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Appolonios von Rhodos leitete als einer der großen Philologen unter Ptolemaios II. zeitweise die berühmte Bibliothek von Alexandria. Bleibenden Ruhm erwarb er sich durch sein Argonautenepos: Es erzählt in vier Büchern von der Fahrt der Argonauten unter der Führung Jasons ins ferne Kolchis, von der Liebe Medeas zu Jason, der mit ihrer Hilfe das Goldene Vlies errang, sowie von der abenteuerlichen Rückfahrt nach Griechenland. Apollonios griff damit einen uralten Mythos auf und gestaltete ihn im Geist der weltoffenen "Kulturhauptstadt" Alexandria neu. Wohl knüpfte er an die Ilias und die Odyssee…mehr

Produktbeschreibung
Appolonios von Rhodos leitete als einer der großen Philologen unter Ptolemaios II. zeitweise die berühmte Bibliothek von Alexandria. Bleibenden Ruhm erwarb er sich durch sein Argonautenepos: Es erzählt in vier Büchern von der Fahrt der Argonauten unter der Führung Jasons ins ferne Kolchis, von der Liebe Medeas zu Jason, der mit ihrer Hilfe das Goldene Vlies errang, sowie von der abenteuerlichen Rückfahrt nach Griechenland. Apollonios griff damit einen uralten Mythos auf und gestaltete ihn im Geist der weltoffenen "Kulturhauptstadt" Alexandria neu. Wohl knüpfte er an die Ilias und die Odyssee an, schuf jedoch mit seinen Argonauten einen völlig neuen, demokratischen Heldentypus - mit allen Stärken und Schwächen des modernen Menschen. Auch den Frauen wird eine ebenbürtige Rolle im Werk des Apollonios eingeräumt. Von der Antike an hat das Werk einen nachhaltigen Einfluß ausgeübt, doch mit der Homer-Renaissance des 18. und 19. Jahrhunderts geriet Apollonios immer mehr in den Schatten Hom ers. Die vorliegende zweisprachige Ausgabe erschließt durch eine moderne Prosaübersetzung und Erläuterungen das Epos auch dem Nichtfachmann. Der erste Band enthält die beiden ersten Bücher, die die Hinfahrt von Jolkos in Thessalien nach Kolchis am Ostufer des Schwarzen Meeres, dem heutigen Georgien, schildern.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.1996

Wie werdet ihr dann leben, ihr Unseligen?
Jason und Medea zu unheldischen Zeiten: Das Argonautenepos in neuer übersetzung / Von Manfred Fuhrmann

Aristoteles wies bilderbogenartige Folgen von Episoden zurück: Es genüge nicht, schrieb er in der "Poetik", daß ein und derselbe Held, etwa Herakles, allerlei Taten vollbringe; das gute Epos zeichne sich durch eine einheitliche, in sich geschlossene Handlung aus. Hiernach wären die "Argonautika" des hellenistischen Dichters Apollonios von Rhodos (drittes Jahrhundert vor Christus) kein gutes Epos. Es geht dort darum, daß Jason von seinem Onkel Pelias den Auftrag erhält, aus dem fernen Kolcherlande das Goldene Vlies zu holen. Er sammelt die tüchtigsten Helden seiner Zeit um sich und wagt mit ihnen auf dem Schiff Argo die Reise. Am Ziel hilft die Königstochter Medea mit ihren Zauberkünsten, und Jason kehrt mit ihr und mit dem Goldenen Vlies in die Heimat zurück.

Der Auftrag des Pelias bewirkt keine Handlungseinheit: Die abenteuerliche Fahrt durch die Ägäis, den Bosporus und das Schwarze Meer zerfällt in eine Reihe von selbständigen Episoden. Es ist der Raum, der dem Ganzen den Rahmen gibt: Die Reise der Argoschiffer beginnt in Jolkos (Thessalien) und endet auch dort, und das einzige Geschehen von innerer Geschlossenheit und dramatischer Wucht, das aus der Szenenfolge herausragt, die Jason-Medea-Handlung, wird zerschnitten: Der Leser der "Argonautika" erfährt nur, wie der Knoten geknüpft wird; er erfährt hingegen nicht, wie er sich später durch Jasons Untreue und Medeas Kindermord aufs schrecklichste löst.

Das Werk des Apollonios will nicht mit der Elle aristotelischer, klassizistischer Regeln gemessen sein. Es ist antiklassisch in mancherlei Hinsicht, zuallererst dadurch, daß große Spannungsbögen weithin fehlen, daß es vornehmlich auf die ausgefeilte Einzelpartie ankommt. Weiterhin dadurch, daß eine Frau, eben Medea, in einem Heldenepos eine so gewichtige Rolle spielt. Und daß Jason und andere Helden sich oft ziemlich unheldisch aufführen. Schließlich verleiht die häufige Gefährdung der Illusion dem Ganzen ein postklassisches Gepräge: Der Dichter treibt mit seinem Stoff und allgemein mit der epischen Tradition ein ironisches, bisweilen ans Parodistische grenzendes Spiel.

Die "Argonautika" sind das einzige griechische Epos zwischen Homer (achtes, siebtes Jahrhundert vor Christus) und Quintus von Smyrna (viertes Jahrhundert nach Christus), das die Zeiten überdauert hat. Die neue zweisprachige Ausgabe füllt eine Lücke. An dem schwierigen, oft unsicher überlieferten Text ist in letzter Zeit manches gebessert worden, und Thassilo von Scheffers allzu glatte Versübersetzung bedurfte eines Ersatzes. Die Herausgeber haben sich um einen lesbaren, maßvoll in die Überlieferung eingreifenden Text bemüht; ungewohnt ist das einheitliche, auch am Wortschluß erscheinende Sigma.

Die Prosa-Übersetzung hält sich im allgemeinen streng an das Original; sie vermittelt auch dem des Griechischen nicht Kundigen einen hinlänglichen Eindruck von der durchdachten, mitunter ausgeklügelten Erzählweise des Apollonios. In der Lemnos-Episode wartete eine alte Amme mit erstaunlichen rednerischen Künsten auf. Die Insel ist ein reiner Frauenstaat; es fehlt an Männern und somit auch an Kindern. Als die Argonauten eintreffen, kommt es zur Beratung. Die Amme, die für die Aufnahme plädiert, weist zunächst auf die stets drohende Möglichkeit feindlicher Überfälle hin und richtet sodann ihren Blick in die fernere Zukunft. Die neue deutsche Version gibt das so wieder: "Doch später erwarten euch noch unzählige andere Leiden . . . Denn wenn die älteren Frauen gestorben sind, ihr jüngeren aber kinderlos ins elende Greisenalter gelangt seid, wie werdet ihr dann leben, ihr Unseligen? Oder sollen etwa die Rinder sich von selbst ins Joch spannen und für euch den erdzerschneidenden Pflug in tiefen Furchen über das Feld ziehen . . .?"

Kenner mögen bedauern, daß die kunstvolle, ja manieristische Ausdrucksweise des Originals bisweilen verlorengeht. Hera sucht Aphrodite auf: Sie soll - durch ihren Sohn Eros - Medea Liebe zu Jason einflößen, auf daß sie ihm das Vlies verschaffe. Apollonios hat für die ob des hohen Besuchs sprachlose Aphrodite eigens ein neues Wort und eine ungewöhnliche Phrase geschaffen: Der Liebesgöttin habe sich stummes Dastehen bemächtigt, könnte es etwa im Deutschen heißen. "Kpyris aber fehlten die Worte" (so die neue Übersetzung) ist hierfür gewiß ein allzu dürftiger Ersatz. Dem Ganzen tut derlei wenig Abtrag, und auch über gelegentliche, ebenso unnütze wie triviale Fremdwörter - wie "ignorieren, provozieren, fixieren, arrangieren" und "direkt" oder "monströs" - kann man hinweglesen - doch was soll man zu dem mehrfach verwendeten, schon in der Alltagssprache schwer erträglichen Kürzel "beziehungsweise" sagen?

Die Erläuterungen suchen die poetische Technik, die Charakterisierungskunst und die Tendenzen des Apollonios zu verdeutlichen. Vieles ist hier treffend und nützlich; einiges geht zu weit in Richtung auf betuliches Moralisieren. Die Diktion befleißigt sich hin und wieder einer in seriösen Veröffentlichungen nicht üblichen Nonchalance, zum Beispiel wenn Medea ein "anderes Kaliber" zugebilligt wird als ihrer Schwester, wenn es heißt, daß Jasons "rhetorische Fähigkeiten aufgepäppelt werden" müßten oder seine Aristie (sein heldischer Kampf) "mit allem epischen Brimborium" inszeniert sei. Auch nicht ernst gemeinte Aktualisierungen wie die "gentechnischen Manipulationen" der Zauberin Kirke wären wohl besser unterblieben.

All dies wiegt gering im Verhältnis zu dem einzigen fühlbaren Mangel, den die neue Apollonios-Ausgabe aufweist: daß die geographischen Namen überhaupt nicht oder nur in seltenen Ausnahmefällen und die mythologischen Anspielungen nur überaus unvollständig erklärt werden. Apollonios war nicht nur Dichter, sondern auch Gelehrter, und überhaupt stand voraussetzungsreiches, auf vielerlei Buchwissen sich stützendes Schreiben zu seiner Zeit in hohem Ansehen. Für die "Argonautika" hat die meist reale, nur an den Rändern des Geschehens phantastische Szenerie größte Bedeutung, und dasselbe gilt für das Geäder mythologischer Beziehungen, welches das Werk durchzieht. Die Herausgeber nahmen wohl an, daß mit derlei simplen Sacherläuterungen, die der Fachmann mühelos seinen Nachschlagewerken entnehmen kann, keine wissenschaftlichen Lorbeeren zu erwerben seien. Sie vernachlässigten indes darüber den Nichtfachmann, an den sich die Ausgabe erklärtermaßen ebenfalls wendet - schade. Ein alphabetischer Index mit knappen Hinweisen könnte Abhilfe schaffen.

Apollonios von Rhodos: "Das Argonautenepos". Herausgegeben, übersetzt und erläutert von Reinhold Glei und Stephanie Natzel-Glei. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1996. 2 Bände, 193 und 233 S., geb., zusammen 118,- DM.

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