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Produktdetails
  • Verlag: Huber
  • ISBN-13: 9783719312411
  • ISBN-10: 3719312410
  • Artikelnr.: 27534273
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.06.2001

Elf Pflanzen tragen seinen Namen
Ein neuer Stern der Philosophie: Hans Kunz betritt die Bühne

Das OEuvre des Schweizer Philosophen, Psychologen und Botanikers Hans Kunz (1904 bis 1982) ist weit verstreut und schwer zugänglich, schreibt Jörg Singer im Vorwort des Geleitbuches zur geplanten Werkausgabe. Der Rezensent nimmt dies mit Erleichterung zur Kenntnis. Denn er muß gestehen, keine Schrift von Hans Kunz je in der Hand gehabt, ja selbst den Namen nicht gekannt zu haben, ehe er auf das hier anzuzeigende Buch stieß. Bestens, ruft er sich Mut machend zu, so ist die denkbar größte Unvoreingenommenheit garantiert.

Die Werkausgabe wird von der 1999 gegründeten Hans-Kunz-Gesellschaft betreut und sieht sechzehn Bände vor. Die ersten drei erscheinen im kommenden Jahr, danach sollen pro Jahr zwei weitere Bände folgen. Das Geleitbuch, dem Leser als "handliches Nachschlagewerk" offeriert, bietet eine Vorschau auf die Werkausgabe sowie eine Bibliographie in Auswahl, in der auch die zahlreichen unveröffentlichten Arbeiten verzeichnet sind. Der Buchtitel folgt dem Titel eines erstmals abgedruckten Vortragsmanuskripts für den Rundfunk aus dem Jahre 1960. Kunz greift darin Themen aus seinem Hauptwerk "Die anthropologische Bedeutung der Phantasie" auf, mit dem er sich 1946 in Basel habilitierte. Der Buchhandel führt übrigens weder dieses Werk noch ein anderes von Hans Kunz. Selbst das Antiquariat bietet nahezu nichts. Zu Recht darf da von einem weit verstreuten und schwer zugänglichen OEuvre gesprochen werden. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, daß ein Großteil auf Beiträge in Fachzeitschriften entfällt, die gemeinhin noch rascher in Vergessenheit geraten als Buchpublikationen.

Einen ersten Zugang bietet der Neuabdruck der "Selbstdarstellung" aus dem Jahre 1972. Kunz skizziert darin Zeugnisse seiner frühen Naturverbundenheit, die ihn später zum Spezialisten für die schweizerische Flora werden ließ. So tragen elf Pflanzenarten, Unterarten und Varietäten seinen Namen. Er erinnert sich der Fahrtenromantik des Wandervogels und der Begeisterung für Nietzsches "Zarathustra", gedenkt der Persönlichkeit von Karl Jaspers, die ihn bewog, vom juristischen zum philosophischen Studium zu wechseln, kommt auf die tiefe Erschütterung durch "Sein und Zeit" zu sprechen, berührt seine Rolle als Mitbegründer der 1947 gegründeten Zeitschrift "Psyche" und spielt auf Intrigen innerhalb des universitären Betriebes an, durch die ihm karrieristische Ambitionen beizeiten verleidet worden sind. Die "Selbstdarstellung" schließt mit einer wissenschaftlichen Standortbestimmung. Ihr steht vor allem der Beitrag von Max Herzog zur Seite, dem Verfasser der bislang einzigen Gesamtdarstellung zur philosophischen Anthropologie von Hans Kunz.

In Anlehnung an Heideggers Existenzialanalyse begreift Kunz Dasein als Sein zum Nichts des Todes. Es bekundet sich ihm essentiell im "weltlosen Kern" der Ratio. Denn das Denken vermag sich selbst qua Negation als reinen Denkakt zwar zu denken, nicht jedoch auch vorzustellen. Im radikal jeder Veranschaulichung enthobenen Denken des Denkens offenbart sich vorauslaufend der Tod. Die Ratio, lautet die These, ist todentsprungen. Das Denken des Denkens bezeichnet indes den Grenzfall. In der Regel wird gedanklich Vorgestelltes gedacht. Hieraus erwächst nach Kunz die anthropologisch eminente Bedeutung der Phantasie im Sinne von Imagination und Ideation. Ihre "Bilderwelten" tragen intentional über die "Gegenwart des virtuellen Todes" hinweg. In ihnen ist das Nichts durch Erzeugung kommunizierbarer Gehalte gebannt.

Diese Sicht liegt unverkennbar in den Fluchtlinien der existenzialistischen Philosophie und Psychologie. Wie sie sich dort im Detail ausnimmt, bleibt unter Vorbehalt eines Ganges zur nächstgelegenen Universitätsbibliothek abzuwarten, bis die ersten Bände der Werkausgabe erschienen sind. Daß allerdings gerade jenes Kapitel, das Werk und Resonanz thematisiert, mit sechs Seiten das kürzeste des Geleitbandes ist, mischt in die gespannte Erwartung auch ein Gran Skepsis. In diesem Sinne: Fortsetzung folgt.

RALF DROST.

Hans Kunz: "Erwartung, Bildwelt und Phantasie". Mit einer Autobiographie und Beiträgen zum Werk. Herausgegeben von Jörg Singer. Hans-Kunz-Gesellschaft Frauenfeld. Verlag Huber, Stuttgart, Wien 2001. 138 S., br., 52,50 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Ralf Drost gesteht gleich zu Beginn ganz unumwunden, dass ihm der Name des "Philosophen, Psychologen und Botanikers" Hans Kunz bisher kein Begriff war. Nun ist aber gleich eine ganze Werkausgabe geplant, deren Geleit und Vorhut dieser Band mit verschiedenen Beiträgen von und zu Kunz darstellt. Darunter eine "Selbstdarstellung", in der man etwas über die "Naturverbundenheit" des Philosophen erfährt, aber auch über den tiefen Eindruck, den das Werk Martin Heideggers hinterlässt. Gegen das Denken des Denkens - als "Sein zum Nichts des Todes" - bringt Kunz die Phantasie in Stellung, die das Nichts durch die "Erzeugung kommunizierbarer Gehalte" bannt. In die Neugier des Rezensenten mischt sich erst am Ende "ein Gran Skepsis", da ausgerechnet der Teil, in dem es um das Werk von Hans Kunz und seine Wirkung geht, am kürzesten geraten ist.

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