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Fast Cars, Clean Bodies examines the crucial decade from Dien Bien Phu to the mid-1960s when France shifted rapidly from an agrarian, insular, and empire-oriented society to a decolonized, Americanized, and fully industrial one. In this analysis of a startling cultural transformation Kristin Ross finds the contradictions of the period embedded in its various commodities and cultural artifacts—automobiles, washing machines, women's magazines, film, popular fiction, even structuralism—as well as in the practices that shape, determine, and delimit their uses. In each of the book's four chapters,…mehr

Produktbeschreibung
Fast Cars, Clean Bodies examines the crucial decade from Dien Bien Phu to the mid-1960s when France shifted rapidly from an agrarian, insular, and empire-oriented society to a decolonized, Americanized, and fully industrial one. In this analysis of a startling cultural transformation Kristin Ross finds the contradictions of the period embedded in its various commodities and cultural artifacts—automobiles, washing machines, women's magazines, film, popular fiction, even structuralism—as well as in the practices that shape, determine, and delimit their uses. In each of the book's four chapters, a central object of mythical image is refracted across a range of discursive and material spaces: social and private, textual and cinematic, national and international. The automobile, the new cult of cleanliness in the capital and the colonies, the waning of Sartre and de Beauvoir as the couple of national attention, and the emergence of reshaped, functionalist masculinities (revolutionary, corporate, and structural) become the key elements in this prehistory of postmodernism in France. Modernization ideology, Ross argues, offered the promise of limitless, even timeless, development. By situating the rise of "end of history" ideologies within the context of France's transition into mass culture and consumption, Ross returns the touted timelessness of modernization to history. She shows how the realist fiction and film of the period, as well as the work of social theorists such as Barthes, Lefebvre, and Morin who began at the time to conceptualize "everyday life," laid bare the disruptions and the social costs of events. And she argues that the logic of the racism prevalent in France today, focused on the figure of the immigrant worker, is itself the outcome of the French state's embrace of capitalist modernization ideology in the 1950s and 1960s.
Autorenporträt
Kristin Ross is Professor of Comparative Literature at New York University. She is the author of The Emergence of Social Space: Rimbaud and the Paris Commune.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.06.2021

Frische Luft für alle
Von der Pariser Kommune bis zum Modernisierungsschub der fünfziger Jahre: Wie die Literaturwissenschaftlerin Kristin Ross die Voraussetzungen der Demokratie freilegt

Manche Bilder und Appelle ähneln sich so sehr, dass einem wirklich das Wort "Zeitlosigkeit" einfallen kann. In der Ausgabe des französischen Magazins Marie-Claire vom Mai 1955 gab es eine ausführliche Anweisung, wie die Schlacht um die Hygiene endlich zu gewinnen sei. Es gehe, so hieß es in einem Artikel, darum, die französischen Kinder der nächsten Generation so weit zu bringen, dass sie den "Sauberkeits-Reflex" annehmen. Der Schlüssel zur sauberen Kindheit lag dabei für die Autoren in der Internalisierung täglicher Routinen, die so lange eingeübt werden sollten, bis sie automatisch abliefen.

Dafür wurden ausgeklügelte didaktische Konzepte vorgestellt. Um Kindern etwa den Zusammenhang von schmutzigen Händen und Krankheit zu erklären, sollte man ihnen nachmittags weiße Handschuhe anziehen. Am Ende des Tages könne man den Kindern dann die "Mikroben" darauf zeigen, bis ihnen der Griff zum sauberen Taschentuch am Morgen so automatisch geworden sei wie der Griff nach den Schulbüchern.

Diese seltsam gegenwärtige Beobachtung findet sich in dem Buch "Fast Cars, Clean Bodies" der amerikanischen Romanistin und Literaturwissenschaftlerin Kristin Ross, zuerst erschienen 1995 im Verlag des Massachusetts Institute of Technology. Ross, geboren 1953, ist emeritierte Professorin für Komparatistik an der New York University und eine der Spezialistinnen für die Wandlungen der französischen Kultur, Politik und Gesellschaft vom späten 19. bis ins 20. Jahrhundert.

In "Fast Cars, Clean Bodies" analysiert Ross den tiefreichenden Wandel, den die französische Gesellschaft im Jahrzehnt nach der desaströsen Niederlage ihrer Kolonialarmee am 8. Mai 1954 in Vietnam erlebte. Die Schlacht um Dien Bien Phu, die am 13. März desselben Jahres begonnen hatte, ist der Inbegriff der Niederlage Frankreichs im Indochinakrieg und gehört zu den verlustreichsten Schlachten der französischen Militärgeschichte. In Frankreich erinnerte der Untergang der französischen Kolonialarmee, einschließlich der Soldaten der Fremdenlegion, viele an die Niederlage Frankreichs gegen Nazi-Deutschland 1940.

Für Ross ist das Trauma der verlorenen Schlacht bei Dien Bien Phu einer der Anlässe für die endgültige Überwindung der 1954 immer noch hauptsächlich agrarisch und "insular" geprägten französischen Gesellschaft hin zur industriell-städtischen Moderne, der Beginn einer Dekolonisierung und Reorganisation der französischen Kultur. Auf der anderen Seite dieses Modernisierungsschubs, der nicht zuletzt darin bestand, aus mehr oder weniger selbständigen Bauern Industriearbeiter zu machen, steht für Ross aber auch der Beginn des aktuellen französischen Rassismus. Eines Rassismus, der sich für Ross wesentlich um die Figur des eingewanderten Arbeiters herausgebildet hat und eine direkte Folge des Untergangs der französischen Kolonialarmee ist. Wie richtig sie damit bis heute liegt, kann man auch an dem nicht unwichtigen Detail sehen, dass einer der überlebenden Offiziere von Dien Bien Phu auf den Namen Le Pen hört.

Was Ross für das Jahrzehnt nach 1954 anhand von Alltagsgegenständen, Werbeplakaten, Texten aus Magazinen und Literatur sowie vielen Filmen etwa von Jean-Luc Godard, Jacques Rozier, Claude Chabrol und Agnès Varda zeigt, ist, wie mit der Modernisierungsideologie ein neues Gefühl der Grenzen-und Zeitlosigkeit in die Gesellschaft eindringt. Das Leben in den neuen Apartments in den Vorstädten und Städten ist leicht und einfach, easy and simple, wie Ross mit Georges Perec schreibt. Die scheinbar grenzen- und zeitlosen Entwicklungsmöglichkeiten machen aber nicht nur aus Kleinbauern Arbeiter, sie schreiben sich auch in Alltagsgegenstände wie Waschmaschinen oder Autos und selbst in den Strukturalismus ein, ohne unbedingt auf deren Kosten zu verweisen.

In einer der schönsten Passagen beschreibt Ross, wie Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir in diesen Jahren langsam als Paar aus der nationalen Aufmerksamkeit verschwinden und von einem neuen Typ Mann ersetzt werden, der etwa Michel Foucault, Frantz Fanon oder Jacques Lacan heißen kann.

Jedenfalls ist es für Ross kein Wunder, dass sich in dieser Zeit Theoretiker wie der Semiotiker Roland Barthes und der Soziologe Henri Lefebvre dem Alltagsleben zuwenden. Denn selbst die in den schönsten psychedelischen Farben in der bunt gewordenen Werbung angepriesenen Waschmittel und -maschinen haben ihre Grenzen und kosten ihren Preis. So wie es keine Autos ohne Unfälle gibt, wird man auch nicht vom Bauern zum Facharbeiter in einem schönen Apartment ohne die Drohung, irgendwann die Miete nicht mehr bezahlen zu können.

Damit ist eines der großen Themen von Kristin Ross benannt, nämlich die Historisierung des vermeintlich Zeitlosen. Den Preis für den Modernisierungsschub zahlen viele Franzosen bis heute und die Gesellschaft aktuell auch mit einer Krise der Demokratie. Einer Krise, die nur oberflächlich eine des Verschwindens der klassischen großen Parteien wie der Gaullisten, der Sozialisten und der Kommunisten ist, denn den Preis zahlen immer noch andere als die Repräsentanten von Staat, Bürokratie und Parlament.

Und damit ist man bei Kristin Ross' zweitem großen Thema: der Demokratie. Ross gehört zu den wenigen ausgesprochen linken Demokratietheoretikerinnen, die der Demokratie eine untergründig immer vorhandene Kreativität zusprechen. Wenn sie etwa in ihrem Essay "Demokratie zu verkaufen" feststellt, dass der große Unterschied unserer Zeit zu den 1960er Jahren in einem fortschreitenden Abbau des allgemeinen Wahlrechts besteht, dann sieht sie im Instrument der Wahlen aber immer noch ein "Vermögen des Demos". Ein Vermögen, dass für sie auch darauf hindeutet, dass "sich die Demokratie über die unterschiedlichsten politischen Formen behaupten kann". Die Demokratie zu verteidigen, lohnt sich für Ross immer.

"Nur das Wort Demokratie liefert keine Antwort auf die Frage: 'Wie viele?'", schreibt sie. Während das griechische "monos" im Wort "Monarchie" auf die Herrschaft eines Einzelnen hindeutet und das "hoi oligai" in "Oligarchie" auf die Macht von wenigen, kennt die Demokratie keine Zahl. Nur die Demokratie macht keine Angaben darüber, wie viele herrschen sollen: "Die Macht des Demos ist nicht die der Bevölkerung oder ihrer Mehrheit, sondern vielmehr die Macht eines jeden." Jeder Mensch habe ebenso das Recht zu regieren wie regiert zu werden.

Und um zu präzisieren, worum es dabei genau geht, unterscheidet Ross ihren Begriff der Demokratie von der Vorstellung der Demokratie als "Handlungsfähigkeit". Auch die Demokratie als Handlungsfähigkeit unterliegt nicht einem Gesetz der Zahl, doch sie setzt eine Zweiteilung der Welt voraus: Es gibt auf der einen Seite die Menschen, denen die Fähigkeit zur Teilnahme an kollektiven Entscheidungen zuerkannt wird, und auf der anderen Seite diejenigen, denen sie aberkannt wird. In jeder repräsentativen Demokratie gelte die Regierung der "Besten", wie sich die Regierenden gern selbst sehen, als Grundlage der Organisation des politischen Lebens. Die Demokratie, wie sie Ross versteht, lehnt diese Zweiteilung ab: "Sie ist ein Ruf nach Gleichheit von Seiten derer, die nicht zu den 'Besten' gezählt werden."

Bei dieser schon emphatisch zu nennenden Verteidigung des Begriffes der Demokratie als einer Willensäußerung der vielen ist Ross vollkommen klar, dass sie damit selbst bei ihren Helden und ihrem dritten großen Thema, der Pariser Kommune und Arthur Rimbaud, allein dasteht. Als im Frühling 1871 die Bevölkerung von Paris für 72 Tage ihre Angelegenheiten in Selbstverwaltung zu regeln versuchte, bezeichneten sich die Bewohner von Paris nicht als Demokraten. Sie sprachen von sich als "Republikaner" oder als "Volk"; der Begriff der Demokratie war ihnen zu schwammig. Und darin wussten sie sich als Teil einer großen Tradition, die nicht nur Philosophen von Platon bis zu Alain Badiou in großer Zahl umfasst, sondern auch Revolutionäre wie Marx, die nicht so gern von Demokratie sprachen.

Und selbst Kristin Ross' Fixstern am Himmel der Literatur, Arthur Rimbaud, hatte nicht viel für die Demokratie übrig. "Demokratie" hatte Rimbaud eines seiner letzten Prosagedichte überschrieben, und schon die ersten Zeilen lassen keinen Zweifel daran, was er davon hielt. "Die Fahne marschiert in die unreine Landschaft, und unser Kauderwelsch erstickt die Trommel. / In den Hauptstädten werden wir die schamloseste Hurerei hochbringen. / Wir werden die vernünftigen Empörungen niedermetzeln." Als Rimbaud diese Sätze schrieb, war die Pariser Kommune allerdings gerade erst brutal niedergemetzelt worden, und zwar so, dass jede Mauer, vor der man Opfer zusammentreiben konnte, wie ein Zeitgenosse schrieb, zum "Zeugen wilder Massaker" wurde. Und Rimbaud beschreibt unter dem Titel "Demokratie" ziemlich genau, wie die Kolonialmacht Frankreich nicht nur mit Aufbegehrenden in den Kolonien, sondern auch in Paris umzugehen gedachte.

Das macht Ross' Engagement für ihren Demokratiebegriff aber nicht weniger bedeutsam. Ross findet die Energie, die ihrem Demokratiebegriff die Kraft gibt, in der Arbeit der Pariser Kommune vorgebildet. Man kann das jetzt in ihrer kürzlich auf Deutsch erschienenen Studie zur politischen Gedankenwelt der Kommune unter dem Titel "Luxus für alle" nachlesen. Dieser Slogan der Kommune hatte nichts mit Hedonismus zu tun. Die Arbeiter und Handwerker der Kommune von Paris waren mehrheitlich nicht mit Arbeit, sondern mit der Suche nach Arbeit beschäftigt. Sie kümmerten sich um so elementare Fragen wie Nahrungsmittelbeschaffung, Kinderbetreuung, Abfallbeseitigung und Gesundheitsschutz. Sie ließen sich dabei nicht von einem Markt, sondern von gemeinschaftlichen Bedürfnissen leiten. Darin sieht Ross das über die Zeit hinausgehende Anliegen der Kommunarden von Paris. In den zeitgenössischen Protokollen und Texten sucht sie nach Motiven, Konzepten und Lösungsvorschlägen. Und was sie findet, ist nicht zuletzt eine ausformulierte global-ökologische Geisteshaltung, deren Aktualität einen förmlich anspringt. Frische Luft als Reichtum für alle als Utopie unserer Tage.

CORD RIECHELMANN.

Kristin Ross: "Fast Cars, Clean Bodies". MIT Press, 274 Seiten, 30,65 Euro "Luxus für alle. Die politische Gedankenwelt der Pariser Kommune". Aus dem Englischen von Felix Kurz. Matthes & Seitz, 203 Seiten, 20 Euro

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