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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.04.2009

Müde und triefnass
Carl Hiaasen: „Fette Fische”
Noah und seine jüngere Schwester Abbey sind Kummer mit ihrem Vater gewohnt. Immer wieder schießt Paine Underwood in seinem Kampf gegen Umweltsünder übers Ziel hinaus, wird handgreiflich, übt Selbstjustiz: „Manchmal gehen mir eben einfach die Pferde durch.” Diesmal jedoch hat sich Paine selbst übertroffen. Er hat die „Coral Queen”, das Kasinoschiff des schmierigen Dusty Muleman, in der Bucht der Florida Keys versenkt. Weil er sich sicher ist, dass Dusty die Abwassertanks einfach in den Hafen kippt, anstatt sie kostspielig zu entsorgen. Jetzt sitzt er im Gefängnis, gibt Interviews, in denen er seine Tat als „Akt zivilen Ungehorsams” preist und sich mit Nelson Mandela vergleicht.
Es geht in Carl Hiaasens Jugendökokrimi „Fette Fische” um die Wahl der rechten Mittel. Um den Fieslingen dieser Welt, geldgierigen Geschäftsleuten wie korrupten Beamten und betriebsblinden Politikern, das Handwerk zu legen, ist militanter Weltverbesserungsaktionismus ein schlechter Ratgeber. Nicht zuletzt haftet ihm etwas Lächerliches an – Noah und Abbey schämen sich immer auch ein wenig für ihren Vater, der mit seinem Übereifer nur sich selbst und seiner Familie schadet. Schließlich kommt er gegen Kaution und mit der Auflage, einen Aggressionsberater aufzusuchen, wieder frei. Von der Schuld Dustys sind natürlich die Heranwachsenden ebenso überzeugt wie ihr Dad. Allerdings gehen sie mit List und Tücke vor, um ihm seine Verbrechen nachzuweisen: Sie legen eine weithin sichtbare, verräterische Spur. Unterstützung finden sie in der abgehalfterten Bardame Shelly, die noch eine Rechnung mit Dusty offen hat. Und in einem mysteriösen Mann, der, wie ein deus ex machina, immer dann auftaucht, wenn es für die beiden ungemütlich wird. Etwa wenn sie Dustys Sohn Jasper begegnen, einem Schläger. Der Fremde erinnert Noah an einen Piraten.
„Fette Fische” aus dem Jahre 2005 ist Carl Hiaasens zweites Jugendbuch nach „Eulen”. Auch in dem drei Jahre zuvor erschienenen „Eulen” geht es um Umweltzerstörung im Sunshine State; ein Thema, das Hiaasen beschäftigt, seit er Mitte der siebziger Jahre zu schreiben begonnen hat. Erst für den Miami Herold, für den er noch heute regelmäßig als Kolumnist tätig ist; dann als freier Schriftsteller. Bereits sein Debüt „Tourist Season” von 1986 geißelt Skrupellosigkeit im Umgang mit der Natur. Doch Hiaasen ist kein miesepetriger Moralist. In erster Linie will er unterhalten, der Observer nannte ihn einmal den „Meister der Krimi-Comedy”. Hiaasen weiß, wie man Spannung erzeugt. So erhöht er in „Fette Fische” stetig das Erzähltempo, bis die Geschichte in jenen zwei Kapiteln kulminiert, in denen Noah seine Falle stellt, ertappt wird und um sein Leben rennen und schwimmen muss. Danach sind erst einmal Held wie Leser gleichermaßen außer Atem: „Zuerst konnte ich kein Wort sagen – ich saß einfach da, triefnass, und keuchte wie ein müder alter Hund.”
FLORIAN WELLE
Eine verräterische Spur Abb: Christoph Hoppenbrock
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