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Die Erzählungen werfen kurze Schlaglichter auf eine längst vergangene Türkei und die Schattenseiten der Seelen ihrer Bewohner. Die Verlassenen, die Armen, Einsamen, die Trinker, Spieler und Träumer finden mit ihren Sehnsüchten Platz in diesem Buch - die Sehnsucht nach einem Leben, das mehr kennt als die aussichtslose Suche nach großem Glück oder Kleingeld für den Tag. In den abgelegenen Dörfern und den anonymsten Winkeln der großen Städte zeichnet Eloglu Wege durchs Leben nach, ohne ihnen bis ans glückliche Ende zu folgen. Die Beobachtungen biegen vorher ab, brechen ab, lassen ungewisse Traurigkeit zurück und sind fast eine Geschichte.…mehr

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Produktbeschreibung
Die Erzählungen werfen kurze Schlaglichter auf eine längst vergangene Türkei und die Schattenseiten der Seelen ihrer Bewohner. Die Verlassenen, die Armen, Einsamen, die Trinker, Spieler und Träumer finden mit ihren Sehnsüchten Platz in diesem Buch - die Sehnsucht nach einem Leben, das mehr kennt als die aussichtslose Suche nach großem Glück oder Kleingeld für den Tag. In den abgelegenen Dörfern und den anonymsten Winkeln der großen Städte zeichnet Eloglu Wege durchs Leben nach, ohne ihnen bis ans glückliche Ende zu folgen. Die Beobachtungen biegen vorher ab, brechen ab, lassen ungewisse Traurigkeit zurück und sind fast eine Geschichte.
Autorenporträt
Metin Elolu, (Istanbul, 1927 - 1985) war ein unangepasster Maler, ein unartiger Dichter und außergewöhnlicher Erzähler, der in seinen Werken zeit- und raumlos insbesondere durch Istanbul und die Meere reist. Das 1943 begonnene Studium der Bildenden Künste - Bereich Malerei - endet 1946 mit einer Exmatrikulation aufgrund einer zweimonatigen Haft aus politischen Gründen. 1947 trat er seinen Militärdienst an. Wegen Disziplinlosigkeit beendete er diesen erst 5 Jahre später.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.01.2013

Paris? Das ist doch nur etwas für die High Society

Der kleine Mann vom Bosporus: Neue Übersetzungen verdeutlichen den Weltrang der türkischen Kurzgeschichte. Ihre Verfasser sind Metin Eloglu und Sait Faik.

Könnte man wie Orhan Pamuk aus Büchern Häuser bauen, es würden vermutlich ganze Stadtviertel entstehen. Wer würde sich schon entgehen lassen, das Istanbul aus der Blütezeit der türkischen Kurzgeschichte, einer Zeit vor dem Bausündenfall, wieder aufleben zu lassen? Viel mehr noch als heute war die seinerzeit noch von weniger als einer Million Menschen bewohnte Metropole in der Mitte des zwanzigsten Jahrhundert eine Stadt am Wasser, das Hauptverkehrsmittel die Fähre. Brücken über den Bosporus gab es noch nicht. Nur die damals noch schwimmende Galata-Brücke über das Goldene Horn existierte bereits.

In jene Welt entführt die im Berliner binooki-Verlag unter dem Titel "Fast eine Geschichte" erschienene Kurzprosa von Metin Eloglu ebenso wie der bei Manesse in Zürich veröffentlichte Band "Geschichten aus Istanbul", eine Auswahl aus Sait Faiks wegweisenden literarischen Miniaturen. Beide Bände widmen sich dem verwegen-verwunschenen Istanbul der kleinen Leute: Lastenträger, Fischer, Kaffeehausexistenzen, Fabrikarbeiter, Arbeitslose, verbeulte Lebenskünstler, Betrüger und Betrogene, Verliebte und Verratene. Beide sind sie aus unverschämt männlicher Perspektive geschrieben - wobei Sait Faik auch erotisches Interesse unter Männern thematisiert und Eloglu eindeutig der großspurigere Macho ist. Trotzdem ist die Lektüre durchaus auch für zartere Gemüter geeignet, sind die Charaktere doch so nah an gewissen menschlichen Grundeigenschaften gebaut, dass sich noch in jedem ein Verwandter des eigenen Alter Ego finden lässt.

Sait Faik (eigentlich Sait Faik Abasiyanik, 1906 bis 1954) gilt neben Sabbahatin Ali als Erfinder der türkischen Short Story, sein schlackenloser, ebenso direkter wie luzider Stil, seine literarische Volksnähe als prägend für die moderne türkische Literatur. Aus seinem Werk lagen mit "Ein Lastkahn namens Leben" und "Der Samowar" bereits Übersetzungen vor, die den Rang von Klassikern haben, aber vergriffen sind. Metin Eloglu (1927 bis 1985) ist vor allem als Lyriker bekannt und wurde auch als bildender Künstler wahrgenommen. Seine Geschichten sind erstaunlicherweise auch in der Türkei erst 2009 unter dem Titel "Istanbullu" (Der Istanbuler) erschienen. Sie sind nicht nur denen Sait Faiks in Themen und Stimmung nahe, sondern beweisen auch zweifellos eine Qualifikation, die der Kollege als Voraussetzung für einen guten Erzähler definiert hat: die Namen sämtlicher Fischarten zu kennen.

Beide Autoren streben zudem durch ihr Wirken nach der für einen türkischen Schriftsteller fast schon idealtypischen Qualifikation eines Gerichtsverfahrens oder Gefängnisaufenthaltes - Eloglu wohl etwas ehrgeiziger; er war wegen politischer Aktivitäten zwei Monate in Haft, Sait Faik brachte es "nur" zu einem Prozess wegen militärfeindlicher Äußerungen. Auch was die Beschäftigung mit menschlichen Eigenschaften und sozialen Umständen angeht, ist Eloglu gründlicher, seine Beobachtung schärfer, ohne Scheu vor vordergründig realistischen Themen und Stimmungen. Seine sehnsuchtstrunkenen Figuren sind hier und da als erklärte Zeugen gesellschaftlicher und politischer Missstände unterwegs, kritisieren etwa den Bau von Gefängnissen statt Krankenhäusern und gründen Arbeitslosenvereinigungen. Bei Sait Faik sind die Figuren schicksalsergebener, die sozialen Verhältnisse weniger explizit politisch, sondern eher gleichnishaft geschildert.

Trotzdem gibt Sait Faik sich, gerade was den ethnischen Nationalismus der türkischen Republik angeht, bei weitem nicht konformistisch. Zu seinen Protagonisten zählen Armenier, Griechen und Juden, muslimische Fabrikarbeiter, orthodoxe Pfarrer oder auch diskriminierte Petersfische. In zwei aufeinanderfolgenden Abschnitten aus "Menschen am Strand" lässt er seinen Ich-Erzähler zunächst bekennen: "Ich ergreife nun mal nicht gern Partei, was soll's", um dann fortzufahren, es schiene ihm, "man könne aus einem Zigeunerviertel stammen und trotzdem ein rechter Kerl werden, oder aber aus Paris und ein rechter Esel". Das ist nicht nur eine Absage an ausgrenzenden Nationalismus, sondern auch ein lustvoller Hieb an die Adresse der parisorientierten High Society des damaligen Istanbul.

Metin Eloglu, der außerdem zur lyrischen Verdichtung, und Sait Faik, der zur voyeuristischen Distanz tendiert, sollen hier als Autoren nicht in einen Topf geworfen werden. Doch als Schöpfer von teils gleichzeitig und in sehr ähnlichem Milieu entstandenen Geschichten müssen sie trotzdem noch den Hinweis auf manche Gemeinsamkeit über sich ergehen lassen. Die Liebe zu den Istanbul vorgelagerten Prinzeninseln und die ausgesprochene Trinkfreudigkeit beider Autoren gehören dazu. Letztere hat sicher zur ein oder anderen Geschichte den Zugang verschafft. So kann auch fast ihrer gesamten Figurenklientel eine Qualität bescheinigt werden, die Sait Faik eigentlich den Themen der byzantinischen Gesänge zugeschrieben hat: "zahmer Wahn". Darüber hinaus ist beider Ton lässig bis schnoddrig, selbstironisch, narzisstisch und vor allem wunderbar humorvoll. Ihre besondere Kunst liegt dabei darin, sich nicht selten einen Witz auf Kosten ihrer Protagonisten - die oft auch autobiographische Züge tragen - zu gönnen, ihnen aber trotzdem nie die Würde zu nehmen.

Die Short Story und in ihrer Nachbarschaft auch die kurze Erzählung gelten nicht umsonst als große literarische Herausforderung. Relativ wenigen gelingt es, sich mit dieser schlanken Form ins literarische Gedächtnis einzuschreiben. Jetzt erinnern die neuen Übersetzungen daran, dass die türkische Kurzgeschichte eindeutig Weltrang besitzt. Und dass an der Seite von Sait Faik auch Metin Eloglu ein Platz in der illustren Reihe von prägenden Autoren gehört, in der E.T.A. Hoffmann, Edgar Allen Poe, Sherwood Anderson, Ernest Hemingway oder auch Franz Kafka und Bruno Schulz zu nennen sind. Die Übersetzungen von Gerhard Meier und Ute Birgi-Knellessen haben für diese griffige Prosa jeweils zu einem sehr ansprechenden direkten Ton gefunden. Bei Meier klingt er ab und an - vielleicht dem Anmerkungsfleiß mitgeschuldet - etwas akademischer, bei Birgi-Knellessen etwas verspielter und charakterisierender.

Eindrücklich auch, wie viel Rhythmus und Sinnlichkeit die deutschen Übersetzungen transportieren können. In ständig variierten Farbpaletten mit grünlich-blauem Grundton entstehen großartig hingeworfene Stillleben, Genre- und Naturbilder vor dem Leser, überall schmeckt und riecht es: Veilchen-, Sellerie- und Kuttelnduft, Lindenblüten und Schweiß, "Frischkäse, Wassermelone und Bier", Seife in alten Holzschränken, in Zuckerwasser geschwenkte frische Erdbeeren, Fische, Meeresluft.

Fast unmöglich ist es, unter den zwei Büchern einen Favoriten zu küren. Leser, die sich eher für Taschendieb-Amateure, die sich die Welt kaufen wollen, interessieren, sollten bei Sait Faik anfangen. Zum anderen Buch greifen diejenigen, die lieber zuerst wissen wollen, ob sie zu jenen Menschen gehören, "die für den Frühling Verwendung haben", oder eben zu den anderen.

ASTRID KAMINSKI

Metin Eloglu: "Fast eine Geschichte".

Aus dem Türkischen von Ute Birgi-Knellessen. binooki Berlin, 2012. 150 S., br., 15,90 [Euro].

Sait Faik Abayiyanik: "Geschichten aus Istanbul".

Übersetzt von Gerhard Meier. Manesse Verlag, Zürich 2012. 379 S., geb., 22,95 [Euro].

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