeigt, dass das Zentrum schon lange vor seinem Sündenfall, der Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz von 1933, seine politische Potenz für einen faulen Frieden an eine falsche Obrigkeit verraten hatte, indem es vor den Winken des Vatikan in kirchenfrommer Hörigkeit allzu bereitwillig kuschte. Besonders verstörend ist in diesem Zusammenhang, dass ausgerechnet das Zentrum, dem der „Kulturkampf” hinsichtlich Bismarcks machiavellistischer Dämonie mehr als ein schwaches Kirchenlicht hätte aufstecken müssen, diesem bei der Verfolgung der Sozialdemokratie bereitwillig zur Hand ging.
JOHANNES WILLMS
KARL OTMAR VON ARETIN: Franckenstein. Eine politische Karriere zwischen Bismarck und Ludwig II.. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2003. 361 Seiten, 27,50 Euro.
Georg Arbogast Freiherr von und zu Franckenstein.
Foto: Bayerische Staatsbibl.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Viel erzählt uns Johannes Willms nicht von diese Biografie, und auch über den Zentrums-Abgeordneten Georg Arbogast Freiherr von und zu Franckenstein erfahren nicht viel. Kein Wunder, findet ihn Willms doch "keineswegs zu Unrecht vergessen". Also zürnt Willms heftig über Bismarck, seinen Kulturkampf und das katholische Zentrum, das nicht seine Macht für einen "faulen Frieden an eine falsche Obrigkeit" verriet, sondern dieser auch noch bei der Verfolgung der Sozialdemokratie zur Hand ging. Aber, schließt der Rezensent, darum geht es in dem Buch nicht. So bleiben wir ein wenig ratlos zurück, bedanken uns aber für die Auffrischung unseres Gedächtnisses.

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