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Sørlandet oder »Südland« ist der südlichste Zipfel Norwegens, auch »norwegische Riviera« genannt. Nach Norden hin geht das Archipel aus Granit in Felsmassive und Bergtäler über, doch das Meer ist nirgendwo weit entfernt. Elina Brotherus' (_1972 in Helsinki) künstlerische Praxis besteht darin, auf visuelle Entdeckungsreise zu gehen. Hat sie den richtigen Ort gefunden, spielt sie mit der menschlichen Figur und versucht sie in ganz besonderer Weise in das Bild einzubinden. Oft nutzt Brotherus für ihre Arbeit auch Motive aus der Kunstgeschichte und wurde für diese neue Werkgruppe im Kunstmuseum…mehr

Produktbeschreibung
Sørlandet oder »Südland« ist der südlichste Zipfel Norwegens, auch »norwegische Riviera« genannt. Nach Norden hin geht das Archipel aus Granit in Felsmassive und Bergtäler über, doch das Meer ist nirgendwo weit entfernt. Elina Brotherus' (_1972 in Helsinki) künstlerische Praxis besteht darin, auf visuelle Entdeckungsreise zu gehen. Hat sie den richtigen Ort gefunden, spielt sie mit der menschlichen Figur und versucht sie in ganz besonderer Weise in das Bild einzubinden. Oft nutzt Brotherus für ihre Arbeit auch Motive aus der Kunstgeschichte und wurde für diese neue Werkgruppe im Kunstmuseum von Sørlandet fündig: Gemälde des 19.Jahrhun-derts, aber auch performative Werke von Yoko Ono, Geoffrey Hendricks, VALIE EXPORT, John Baldessari oder des Norwegers Kurt Johannesen. Mit "Seabound" legt die Künstlerin ihr elftes Buch vor.
Autorenporträt
Brotherus, ElinaElina Brotherus (_1972 in Helsinki) ist eine der bedeutendsten zeitgenössischen Fotografinnen Finnlands. Seit 1998 hatte sie zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen weltweit. Schwerpunkt ihres Werkes sind Selbstporträts und Landschaftsaufnahmen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.06.2022

Landschaft mit Staffage

Elina Brotherus fotografiert sich im Süden Norwegens durch die Geschichte der Kunst. Ein Buch und eine Ausstellung.

Von Freddy Langer

Urlaub mache sie eigentlich nie, sagt Elina Brotherus, die bekannteste Fotografin der legendären Helsinki School, und muss dabei lächeln. Denn genau genommen ist sie unentwegt auf Reisen. Eingeladen von Museen, Galerien, auch Sammlern, um für sie zu fotografieren. Fast immer entsteht daraus eine Ausstellung, bisweilen sogar ein Buch. So wie der Band "Seabound" mit Bildern, die sie für das Kunstmuseum von Kristiansand entlang der Skagerrak-Küste im Süden Norwegens aufgenommen hat. Mehr freilich als mit den Gegenden haben die Bilder stets mit dem Werk von Elina Brotherus zu tun - oder mit Kunst generell. Folgerichtig suchte die Fotografin in Kristiansand zunächst in ebenjenem Museum nach Inspiration, und Amaldus Nielsen machte sie mit seinen Bildern auf eine großartige Kulisse aufmerksam. Um 1880 hatte er immer wieder die markanten Granitfelsen der Hafeneinfahrt des Orts im Dämmerlicht des Mittsommers gemalt, und Elina Brotherus nutzte die Szenerie fast deckungsgleich für Arrangements, wie sie seit 2004 zu ihrem Markenzeichen geworden sind, seit dem Bild "Der Wanderer".

Damals stand sie auf der Klippe einer der Lofoten-Inseln, blickte übers Meer auf verschneite Gipfel und fotografierte sich im wehenden Mantel per Selbstauslöser von hinten. Nirgendwo sonst kommen sich die einander widersprechenden Gefühle von Allmacht und der eigenen Bedeutungslosigkeit so nah wie am Rande einer Klippe. Ähnliche Bilder schuf sie in unterschiedlichsten Regionen der Welt. Immer sind es Momente, da sich der Mensch über die Natur erhebt und zugleich in ihr aufgeht und versinkt. Momente des Innehaltens, als gelte es, in eine neue Phase zu treten. Man muss sich deshalb nicht wundern, dass auch diese Serie zum Neuanfang wurde. Elina Brotherus setzte damit einen Schlussstrich unter die zuvor autobiographisch begründeten Arbeiten. Statt ihre eigene Geschichte weiter auszubreiten, war sie sich fortan nur noch Modell. Zur Rolle als Kamerafrau und Regisseurin in Personalunion kam die der Darstellerin hinzu. Bei der Landschaftsmalerei der Romantik spricht man von Staffage. Das klingt befremdlicher.

"Der Wanderer" war die Übertragung von Caspar David Friedrichs Rückenfigur über dem Nebelmeer in den Norden Europas. Und in die Fotografie. Für das, was sich anschloss, wählte Elina Brotherus selbstbewusst den Serientitel: "The New Paintings", womit sie nicht nur auf den aktuellen Stellenwert der Fotografie und die wandfüllenden Formate ihrer Abzüge anspielte. Waren die Figuren in der Malerei des neunzehnten Jahrhunderts Stellvertreter für den Betrachter, dienten sie in den Fotos jener Zeit vor allem dem Größenvergleich mit der Weite der Landschaft oder der Höhe von Gebäuden. Elina Brotherus ging den Schritt wieder zurück. Aber wohin mit der Figur? Lösungen schaute sie sich über alle Epochen hinweg an - und ab. So nimmt sie den Betrachter mit auf eine Reise in die Kunstgeschichte.

Sitzt sie hier auf einem Fels im Hafen, klein und in Gedanken verloren gemäß der Stimmung der Gemälde von Amaldus Nielsen, breitet sie anderswo vor dem gekrisselten Meer die Arme aus wie ein Vogel, der sich vom Wind in die Höhe heben lässt - und ruft Yoko Ono zur Patin. Oder sie steht steif in roter Dauenenjacke zwischen roten Ruderbooten im Schnee und hat sich ihr ebenfalls rotes Barret über das Gesicht gezogen, dass es aussieht, als habe John Baldessari ihr Konterfei hinter einem seiner irritierenden Punkte versteckt.

Und doch ist "Seabound" auch der Region gewidmet, der Landschaft zwischen Meer und Gebirge, die hier ganz ohne Pathos dargestellt ist, auch wenn sie in hellen Sommernächten aussieht, als sei das warme Licht darübergeschüttet wie golden leuchtender Honig, im Winter hingegen harsch und abweisend wird und wirkt wie zugedeckt mit einem Leichentuch. Inmitten einer solchen Szene steht Elina Brotherus einmal fröstelnd im kurzärmligen T-Shirt vor der gefrorenen See. Sie? Natürlich nicht. "Somebody else", steht unmissverständlich auf dem Hemdchen.

"Seabound - A Logbook" von Elina Brotherus . Kehrer Verlag, Heidelberg 2021. 120 Seiten, 57 Farbabbildungen. Gebunden, 58 Euro. Eine Ausstellung mit Arbeiten von Elina Brotherus ist bis zum 18. September im Fotografie Forum Frankfurt zu sehen.

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