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Produktdetails
  • Verlag: Eichborn
  • Seitenzahl: 95
  • Abmessung: 250mm
  • Gewicht: 318g
  • ISBN-13: 9783821802800
  • Artikelnr.: 24802123
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.02.2010

Den Verstand verkauft
Die Finanzwirtschaft gilt als vergesslich, denn Spekulanten mögen sich nicht an hohe Verluste erinnern. „Es gibt nur wenige Bereiche menschlichen Handelns, in denen die Geschichte so wenig zählt, wie in der Welt des Geldes."
John Kenneth Galbraith hat diese Zeilen vor 20 Jahren geschrieben, in seinem Buch „Eine kurze Geschichte der Spekulation”. Es ist frappierend, wie recht der 2006 verstorbene Ökonom mit seiner Einschätzung hatte und noch hat. Spekulanten kennen nur das Heute und Morgen, Vorsicht ist ihnen fremd, gerade wenn alle unvorsichtig werden. „Finanzgenie ist man nur bis zum Bankrott”, schrieb Galbraith. Solche Bonmots rechtfertigen die Wiederauflage des Buches in deutscher Sprache. Es ist ein Lesevergnügen.
Allerdings stimmt die Lektüre auch nachdenklich. Galbraith ging davon aus, dass das Gedächtnis in Finanzdingen höchstens 20 Jahre zurückreiche. So lange würde es dauern, bis eine neue Generation von Spekulanten einziehe, die sich nicht mehr an die vorherige Katastrophe erinnern könne. „Von ihrer eigenen Genialität überzeugt, räumt diese Generation dann irgendeiner Abart des alten Schwachsinns die Chance ein, erneut den ökonomischen Verstand zu übertölpeln”, schreibt Galbraith. Aber 20 Jahre? Seit 1998 hat die Welt mit der Asienkrise, der Internetblase und der Finanzkrise dreimal eine Katastrophe erlebt. Immer kürzer werden die Abstände zwischen Hausse und Baisse. Immer schneller verblasst die Erinnerung, oder wird sie unterdrückt? Immer schneller sind die Börsianer wieder von ihrer eigenen Genialität überzeugt. Es ist schlimmer geworden, als Galbraith angenommen hat.
Das Wesen der Spekulation ist sich treu geblieben, hierzu hat Galbraith ewige Weisheiten geschrieben, die Häufigkeit der Spekulationsexzesse hat jedoch zugenommen.
Galbraith war zeitlebens ein Querdenker, er hat die psychologischen Untiefen der Spekulation in einprägsamen Sätzen formuliert, so wie es vielleicht nur dem Briten John Maynard Keynes gelungen ist. Der 1908 geborene Sohn schottischer Einwanderer studierte im kanadischen Ontario Agrar- und Volkswirtschaft. Früh bemerkte Galbraith, dass die Gier des Einzelnen immer gefährlich ist, und zwar für das System. Kein Wunder, dass Galbraith skeptisch war, wenn die Welt vor Euphorie Kopf stand.
Von den hochbezahlten und mächtigen Finanzprofis hielt er wenig. Er sprach von der „trügerischen Vorstellung, Geld und Intelligenz müssten miteinander einhergehen”. Das sei ein großes Missverständnis, und zwar aus folgendem Grund: Großen Banken mit Managern, die hohe Gehälter haben, komme große Ehrerbietung zuteil, weil die einfachen Menschen vom Reichtum beeindruckt sind. Die Adressaten der Ehrerbietung ihrerseits fühlen sich geschmeichelt und beginnen übermütig zu werden, weil sie denken: „Wenn ich so behandelt werde, muss ich ja klug sein.” Daraus leitet Galbraith ab, dass sich Banken irgendwann selbst überschätzen, und dann sei es nicht mehr weit in die Katastrophe: wie 1929 und wie 2007. „Die Spekulation kauft in einem sehr handgreiflichen Sinn den Verstand der Beteiligten auf.”
Natürlich müsste das Buch Pflichtlektüre sein für Politiker, Anleger und Finanzprofis. Natürlich könnte die Lektüre das Misstrauen schärfen. Doch lässt sich allein dadurch die nächste Krise verhindern? Wenn die Aktienkurse steigen und die Menschen sich mehr leisten können, dann ist es sehr schwer, mit Mahnungen durchzudringen. Galbraith ist auch skeptisch und zitiert den Briten Walter Bagehot mit den Worten: „Die Menschen sind am leichtgläubigsten, wenn sie am glücklichsten sind.” Markus Zydra
John Kenneth Galbraith: Eine kurze Geschichte
der Spekulation.
Eichborn Verlag,
Frankfurt am Main 2010. 128 Seiten. 14,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.05.2010

Spekulationswellen enden mit tödlicher Sicherheit im Crash

Nach welchen psychologischen Regeln funktionieren die Finanzmärkte? Antworten schöpft John Kenneth Galbraith aus vier Jahrhunderten Kulturgeschichte.

Als der Wirtschaftswissenschaftler John Kenneth Galbraith im Jahr 1990 sein Büchlein "A Short History of Financial Euphoria" herausbrachte, gab es im öffentlichen Debattenraum keinen Platz dafür. Der real ausprobierte Gegenentwurf zu den westlich-marktwirtschaftlichen Demokratien war gerade im Begriff, gründlich zu scheitern. Die zivilisatorische Reflexion konzentrierte sich auf die Rekonstruktion der Überlegenheit der eigenen Anschauung und wurde in Thesen wie derjenigen, das Ende der Geschichte sei nun erreicht worden, bisweilen zu einer Eschatologie des modernen Kapitalismus. Was sollte in dieser Zeit eine Schrift, die das Siegersystem kritisiert und darlegt, warum auch Finanzmarktwirtschaften aus sich selbst heraus Probleme schaffen?

Jetzt, zwanzig Jahre später und unter dem Eindruck, dass die Geschichte offenbar doch weitergeht, ist der Text auf Deutsch erschienen unter dem Titel "Eine kurze Geschichte der Spekulation". Heute wirkt er wie maßgeschneidert, da die Welt die Folgen der größten Finanzkrise seit den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu bewältigen versucht. Und dies nicht nur, weil Galbraith aus vier Jahrhunderten Kulturgeschichte schöpft, um zu zeigen, dass große Finanzkrisen bisher gar nicht so selten vorgekommen sind. Oder weil er um klare Worte nicht verlegen ist. Sondern weil er Gemeinsamkeiten skizziert, die wenigstens den gedanklich systematischen Umgang mit diesen Schockereignissen ermöglichen. Immer komme vor der Krise die Spekulation.

"Durch irgendein Produkt oder eine Entwicklung, scheinbar neu und erstrebenswert, wird der wirtschaftliche Verstand beziehungsweise eher das, was man dafür hält, eingelullt", schreibt er. Und zwar ganz gleich, ob es um Tulpen in Holland, Gold in Louisiana oder Immobilien in Florida gehe. In einer Eigendynamik ist in jedem dieser Beispiele entweder der Preis der Objekte selbst oder derjenige daran gekoppelter Wertpapiere gestiegen. Tulpen wurden in den Niederlanden des Jahres 1636 beispielsweise zu Preisen zwischen umgerechnet fünfundzwanzigtausend und fünfzigtausend Euro verkauft, nachdem sie zu Beginn dieser Finanzblase nur als das angesehen und gehandelt wurden, was sie tatsächlich waren: Blumen eben.

Aber auch in den anderen Anekdoten haben jedes Mal anfängliche (übertriebene) Preissteigerungen weitere (übertriebene) Preissteigerungen ausgelöst. Letztendlich entfernte sich dabei nach Ansicht von Galbraith die Vorstellung über die Welt immer weiter von der Welt selbst, denn "in eine Spekulationsphase gewissermaßen eingebaut ist die Euphorie, die Massenflucht aus der Wirklichkeit, die jede ernsthafte Auseinandersetzung mit dem wahren Wesen der realen Abläufe vereitelt". Was zunächst unauffällig klingt, enthält tatsächlich seine zentrale These: Es sei nicht nur möglich, dass der Einzelne einen Fehler macht, auch die ganze Gesellschaft kann sich täuschen - der Irrtum, er kann eskalieren! Damit unterscheidet sich Galbraith paradigmatisch von der wirtschaftswissenschaftlichen Hauptströmung der vergangenen dreißig Jahre, nach welcher der Vorteil des Marktes gerade darin liege, dass zwar individuell falsche Entscheidungen getroffen werden können, aber der "Markt" selbst, die Meinung der vielen also, (immer) richtigliege. Für Galbraith tut er das nicht.

Dass schlimme Finanzkrisen immer wieder passieren, dass "der wiederholte Rückfall in den Schwachsinn" zu den Merkmalen des Kapitalismus gehört, hängt mit den idealisierten Annahmen vieler Denkmodelle in der Ökonomie zusammen. Galbraith diagnostiziert zum einen ein fehlendes historisches Bewusstsein. "Es gibt nur wenige Bereiche menschlichen Handelns, in denen die Geschichte so wenig zählt wie in der Welt des Geldes." Finanzielle Pleiten würden schnell vergessen, zumal dann, wenn eine neue Generation in die Berufe eintrete, in denen es um viel Geld gehe, schreibt er, der ehemalige Präsidentenberater und Harvard-Professor, der 1990 seinen zweiundachtzigsten Geburtstag feierte: "Erfahrungen der Vergangenheit werden, sofern sie überhaupt im Gedächtnis haftengeblieben sind, als simple Ausflucht derjenigen abgetan, die nicht über die notwendige Einsicht verfügen, die unglaublichen Wunder der Gegenwart zu würdigen."

Hinzu komme eine falsche Idee davon, was Leistung sei, die nach seinen Worten mitunter "trügerische Vorstellung, Geld und Intelligenz müssten miteinander einhergehen". Das müsse nicht so sein, ebenso wenig wie auch die Leitung etwa großer Banken oder Versicherungen nicht automatisch mit einer "ungewöhnlichen Intelligenz" gleichgesetzt werden dürfe. "In der Wirklichkeit stehen die Personen an der Spitze dieser Institutionen häufig deshalb dort, weil sie unter ihren Konkurrenten mental am berechenbarsten und daher verwaltungstechnisch am unproblematischsten waren; das kommt in großen Organisationen immer wieder vor."

Die Warnung des Autors, der im Jahre 2006 starb, lautet: "Wenn auf einem Markt eine besonders aufgeheizte Stimmung herrscht, wenn von einer einmaligen Gelegenheit geredet wird, die besonderen Weitblick voraussetzt, sollte jeder einen großen Bogen machen; es ist Vorsicht geboten."

ALEXANDER ARMBRUSTER

John Kenneth Galbraith: "Eine kurze Geschichte der Spekulation". Mit einem neuen Vorwort von Uwe Jean Heuser. Aus dem Englischen von Wolfgang Rhiel. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2010. 123 S., br., 14,95 [Euro].

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