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Der bekannte französische Kulturhistoriker entwirft in seinem materialreichen Panorama 200 Jahre Geschichte der Farbe und ihrer Bedeutung. Lessing bemühte sich um eine klare Grenzziehung zwischen Dichtung und Malerei. Doch seine klassische Strenge, seine Vorliebe für weißen Marmor und seine Abneigung gegen die Polychromie stießen bald auf Gegner. Goethes Farbenlehre ist es zu verdanken, daß die Germania, das Land der Denker und visionären Dichter, sich gegenüber der Farbenpracht der Romania öffnete. Im Zeichen der romantischen Suche nach dem Gesamtkunstwerk entdeckte die Literatur des 19.…mehr

Produktbeschreibung
Der bekannte französische Kulturhistoriker entwirft in seinem materialreichen Panorama 200 Jahre Geschichte der Farbe und ihrer Bedeutung. Lessing bemühte sich um eine klare Grenzziehung zwischen Dichtung und Malerei. Doch seine klassische Strenge, seine Vorliebe für weißen Marmor und seine Abneigung gegen die Polychromie stießen bald auf Gegner. Goethes Farbenlehre ist es zu verdanken, daß die Germania, das Land der Denker und visionären Dichter, sich gegenüber der Farbenpracht der Romania öffnete. Im Zeichen der romantischen Suche nach dem Gesamtkunstwerk entdeckte die Literatur des 19. Jahrhunderts und der Jahrhundertwende in der Malerei wieder eine Quelle der Inspiration. Baudelaire und Delacroix, Rilke und Cézanne, Hofmannsthal und Van Gogh, Trakl und Kokoschka, Proust und Vermeer waren wichtige Stationen dieser Entwicklung. Während sich die Maler durch die Kraft der Farben immer mehr zur Abstraktion hingezogen fühlten, befreite sich das moderne Schreiben langsam von den Fesseln der noch von Realismus und Naturalismus propagierten Mimesis. Bei Freud wird die Farbensprache als Körpersprache analysiert. Bei Wittgenstein wird eine Phänomenologie, nicht der Farbwahrnehmungen, sondern der Sprachspiele mit colour terms, vorgeführt. Im Schatten der Verfinsterung der Welt im 20. Jahrhundert verabschiedet die Postmoderne die Farbenpracht der klassischen Moderne und formuliert die Frage nach dem Verhältnis der Farben und der Wörter in neuer Weise.
Autorenporträt
Rider, Jacques LeJacques Le Rider ist Professor an der École pratique des Hautes Études in Paris.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2000

Wir waren mit Grau immer sehr zufrieden
Zur Kritik der farblosen Kunst / Von Barbara Basting

Farbe ist fashionable, in der aktuellen Mode ebenso wie in den Kulturwissenschaften. Deswegen wohl wird das Rezensionsexemplar einer Neuerscheinung zum Thema Farbe gleich zusammen mit einem T-Shirt versandt. Dieses ist selbstverständlich schwarz und trägt den purpurfarbenen Aufdruck "Chromophobia". Ein Abwehrfetisch für Vernissagen?

Das mitgelieferte gleichnamige Buch des Künstlers David Batchelor ist die Anamnese einer Krankheit, deren klinische Symptome allerdings eher im Diskurs als auf der Netzhaut zu beobachten sind. "Farbe ist eng verknüpft mit dem Schicksal der abendländischen Kultur. Seit der Antike ist die Farbe im Westen systematisch marginalisiert worden." Solch kategorischen Sätze lassen erst stutzen, erweisen sich aber als fruchtbares Lektüremuster, das ein wenig Ordnung in das Dickicht der Farbkommentare von Künstlern, Philosophen, Schriftstellern, Linguisten bringt.

Das Ergebnis seiner Lektüren nimmt Batchelor in dem flott geschriebenen Essay, der mit einem brillanten Kapitel über die Farbe Weiß einsetzt, gleich zu Beginn vorweg: "Farbe wird als Eigenschaft des fremden Körpers beschrieben." Sie wird mit dem Weiblichen, Orientalischen, Primitiven, Infantilen, Vulgären, Pathologischen in Verbindung gebracht. Schlimmer noch: Farbe ist die Domäne des Oberflächlichen, des Nachträglichen, Zusätzlichen und Unwesentlichen - Kosmetik eben. Zugleich ist Farbe in ein so vielgliedriges wie konventionelles ästhetisches und moralisches Bewertungssystem eingebunden. Die Empfehlung des frühen Le Corbusier - "Wenn Sie Ihre Wände erst einmal mit Ripolin gestrichen haben, sind Sie Herr im eigenen Haus" - fügt sich nahtlos in eine Rhetorik ein, die Ordnung, Reinheit, Wahrheit mit der blendend weißen Oberfläche in Verbindung bringt. "Bis heute ist Seriosität in Kunst und Kultur ein Schwarzweißthema", resümiert Batchelor.

Batchelors systematische Metaphernanalyse rund um das Phänomen Farbe, die sichtlich an der Dekonstruktion geschult ist, macht eine Reihe von aufschlußreichen Verknüpfungen sichtbar. So sind psychedelische Farben als Ausdruck entgrenzender Drogenerfahrungen keineswegs eine Erfindung der Hippies, sondern schon in Platons Beschreibung der Farbe als "Pharmakon", als Gift, angelegt. Daß die Irrationalität der Farbe mittels der Linie gezähmt werden muß, wird dann im bekannten Streit zwischen Poussinisten und Rubenisten zum zentralen Thema und bleibt in der Umkehrung - die Geschichte der modernen Malerei als Geschichte der Emanzipation der Farbe - bis in jüngste Zeit bestimmend.

Batchelors knappe Studie ist originell, gut informiert, wartet mit einer Reihe von überraschenden Belegen auf und setzt sich auch mit jüngeren Entwicklungen, etwa der Digitalisierung, auseinander. Will man sich jedoch mit dem komplexen Verhältnis von Sprache und Farbe, das er nur antippt, detaillierter auseinandersetzen, ist man mit der umfassenden und grundsoliden Studie "Farben und Wörter" des Pariser Germanisten Jacques Le Rider besser bedient.

Le Rider, der bisher vor allem mit Studien zur Wiener Moderne hervorgetreten ist, nimmt sich die "Geschichte der Farbe von Lessing bis Wittgenstein" vor, greift aber bis in die Antike zurück und verfolgt sein Thema auch noch bei Botho Strauß, Thomas Bernhard und Peter Handke. Sein deklariertes Ziel ist es, die "Kreuzungspunkte zwischen ästhetischer Theorie, Kunstgeschichte, Kultur- und Literaturgeschichte anhand des Verhältnisses zur Farbe" herauszuarbeiten. Das gelingt ihm auch mit einer beeindruckenden Fülle von präzise erörterten, historisch bedeutsamen Positionen innerhalb des gesteckten Rahmens. Besonders seine Ausführungen über das mißtrauische Verhältnis der "Realisten" zur Farbe oder die Auseinandersetzung von Hofmannsthal, Rilke, Proust mit der Kunst ihrer Zeit bestechen. Souverän bettet Le Rider einzelne Debatten in den jeweiligen kulturhistorischen Kontext ein. Die Kapitel über die Wiederentdeckung Rembrandts im neunzehnten Jahrhundert oder die Entfaltung des von progressiven wie konservativen Kräften vereinnahmten Dekadenzbegriffes sind in dieser Hinsicht lesenswert.

Allerdings ist Le Riders ausladendes Tableau so kleinteilig und polychrom, daß man sich oftmals eine deutlichere Kontur wünschte. Wo Batchelor um der Prägnanz willen verknappt, ist bei Le Rider der rote Faden im Wust der fleißig zusammengetragenen Fakten, der aus der Sekundärliteratur bezogenen Textexegesen, der herbeizitierten Kronzeugen, Gewährsleute und Theoriespender manchmal schwer zu entdecken. Die nicht eben elegante Übersetzung vermehrt die Mühsal der Lektüre. Dennoch ist Le Riders Studie, die die allmähliche Entwicklung eines modernen Sprach- und Literaturbegriffs in der Auseinandersetzung der Schriftsteller mit der jeweils zeitgenössischen künstlerischen Produktion sorgfältig herauspräpariert, eindeutig ein Referenzwerk. Vor allem der Ansatz, die Geschichte der modernen Kunst und Literatur mit Blick auf Themen neu zu formulieren, die beide Disziplinen in Theorie und Praxis unablässig bewegt haben, erweist sich als ergiebig.

David Batchelor: "Chromophobia", Reaktion Books, London 2000. 125 S., Farb-Abb., br., 12,95 brit. Pfund.

Jacques Le Rider: "Farben und Wörter". Geschichte der Farbe von Lessing bis Wittgenstein. Aus dem Französischen von Dirk Weissmann. Böhlau Verlag, Wien 2000. 376 S., geb., 78,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Geteilter Meinung ist Wolfgang Lange über dieses Buch. So lobt er zwar das umfangreiche Material, dass Le Rider hier zusammengestellt hat, doch nach Meinung des Rezensenten wird dabei zu viel "angeschnitten und aufgerissen", ohne weiter ausgeführt zu werden. Dies erschwere bisweilen den Überblick, zumal die Debatten und Erkenntnisse, die Le Rider hier anreißt, sehr vielfältig sind: "Tagebuchaufzeichnungen (...), psychoanalytische Deutungsmuster ebenso wie diverse Romane, Gemälde und Skulpturen" sowie "epistemologische, linguistische und neurokognitive Erkenntnisse". Diese Vielfalt hat jedoch nach Lange in mancher Hinsicht auch ihren Reiz, weil der Autor sein Thema "bis in die entlegensten Winkel" verfolge. Die mangelnde Stringenz ist dabei nach Ansicht des Rezensenten zwar ein Problem, doch der Leser, der sich darüber hinwegsetzt, wird - wie Lange verspricht - an diesem Buch "seine helle Freude haben".

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