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Sommer 1936. Wie jedes Jahr verbringt Jorge, ein ebenso erlebnishungriger wie grüblerisch aufbegehrender portugiesischer Junge, seine Ferien bei Onkel und Tante im Badeort Figueira da Foz. Das Gymnasium hat er hinter sich und genießt nun den fröhlichen Taumel der Ungebundenheit. Da bricht im benachbarten Spanien der Bürgerkrieg aus. Einige der Jungen planen eine heimliche Flucht, um sich auf der Seite der Republik in den Kampf zu stürzen. Jorge beginnt ein Liebesverhältnis mit Mercedes, der Schwester eines seiner Freunde. Sie aber ist bereits mit Almeida verlobt, einem erwachsenen Mann, der…mehr

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Produktbeschreibung
Sommer 1936. Wie jedes Jahr verbringt Jorge, ein ebenso erlebnishungriger wie grüblerisch aufbegehrender portugiesischer Junge, seine Ferien bei Onkel und Tante im Badeort Figueira da Foz. Das Gymnasium hat er hinter sich und genießt nun den fröhlichen Taumel der Ungebundenheit. Da bricht im benachbarten Spanien der Bürgerkrieg aus. Einige der Jungen planen eine heimliche Flucht, um sich auf der Seite der Republik in den Kampf zu stürzen. Jorge beginnt ein Liebesverhältnis mit Mercedes, der Schwester eines seiner Freunde. Sie aber ist bereits mit Almeida verlobt, einem erwachsenen Mann, der eine wichtige Rolle bei der geplanten Flucht spielt. Hier die zur Heimlichkeit verurteilte Liebe, dort Jorges immer stärkere Verstrickung in die schließlich katastrophal scheiternde Untergrundaktion - beide Stränge verknüpfen sich dramatisch und führen ihn in eine existentielle Krise.
Autorenporträt
Jorge de Sena, 1919 in Lissabon geboren, war Lyriker, Romancier, Essayist und Übersetzer. Sein erstes Gedicht wurde 1938 veröffentlicht. Ausgebildet als Ingenieur an der Universität Porto und lange im Straßenbauwesen tätig, emigrierte er 1959 aus Salazars Portugal nach Brasilien, wo er als Literaturwissenschaftler promovierte. Nach dem Militärputsch in Brasilien übersiedelte er 1965 in die USA und unterrichtete an den Universitäten von Wisconsin und Kalifornien portugiesische und spanische Literatur. Er starb 1978 in Santa Barbara. Feuerzeichen, sein einziger Roman, zwischen 1964 und 1970 geschrieben, konnte erst nach seinem Tod in Portugal erscheinen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.09.1998

Junge, du gefällst mir!
Die ewigen Sätze der Pubertät: Jorge de Senas "Feuerzeichen"

"Feuerzeichen" ist der einzige Roman des portugiesischen Schriftstellers Jorge de Sena. In den späten sechziger Jahren entstanden, konnte der Text in Portugal erst nach dem Tod des Autors (1978), der schon 1959 nach Brasilien und später von dort in die Vereinigten Staaten emigriert war, erscheinen. Zunächst als Ingenieur ausgebildet und im Straßenbau tätig, hatte Sena damals als Literaturwissenschaftler gearbeitet. Seine Gedichte, Erzählungen und Essays waren erst in den späten Lebensjahren veröffentlicht worden.

All das muß man wissen, wenn man sich an die Lektüre von "Feuerzeichen" macht. Denn dieser umfangreiche Roman sollte so etwas wie die Summe von Senas poetischen Arbeiten werden, eine große Epistel, die der gealterte Autor an den jungen Mann schrieb, der er einmal war. So ist der Text unverkennbar autobiographisch, doch nicht in dem Sinn, daß hier einer melancholisch seiner Jugend nachspürte. "Erinnerung" ist überhaupt nicht der Gestus von Senas Erzählen, sondern "Vergegenwärtigung". Sena schlüpft in den jungen Mann seiner frühen Jahre, er will ihm ganz nahe sein, ja er will wieder mit ihm verschmelzen. Das rückt sein Erzählen in die Nähe von Joyce' Bildnis des Künstlers als junger Mann oder in der Nähe von Gombrowicz' Ferdydurke, mit dem wichtigen Unterschied, daß Sena seine Pubertätsriten zu verschwenderischen Sprachexerzitien gemacht hat.

Im Mittelpunkt dieser Exerzitien steht Senas Alter ego, der junge Jorge, der sich nach der Schulzeit für längere Zeit bei Onkel und Tante in Figueira da Foz, einem Badeort am Meer, aufhält. Der Roman spielt im Sommer 1936, als die ersten Nachrichten vom Spanischen Bürgerkrieg auch den verschlafenen Ort erreichen und dort für große Unruhe sorgen. Sena hat die politischen Debatten in seinen Roman zu integrieren versucht, sie bleiben dem eigentlichen Geschehen aber weitgehend äußerlich, wirken wie herbeizitiert oder erscheinen einfach in Form von Radio- oder Zeitungsmeldungen.

Die eigentliche Unruhe, die den jungen Helden befallen hat, hat denn auch kaum etwas mit diesen politischen Themen zu tun, obwohl er im Verlauf des Romans von einem politisch völlig Ahnungslosen zu einem vage Begreifenden, Urteilenden wird. Thema von Senas Blick auf die Pubertät seines Helden ist vielmehr die innere Unruhe des allmählichen Erwachsenwerdens, die Auseinandersetzung mit den Freunden, die erste, leidenschaftlich erlebte Liebe, die ungebundene und exzessiv betriebene Sexualität. Sena ist in seinen Schilderungen weder prüde noch zurückhaltend, das tut dem Stoff gut, hat man es doch endlich einmal nicht mit dem klassischen jungen Empfindsamen zu tun, der sich vor lauter Weltschmerz nichts erlaubt und nichts traut.

Nach ersten Unsicherheiten weiß der junge Jorge vielmehr genau, was er will. Er wirbt um das schönste und attraktivste Mädchen des Freundeskreises, und er schafft es sogar, sie für sich zu gewinnen, obwohl sie sich bereits mit einem weitaus älteren Mann verlobt hat. Man liebt sich also heimlich, in wechselnden Verstecken, und gerade diese Heimlichkeit heizt der Liebe und dem jugendlichen Verlangen ein. Sena ist hier nicht zimperlich. Wie er in den Begegnungen der beiden Liebenden ganz deutlich wird, so wird er es auch in den Schilderungen der Orgien und Treffen, von denen die Freunde nicht genug bekommen können. In solchen Szenen bemerkt man, wie sehr dem gealterten Sena sein jugendlicher Vorläufer noch gefällt.

Gerade die Intensität dieser Rückbildung kommt andererseits dem Roman nicht zugute. Denn der Autor Sena will nicht nur aus der Distanz vieler Jahre seine Jugendzeit vergegenwärtigen, er ist auch geradezu süchtig nach dem Wiedererleben der vergangenen Stimmen. Das führt immer wieder dazu, daß Sena nicht loslassen kann. Die mangelnde Distanz zum Stoff führt zu einem sehr ungewöhnlichen Ausleben und Nachschmecken aller Einzelheiten. Selten hat man derart lange, auf der Stelle kreisende Dialoge gelesen wie in diesem Buch; selten spürt man den brennenden Wunsch nach einem 1:1-Realismus so sehr. Nirgends wird gestrafft, jede noch so entbehrliche Einzelheit wird immer wieder benannt, als bedürfte der Roman einer bestimmten Vollständigkeit.

All diese Mängel beschweren das Buch, sie machen es beinahe unverdaulich. Man spürt die Erregung des Autors, man spürt seinen Willen, sich dem Geschehen ganz auszuliefern, gerade dadurch aber dringt in der Erzählstoff des Romans ein Moment des mündlichen autobiographischen Berichts ein. Man glaubt, jemandem zuzuhören, der nicht kürzen, auswählen, nicht gestalten kann; man glaubt, einem alten Erzähler zu begegnen, der in tiefer Nacht ununterbrochen mit sich selber spricht.

Diese Erzählhaltung stört vor allem dann, wenn Sena sich in die grübelnden Reflexionen seines jungen Helden vertieft. Auch ihnen folgt er, als dürfte er sie nicht zuspitzen oder schärfen, beinahe regungslos. Jede Windung eines Gedankens wird mitgeteilt, das ganze Gestrüpp der inneren Skrupel wird so dargeboten, als reiche scheinbare Authentizität schon aus, den Kunstanspruch des Romans zu entwickeln.

Sena hat sich also in diesem Alterswerk als Autor verloren. Nicht er hat es geschrieben, es wird vom umschwärmten Bild seines jugendlichen Alter ego diktiert. Sena versucht, ihm seine Stimme und sein Erzählvermögen zu leihen, doch all das geht unter in der alles beherrschenden Suada des jungen Jorge, der im Verlauf des Buches nicht nur zum erfahrenen Liebhaber, sondern auch zum Dichter wird. Scheu deutet Sena an, wie der junge Jorge zu seinen ersten Versen und Zeilen findet. Mit einem Mal scheint das poetische Sprechen in ihm zu erwachen, schlagartig quellen Zeilen aus ihm heraus, die er gar nicht gedacht, sondern nur empfunden zu haben scheint.

An solchen Stellen vermutet man, noch der gealterte Sena habe von einem derartigen Schaffen geträumt. Seinem Roman fehlt aber die Kontrolle einer Instanz, die mehr wäre als der poetische Reflex auf Erlebnisse. Und so gelingt es diesem groß angelegten, mit Wucht geschriebenen und sich immer mehr verzettelnden und aussprechenden Buch nicht, den Leser zu fesseln und mitzureißen. Man trennt sich von ihm wie von einem Fremden, der einen auf einer langen Zugfahrt begleitete, dem man so schnell aber nicht wieder begegnen möchte. HANNS-JOSEF ORTHEIL

Jorge de Sena: "Feuerzeichen". Roman. Aus dem Portugiesischen übersetzt von Frank Heibert. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1997, 586 S., geb., 68,- DM.

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