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Lärm ist das Umweltproblem Nr. 1 in Deutschland. Insbesondere der Verkehrslärm sorgt für massive Belästigung und Gesundheitsschäden. Aber Industrie und Behörden verharmlosen das Problem mit statistischen Tricks und Abwiegeleien. Stephan Marks belegt die Folgen des Lärms und zeigt Wege zur Abhilfe.

Produktbeschreibung
Lärm ist das Umweltproblem Nr. 1 in Deutschland. Insbesondere der Verkehrslärm sorgt für massive Belästigung und Gesundheitsschäden. Aber Industrie und Behörden verharmlosen das Problem mit statistischen Tricks und Abwiegeleien. Stephan Marks belegt die Folgen des Lärms und zeigt Wege zur Abhilfe.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.09.1999

Na, das knallt aber gewaltig
Stephan Marks will mit einem kleinen Buch einem großen Lärm ein Ende machen

". . . Auch sollt ihr nicht am Himmel herumdüsen, denn ein Gräuel sind mir das Sportflugzeug, die Ultraleichtmaschine und der Hubschrauber. Und ich will sie alle abstürzen lassen, sobald auch nur ein Gestörter ausruft: ,Ruhe da oben!', und es kehrt keine Ruhe da oben ein. Rettungshubschrauber aber will ich nicht abstürzen lassen. Transportiert aber der Rettungshubschrauber jemanden, den ich habe abstürzen lassen, weil er gelärmt hat, so will ich auch den Rettungshubschrauber abstürzen lassen."

So stellt sich Robert Gernhardt die Verkündung des elften Gebotes "Du sollst nicht lärmen" vor. Gernhardts Text, erstmals in dieser Zeitung erschienen (F.A.Z. vom 30. Juli 1996), leitet nun auch das Buch "Es ist zu laut!" von Stephan Marks ein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Bewusstsein des Lesers für Lärm und dessen Folgen zu schärfen.

Marks legt gründlich dar, was Lärm nach unterschiedlichen Gesichtspunkten bedeutet, und arbeitet die Problematik eines allgemein akzeptierten Lärmbegriffes heraus. Ist Lärm nur Schall, der bleibende, deutlich identifizierbare Schäden verursacht, wie durch die elektronenmikroskopische Aufnahme des Innenohrs eines Meerschweinchens dokumentiert, das kurzzeitig einem Lärmpegel von hundertsiebzig Dezibel ausgesetzt war? Oder sind auch harmlosere Geräusche in die Kategorie Lärm einzuordnen? Marks hält die Grenzen offen. Zu vielfältig sind die Formen körperlicher, seelischer und sozialer Beeinträchtigung des Wohlbefindens geräuschexponierter Menschen. Marks bemängelt, dass juristisch immer noch zwischen körperlichen und psycho-sozialen Lärmfolgen unterschieden wird, was einem längst überholten Menschenbild entspricht, das Körper und Psyche trennt.

Er misstraut den technischen Verfahren, die den Lärm als messbare Größe darstellen sollen. Die Darstellung des Lärms mit der logarithmischen Einheit Dezibel (eine Zunahme um drei Einheiten bedeutet den doppelten Schallintensitätspegel) hält er für eine Verharmlosung des Phänomens durch weltfremde Intelligenzler, die mit ihrer künstlichen Konvention den Normalbürger und oft sogar auch sogenannte Experten überfordern. Beispiele von dubiosen Beurteilungsverfahren für Beschallungen und deren ebenso widersinnigen Interpretationen zeigen auf, vor welche Schwierigkeiten der Bürger gestellt wird, der sich gegen Lärm wehren will und durch Fakten belegen muss, dass er durch übermäßige Geräuschentwicklung benachteiligt wird. Stichworte wie "Impulszuschlag", "Tonzuschlag", "Schienenbonus", "Mitteilungspegel" oder "Beurteilungspegel", die Marks alle ausführlich erklärt, lassen ahnen, zu welchen Hochleistungen die Bürokratie sich aufschwingt, wenn es gilt, den Lärm aktenkundig zu machen.

Lärm wird größtenteils durch technische Geräte erzeugt. Da liegt es nahe, gesetzliche Regelungen für Zulassung und Betrieb von Anlagen zu fordern. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz verlangt, dass Maschinen so beschaffen sind, dass ihre Geräuschentwicklung das "nach dem jeweiligen Stand der Technik unvermeidbare Maß" nicht übersteigt. Leider wird der Schutz des Bürgers durch dieses Gesetz dadurch aufgeweicht, dass bei der Zulassung beispielsweise von Kraftfahrzeugen nicht der maximale Lärm ermittelt wird, sondern lediglich die Schallemission bei bestimmten Betriebszuständen, bei denen sich relativ leicht niedrige Werte erreichen lassen. Bei höchster Drehzahl oder höchster Geschwindigkeit sind die Zulassungsbehörden taub. Weil der "Stand der Technik" jedoch schwer zu beurteilen ist und Zulassungsverfahren dadurch juristische Unsicherheiten bergen, fordert man häufig lieber Grenzwerte, die sich messtechnisch leichter feststellen lassen. Wenn die Gremien, die solche Grenzwerte vorschlagen, überwiegend durch Vertreter der Hersteller besetzt werden, kann man nicht erwarten, dass die Vorgabe von solchen Werten die Entwicklung lärmarmer Produkte fördert.

Gegen Lastwagen und Motorräder ist ein schlichter Staatsbürger ja leider machtlos. Daher ist für Marks das Gebot der Lärmbekämpfung die Gründung von Bürgerinitiativen. Das vorliegende Buch beschäftigt sich in der Hauptsache mit solchen Arten von Lärm, gegen die Interessenvereinigungen sich wehren können. Marks lenkt die Aufmerksamkeit eher auf den Lärm in der Nachbarschaft von Fabriken als auf den Lärm, dem die Beschäftigten am Arbeitsplatz ausgesetzt sind. Auch der Musikfreund, der seinen Nachbarn die Ouvertüre zum "Untergang Pompejis" von Krachmaninoff nahe bringt, wird nur am Rande erwähnt.

Lärmbekämpfung ist letzten Endes jedoch mehr als die Wahrnehmung von Bürgerrechten. Es ist eine Geisteshaltung, die sich für den Erhalt und die Schaffung von Stille einsetzt. Marks betont immer wieder, dass die Senkung des Lärmpegels nur ein Herumdoktern an Symptomen sein kann. Was wir wirklich brauchen, ist Stille. Marks zitiert Meister Eckart: "Nun aber gleicht nichts in allen Kreaturen Gott so sehr wie die Ruhe."

HARTMUT HÄNSEL

Stephan Marks: "Es ist zu laut!". Ein Sachbuch über Lärm und Stille. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt 1999. 204 S., 13 Abb., br., 18,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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