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Produktdetails
  • Verlag: Dietz, Bonn
  • Seitenzahl: 239
  • Deutsch
  • Abmessung: 190mm
  • Gewicht: 236g
  • ISBN-13: 9783801203122
  • ISBN-10: 3801203123
  • Artikelnr.: 09890767
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.09.2001

Einwanderungsland Deutschland
Auch die Befürworter eines Gesetzes haben noch keine klaren Vorstellungen

Ursula Mehrländer, Günther Schultze (Herausgeber): Einwanderungsland Deutschland. Neue Wege nachhaltiger Integration. Verlag J.H.W. Dietz Nachf., Bonn 2001. 240 Seiten, 24,80 Mark.

Das Buch kommt zur rechten Zeit. Die Parteien haben gerade erst ihre Vorstellungen zur Einwanderungspolitik bekanntgemacht. Jetzt wartet alles auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung. Erst nach der Arbeit der Bundestagsausschüsse wird sich zeigen, ob das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode eine Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat findet. Bis dahin wird noch einige Zeit vergehen. Vielleicht will bis dahin der eine oder andere Deutsche sich etwas intensiver mit der Materie beschäftigen, als es ihm bisher während des bisweilen allzu schlagwortartigen parteipolitischen Meinungsstreits möglich war.

Eine Möglichkeit ist der schmale Band, in dem die Herausgeber elf sachkundige Autoren zu Wort kommen lassen. Alle - oder doch fast alle - Mitarbeiter stehen offensichtlich der SPD nahe oder gehören ihr an. Daraus ergibt sich, wenn auch nicht in jedem Fall automatisch, eine bestimmte politische Tendenz. Die Herausgeberin Ursula Mehrländer leitet die Abteilung Arbeit und Sozialpolitik der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, ihr Mitherausgeber Günther Schultze ist in dieser Abteilung Referent für Migrationspolitik. Bei Jochen Welt, dem Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung, ist die Sache klar: Er gehört der SPD-Bundestagsfraktion an, ebenso wie Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der das Vorwort zu dem Taschenbüchlein geschrieben hat.

Trotzdem wäre es verfehlt, diese Aufsatzsammlung als reine Unterstützung des Zuwanderungskonzepts der SPD abzutun. Es sind schon eine Menge Gedanken darin enthalten, die auch von politisch anders ausgerichteten Lesern als erwägenswert angesehen werden können. Auf jeden Fall bietet das Buch einen guten Überblick über die Vielfalt der Probleme, die durch die bisherige Einwanderung nach Deutschland entstanden sind und deren Zahl sich vermutlich vermehren wird, wenn in Zukunft Zuwanderung in noch größerem Umfang stattfindet. Empfehlenswert ist die Lektüre jener Abschnitte, in denen es um die Definition des Begriffs "Integration" geht. Was heißt eigentlich Integration? Betrifft sie nur den Zuwanderer, der sich seiner neuen Heimat rasch und vollständig anpassen soll? Oder sind auch die alteingesessenen Einheimischen verpflichtet, ihrerseits einen Beitrag zu leisten, damit sich Deutsche und ausländische Immigranten näherkommen können? Mit der Organisation von "Nachbarschaftsfesten", wie sie ein Autor in seinem Beitrag allen Ernstes vorschlägt, ist da wohl wenig auszurichten. Auch das von einigen Politikern immer wieder geforderte "Antidiskriminierungsgesetz", das sicher eines Tages verabschiedet werden wird, kann "Integration" nicht erzwingen, wie sich in den europäischen Ländern gezeigt hat, in denen es ein solches Gesetz schon gibt.

Vieles wird sich mit der Zeit von selbst regeln. Wer zu vieles auf einmal vorschreiben will, wie etwa der Leiter des Bereichs Migration und Qualifizierung beim DGB-Bildungswerk, der in seinem Beitrag aufzählt, was "wir" alles tun "müßten", wenn Integration erfolgreich sein solle, wird wenig erreichen. "Migranten müssen umfassende Möglichkeiten zum Lernen der deutschen Sprache erhalten", heißt es da zum Beispiel. Gut gesagt. Was aber sind "umfassende Möglichkeiten"? Und was ist, wenn die Migranten von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch machen wollen? Gleichwohl kommt aus den Gewerkschaften wenigstens eine Reihe praktischer Vorschläge, während die Sozialwissenschaftler sich in ihren Aufsätzen in einer unverständlichen Sprache in theoretischen Sphären bewegen, die der breiten Leserschaft mangels Vorkenntnissen verschlossen bleiben müssen. Dunkel ist hier wieder einmal vieler Professoren Rede Sinn. Da hilft nur umblättern zum nächsten, möglicherweise besser verständlichen Kapitel.

Die Autoren nehmen für sich in Anspruch "neue Wege für die Gestaltung von Integrationsprozessen" zu weisen, die sie "als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe" begreifen. Ob das Vorhaben gelungen ist, darüber läßt sich streiten. Die Diskussion über die Ausarbeitung und Verwirklichung eines tragfähigen, von möglichst vielen akzeptierten Einwanderungskonzepts, welches sie als ihr Ziel ansehen, ist noch längst nicht zu Ende. Der Ausgang ist ungewiß.

KLAUS NATORP

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