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In einem kleinen Museum im spanischen Banyoles entdeckt Frank Westermann 1983 ein seltsames Exponat: Auf einen Sockel genagelt steht dort ein ausgestopfter Mensch, ein namenloser Afrikaner. Der Autor macht sich auf die Suche nach der Herkunft des präparierten Leichnams und folgt dem Weg, den »El Negro« gegangen ist: von Afrika über Paris und Barcelona bis in die Pyrenäen. Seine Recherchen zum Fall »El Negro« konfrontiert Frank Westerman mit eigenen Erfahrungen als Entwicklungshelfer und Journalist in Peru, Sierra Leone, auf Jamaika und in Südafrika. Entstanden ist eine eindrückliche Reflexion…mehr

Produktbeschreibung
In einem kleinen Museum im spanischen Banyoles entdeckt Frank Westermann 1983 ein seltsames Exponat: Auf einen Sockel genagelt steht dort ein ausgestopfter Mensch, ein namenloser Afrikaner. Der Autor macht sich auf die Suche nach der Herkunft des präparierten Leichnams und folgt dem Weg, den »El Negro« gegangen ist: von Afrika über Paris und Barcelona bis in die Pyrenäen. Seine Recherchen zum Fall »El Negro« konfrontiert Frank Westerman mit eigenen Erfahrungen als Entwicklungshelfer und Journalist in Peru, Sierra Leone, auf Jamaika und in Südafrika. Entstanden ist eine eindrückliche Reflexion über unseren Umgang mit dem Fremden, eine literarische Reisereportage, die eingefahrene Denkmuster hinterfragt und immer wieder überrascht.
Autorenporträt
Westerman, Frank
Jahrgang 1964, Studium der Hydrotechnologie an der Landwirtschaftlichen Universität Wageningen, Beschäftigung mit russischer Literatur und den Thesen Wittfogels über die Ursprünge des orientalischen Despotismus; Arbeit als Entwicklungshelfer bzw. freier Journalist u.a. in Kamerun, Kuba, Mexiko, Sierra Leone und im ehemaligen Jugoslawien; von 1997 bis 2000 Korrespondent in Moskau für die große niederländische Abendzeitung NRC Handelsblad. Seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

"Wirkungsvolle Munition gegen Gewissheiten" liefere Frank Westermann mit seinem Buch über zwei eigene Erfahrungen mit dem Rassismus, meint Gaby Mayr. Die zwei Facetten des Problems beleuchtet er aus zwei Perspektiven. Die erste ist seine Begegnung mit "El Negro", einem menschlichen Ausstellungsstück im Museum von Banyoles in Spanien, als 19-Jähriger. Diese Begegnung lässt ihn nicht los, so dass er Jahre später nach dessen Herkunft forscht: Anfang des 19. Jahrhunderts war El Negro im Zuge des allgemeinen Entdeckungseifers von einem Europäer nach seiner Beerdigung ausgegraben, präpariert und nach Europa verschickt worden. Im Kontrast hierzu stehen die Erfahrungen des Entwicklungshelfers Westermann in Lateinamerika. Nun selbst in der Rolle als angestarrter und teils sogar gefürchteter Exot, drängt sich Westermann die Frage auf, ob die den jeweiligen Bevölkerungen von außen aufgedrängte Hilfe wirklich zum Ziel führen kann. Was in diesen Zusammenhängen nun letztlich richtig oder falsch ist, dafür liefere das Buch keine eindeutige Antwort, und genau das ist es, was die Rezensentin schätzt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.11.2005

Menschen im Zoo
Frank Westerman reist und findet einen ausgestopften Afrikaner
Der Einstieg entscheidet, lautet ein Merksatz der Journalistenausbildung. Frank Westerman beherzigt ihn. „Trampen ist wie Stierkampf”, beginnt er, Spannung erzeugend, mit einem Erlebnis als Neunzehnjähriger, als er mit einem Kumpel Nordspanien per Anhalter durchqueren wollte. Die beiden kommen nicht vom Fleck, denn, das ist banale Tramper-Wahrheit, sie werden von Autofahrern nicht sonderlich geschätzt. Statt es dabei bewenden zu lassen, sucht Westerman etliche Register der Formulierkunst zu ziehen, wobei spanische Autofahrer schlecht und die eigenen Sprachkenntnisse gut abschneiden. Der unter weltreisenden männlichen Reportern nicht unübliche breitbeinige Auftritt verliert sich aber erfreulicherweise, und Westermans Geschichte wird wirklich spannend.
Eigentlich sind es zwei Geschichten. Die erste beginnt am Ende jener mühsamen Tramptour im naturgeschichtlichen Museum im katalanischen Banyoles, wo ein ausgestopfter, auf einen Sockel montierter Afrikaner zur Schau gestellt wird. „El Negro”, wie der entwürdigte Tote im Ort genannt wird, lässt Westerman nicht ruhen, und Jahre später begibt er sich, unterdessen als Journalist bei einer niederländischen Zeitung beschäftigt, auf die Suche nach der Herkunft des menschlichen Ausstellungsstückes. Ein französischer Präparator, so das Ergebnis seiner Recherche, hatte den Leichnam um 1830 gleich nach der Beerdigung ausgegraben, ausgestopft und zusammen mit in Spiritus eingelegten Reptilien und konservierten Säugetieren nach Europa verschifft, wo er über Paris und Barcelona in die Pyrenäen gelangte.
Es war die Zeit des Entdeckungseifers, als europäische Forscher Pflanzen und Lebewesen aus aller Welt heranschafften, vermaßen und katalogisierten. Lebloses wanderte in naturkundliche Museen, Lebendiges wurde in zoologischen Gärten, oder, sofern es sich um Menschen handelte, auf Weltausstellungen und Jahrmärkten präsentiert. El Negros berühmte Schicksalsgenossin, die Khoisan Sarah Baartman, hatte ein britischer Schiffsarzt lebend nach London verfrachtet. Die wegen ihres ausladenden Gesäßes und angeblich überdimensionaler Schamlippen als „Hottentotten-Venus” beworbene Baartman wurde dort für zwei Schilling Eintritt zum Publikumsmagneten.
Spanische Demo in Baströcken
Frank Westerman vermittelt einen plastischen Eindruck vom wissensdurstigen und zugleich schamlosen Forschergeist jener Zeit. Heute sorgt „El Negro” für widersprüchliche Reaktionen. Bürger von Banyoles malen ihre Gesichter schwarz an und ziehen sich Baströcke über, um für seinen Verbleib in ihrem Museum zu demonstieren. In Südafrika verlaufen die Fronten der Diskussion exakt entlang der Hautfarbe. Da bildet der europäische Autor keine Ausnahme, wenn er sich El Negro als Mahnung gegen Rassismus in würdigem Ausstellungsrahmen vorstellt - während engagierte Afrikaner den Leichnam in heimatlicher Erde begraben wollen.
Die Abwesenheit von Eindeutigkeit ist Westerman vertraut. Festgezurrte Überzeugungen sind ihm abhanden gekommen, seit er als idealistischer Entwicklungshelfer mit Ingenieursdiplom Gutes tun wollte. Seine Erlebnisse als europäischer Besserwisser bilden den zweiten Erzählstrang, den er mit der El-Negro-Recherche kontrastiert. Bei seinem ersten Auslandseinsatz in Jamaika erregt er als „Weißhaut” bei einer Fahrt im Minibus durch ein Armenviertel „zooartiges Aufsehen”, dass ihm fast die Luft wegbleibt. Beklemmender ist noch der Aufenthalt in Peru, wo er als Fremder mit caritativem Anliegen alle Merkmale des verhassten „Fettholers” erfüllt, der nach einem Volksglauben den Menschen den Speck absaugt und deshalb seines Lebens nicht mehr sicher ist.
So wachsen Westermans Zweifel, ob wohlmeinende, aber von außen übergestülpte Hilfe ihr Ziel erreicht. Damit trifft er ins Herz der aktuellen entwicklungspolitischen Diskussion, die nicht wenigen als Auslaufmodell gilt. Westerman selbst wechselt in die unverbindlichere Rolle des Berichterstatters. Indem er seine Erfahrungen als Entwicklungshelfer mit der Geschichte von El Negro zusammenführt und dadurch verschiedene Facetten von Rassismus zusammenbringt, liefert Frank Westerman wirkungsvolle Munition gegen Gewissheiten.
GABY MAYR
FRANK WESTERMAN: El Negro. Eine verstörende Begegnung. Ch. Links Verlag, Berlin 2005. 240 Seiten, 22,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.2005

Der ausgestopfte Afrikaner
Frank Westermans Bericht über einen angenagelten Leichnam

Vor einigen Jahren wurden in Botswana die Überreste einer Person beerdigt, die unter dem Namen "El Negro" über viele Jahrzehnte an verschiedenen Orten Europas als Ausstellungsstück diente. El Negro war eine der Attraktionen der Weltausstellung in Barcelona 1888, seinerzeit angepriesen als "das einzigartige Präparat eines Kaffers aus dem südlichen Afrika". Zuletzt stand der ausgestopfte Mensch, ein namenloser Afrikaner auf einen Sockel genagelt, wenig beachtet im Museum für Naturgeschichte im spanischen Banyoles. Der in diesem Ort lebende, aus Haiti stammende Arzt Alphonse Arcelin empfand dieses Ausstellungsobjekt als Skandal und als rassistisch. Er lancierte eine Kampagne, schaltete Jesse Jackson, Kofi Annan, ja den Papst ein und hatte Erfolg: El Negro wurde aus dem Museum entfernt und nach Afrika geflogen. Vorher zogen ihm Mitarbeiter des Madrider Museums für Anthropologie noch die Haut ab. Sie blieb in Spanien.

Vor über zwei Jahrzehnten stieß der Entwicklungshelfer und Journalist Frank Westerman, damals Student, bei einer Tramptour durch Spanien auf das seltsame Exponat im Museum der katalanischen Kleinstadt. Seither ließ ihn das Schicksal El Negros nicht mehr los. In seinem Buch, das in den Niederlanden binnen kurzem sechs Auflagen erlebte, beschreibt er seine Suche nach der Herkunft des präparierten Leichnams. Diese Schilderung verknüpft er mit Darlegungen über die Geschichte des wissenschaftlichen Rassismus, den europäischen Kolonialismus, über den Sinn und Unsinn von Entwicklungshilfe sowie über den Umgang mit "den Anderen". Die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Passagen und Kapiteln des Buches sind zwar nicht immer evident, der Autor versucht bisweilen zu viel auf einmal mitzuteilen. Gleichwohl handelt es sich um ein spannendes und ungemein lesbares Buch, das en passant kompetent in wichtige Themen und Debatten einführt.

Die Leser dürfen Westerman bei seinen akribischen Recherchen nach Spuren und Indizien über die Geschichte El Negros gleichsam über die Schultern schauen. Sie begleiten ihn auf seinen Reisen durch die Welt, sitzen mit ihm in staubigen Archiven, lesen alte Briefe, teilen seine Freude über wichtige Funde und seine Frustration über nicht mehr auffindbare Dokumente. Westerman findet heraus, daß Jules Verraux, zusammen mit seinem Bru der Inhaber eines Pariser Großhandels für ausgestopfte Tiere, 1831 ein "Individuum des Betjouanavolkes" von seiner Reise aus dem südlichen Afrika nach Frankreich gebracht hat. Offenbar hatte er den Leichnam des Mannes eigenhändig ausgegraben. Die Ursachen des Todes von El Negro kann Westerman nicht eindeutig klären. In Paris erregte der ausgestopfte Afrikaner vergleichsweise wenig Aufsehen. Auf Umwegen erwarb der spanische Sammler und Aussteller Francisco Darder schließlich den präparierten Leichnam und stellte ihn auf der Weltausstellung aus, wo er kurzzeitig für Furore sorgte.

Die Odyssee von El Negro war, wie Westerman in eindringlichen Skizzen zeigt, eng verknüpft mit dem Aufstieg des rassischen Denkens in Europa, mit den Versuchen, Menschen nach "wissenschaftlichen" Kriterien zu klassifizieren und Afrikanern den Platz auf der untersten Stufe der "Rassenhierarchie" zuzuweisen. Die historischen Ausführungen werden immer wieder durch Kapitel unterbrochen, in denen der Autor seine Erfahrungen als Entwicklungshelfer und Journalist in Afrika darlegt. Die von ihm hier erzählte Geschichte der Desillusionierung eines einst Dritte-Welt-Bewegten ist schon oft erzählt worden, selten aber so charmant und entwaffnend. Westerman ist ein sehr (selbst-)kritischer und scharfsinniger Beobachter, aber glücklicherweise weder besserwisserisch noch moralinsauer.

Während eines Aufenthalts in Südafrika kommt er zu einer für ihn durchaus schmerzlichen Einsicht: "Während ich El Negros Spur durch zwei Jahrhunderte europäischer Geschichte verfolgte, hatte ich die Idee aufgegeben, Farbe dürfe keine Rolle spielen. Dieses Ideal ist unerreichbare Utopie." Daraus zieht er einen provokanten Schluß. "Je stärker der Drang des ,Werde so wie wir', desto größer der Widerstand und letzten Endes die Kluft." Dies gelte für die Entwicklungshilfe ebenso wie für den Umgang mit Einwanderern.

ANDREAS ECKERT.

Frank Westerman: "El Negro". Eine verstörende Begegnung. Aus dem Niederländischen von Stefan Häring und Verena Kiefer. Ch. Links Verlag, Berlin 2005. 240 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Es handelt sich um ein spannendes und ungemein lesbares Buch, das en passant kompetent in wichtige Themen und Debatten einführt. Die Leser dürfen Westerman bei seinen akribischen Recherchen nach Spuren und Indizien über die Geschichte El Negros gleichsam über die Schulter schauen. Sie begleiten ihn auf seinen Reisen durch die Welt, sitzen mit ihm in staubigen Archiven, lesen alte Briefe, teilen seine Freude über wichtige Funde und seine Frustration über nicht mehr auffindbare Dokumente. (...)
Westerman ist ein sehr (selbst-)kritischer und scharfsinniger Beobachter, aber glücklicherweise nie besserwisserisch noch moralinsauer." (Andreas Eckert, F.A.Z., 12.10.05)

"Ein spannender Bericht, eine politisch-historische Kriminalgeschichte." (Berliner Zeitung, 20.10.05)

"Indem er seine Erfahrungen als Entwicklungshelfer mit der Geschichte von El Negro zusammenführt und dadurch verschiedene Facetten von Rassismus zusammenbringt, liefert Frank Westerman wirkungsvolle Munition gegen Gewissheiten." (Gaby Mayr, Süddeutsche Zeitung, 19.11.05)

"Westermans eindringliche Nachforschungen werfen ein beklemmendes Licht darauf, wie die Europäer in der vergangenen zweihundert Jahren die Afrikaner gesehen haben." (dpa, 28.11.05)

"Eine fesselnde und aufschlussreiche Geschichte über den Umgang mit Fremden. Ein aktuelles Thema, sehr persönlich erzählt, das viel Stoff zum Nachdenken gibt. Frank Westerman ist ein hervorragender Erzähler. Er rekonstruiert nicht nur die historischen Ereignisse, die dazu geführt haben, dass ein Afrikaner ausgestopft im Museum landete, sondern schreibt vor allem über die Menschen, die er in den 15 Jahren seines Projekts trifft." (Susanne Nessler, Deutschlandradio Kultur, 29.11.05)

"Von El Negro erzählt Westerman ohne süßliche Betroffenheit. Das Buch ist eine Art Wiedergutmachungsgeste - und entsentimentalisierend dennoch. Wenn Westerman seine Verspottung als"whity"auf Jamaika beschreibt oder das"weiß machen"von Schwarzen mit Milchpulver in Sierra Leone, dann kehrt das Schicksal El Negros wie im negativ eines Fotos wieder. es sind die stärksten Momente des Buchs: Sie machen klar, wie jene Politik und Geschichte, mit der die eigene Haut gefärbt ist, zugleich subjektiv und wertungsfrei erzählt werden kann." (Wilhelm Trapp, Die ZEIT, 8.12.05)

"Ein fesselnder Text, der die Vorzüge von Essay und literarischer Reportage vereint. Der Autor wagt sich tief hinein in den Irrgarten abendländischen Denkens. Seine oft erschreckenden Funde im Fall"El Negro"illustriert Westerman mit eigenen Erfahrungen als Entwicklungshelfer auf Jamaica, in Peru und Sierra Leone. (...) Westermans jüngstes Buch mag politisch nocht sonderlich korrekt erscheinen, dafür ist es glaubwürdig, bildstark, persönlich, und es enthält ein Angebot: zur Debatte." (Uwe Stolzmann, Neue Zürcher Zeitung, 25.2.06)
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