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Einfach so erzählt die Geschichte einer Frau, die in New York zu Hause ist. Sie schreibt Nachrufe für eine Zeitung, lebt mit ihrem Ehemann, einem Künstler, in einem weitläufigen Loft, hat drei aufmüpfige, aber wohlgeratene Kinder, und wenig Außergewöhnliches, nichts Dramatisches drängt sich in den Ablauf ihrer Tage. Das Außergewöhnliche liegt in ihr selbst, in ihrer Art, die Umwelt wahrzunehmen: Soll sie ein koscheres Huhn kaufen, oder darf sie auf die Instanthühnerbrühe zurückgreifen? Kann sie sich von den reichen Gastgebern mit deren Mercedes zur Dinnerparty kutschieren lassen? Ihre…mehr

Produktbeschreibung
Einfach so erzählt die Geschichte einer Frau, die in New York zu Hause ist. Sie schreibt Nachrufe für eine Zeitung, lebt mit ihrem Ehemann, einem Künstler, in einem weitläufigen Loft, hat drei aufmüpfige, aber wohlgeratene Kinder, und wenig Außergewöhnliches, nichts Dramatisches drängt sich in den Ablauf ihrer Tage. Das Außergewöhnliche liegt in ihr selbst, in ihrer Art, die Umwelt wahrzunehmen: Soll sie ein koscheres Huhn kaufen, oder darf sie auf die Instanthühnerbrühe zurückgreifen? Kann sie sich von den reichen Gastgebern mit deren Mercedes zur Dinnerparty kutschieren lassen? Ihre Lebensgeschichte - sie ist die Tochter jüdischer Eltern, die den Holocaust überlebt haben - ist immer präsent, und ihr Beruf - durch den sie häufig Begräbnisse zumeist völlig fremder Menschen besuchen muß - verstärkt das Gefühl für die Zerbrechlichkeit des Glücks.
Autorenporträt
Lily Brett wurde 1946 in Deutschland geboren. Ihre Eltern heirateten im Ghetto von Lodz, wurden im KZ Auschwitz getrennt und fanden einander erst nach zwölf Monaten wieder. 1948 wanderte die Familie nach Brunswick in Australien aus. Mit neunzehn Jahren begann Lily Brett für eine australische Rockmusik-Zeitschrift zu schreiben. Sie interviewte und porträtierte zahlreiche Stars wie Jimi Hendrix oder Mick Jagger. Heute lebt die Autorin in New York. In regelmäßigen Kolumnen der Wochenzeitung DIE ZEIT hat Lily Brett diese Stadt porträtiert. Sie ist mit dem Maler David Rankin verheiratet und hat drei Kinder.  
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.07.1998

In zwanzig Minuten ist die Mauer errichtet
Vollendet komisch, gleichwohl erschütternd: Lily Bretts autobiographischer Roman "Einfach so" · Von Eva Menasse

Muß man eigentlich verkrampft sein, um die Literatur mancher allzu offensiv spaßiger Juden zumindest befremdlich zu finden? Ephraim Kishon schreibt ein Buch mit dem Titel "Mein Kamm". Seligmann schreibt eines über einen Starkolumnisten namens Moische Bernstein. Der Humor des Buches steckt vermutlich in Sätzen wie: "Moische war überzeugt, daß die Juden so dumm geblieben wären wie die Gojim, wenn ihre Mammes sie nicht seit ewigen Zeiten in den Toches getreten hätten." Gleich in Zeile 6, nach dem Wort "Schickse", wird übrigens auf das "jiddisch-hebräische" Glossar im Anhang verwiesen - als beherrschten nicht alle Deutschen, die sich ein Buch mit dem Titel "Der Musterjude" kaufen, den Gebrauch von "Chuzpe" längst besser als die Juden selbst.

Der Humor solcher Bücher ist eine selbstgefällige Attitüde, die man sich großzügig leisten können will, ein Talent alternder, augenzwinkernder Onkels, etwas, was dem eigentlichen Leben nur scheinbar unangestrengt beigemengt wird. Deshalb ist "Mein Kamm" nicht wirklich lustig. Aus demselben Grund ist "Einfach so", der Romanerstling von Lily Brett, kein "humorvolles" Buch, wie es jetzt, angesichts seines großen Erfolgs, gelegentlich rühmend heißt.

"Einfach so" ist den originären Abartigkeiten des Lebens zu nahe und den Fingerübungen der Geistreichen zu fern, um mit den Kategorien des Humors auch nur annähernd erfaßt werden zu können. Es ist ein ungeheuerliches Buch, einerseits erschütternd, andererseits vollendet komisch, aber in der Komik liegt, im Gegensatz zum flachen Humor, ja immer hinterrücks ein Abgrund.

"Einfach so" ist die Geschichte der Esther Zepler - die ganz offensichtlich Lily Brett selbst ist -, einer Frau Mitte Vierzig, einzige Tochter zweier Auschwitz-Überlebender. Esther, glücklich verheiratet, zwei eigene Kinder, ein angeheiratetes, schreibt von Beruf Nachrufe für Zeitungen. Tagsüber recherchiert sie über Tote, und abends, zur Entspannung, liest sie Bücher mit Titeln wie "Die Fakten des Holocaust" oder "The Enigma of Sucide". Ihre einschlägige Bibliothek ist auf vierhundert Bände angewachsen. In beidem, in Beruf und "Hobby", fühlt sie sich mißverstanden, kritisiert, und zwar von allen Seiten. Ihre gleichaltrigen Freunde aus "normalen", unbelasteten Familien finden sie "morbid". Die Generation der Überlebenden hingegen will niemand anderen teilhaben lassen an ihren Verwundungen, und am wenigsten die eigenen Kinder.

Selten wurde diese unüberwindliche Mauer zwischen den Überlebenden des Holocaust und ihren Nachkommen, die von den einen als Rücksichtnahme, von den anderen aber als Zurückweisung verstanden wird, plastischer beschrieben als in diesem Buch. Esthers Vater Edek, übrigens die stärkste Figur des Buches, hätte sich seine Tochter als Rechtsanwältin gewünscht und höhnt über ihren Zeitungsjob. Henia Borenstein, die mit Edek im Konzentrationslager war, hat ebensowenig Verständnis. ",Du magst das?' sagte Henia. ,Du schreibst gerne über den Tod? Was kann man daran gern mögen? In Auschwitz, da hatte ich Tod genug.' - Esther sah auf die Uhr. Henia hatte keine zwanzig Minuten gebraucht, um Auschwitz ins Gespräch zu bringen."

Wohl ist der Vergleich schon hinkend zur Welt gekommen, trotzdem bedürfen wir seiner ständig. Soll folgender also hinken - aber im Zusammenhang mit Lily Brett muß irgendwann der Name Woody Allen fallen. Nicht bloß, weil diese Autorin Szenen und Dialoge schreibt, die in ihrer Leichtigkeit und Klugheit schlagend gerade an Allen erinnern: "Nebenan beugte sich ein Mann über den Tisch seiner Begleiterin zu. ,Dein Problem ist, daß ich dich verwöhne', sagte er. ,Du hast zuviel Sex bekommen. Ein Mann sollte einer Frau nicht zuviel Sex geben. Er sollte sie hungrig lassen.' Esther und Sean sahen sich an: ,Ich glaube, er übt sich darin, ein Sam-Shepard-Stück zu schreiben', sagte Sean."

Zum anderen widmet sich dieses literarische Alter ego Lily Bretts mit derselben masochistischen Lust den eigenen Neurosen, wie es all die filmischen Kunstfiguren unter verschiedensten Namen tun, die im Grunde doch alle Woody Allen heißen.

Esther Zepler mißbilligt etwa Juden, die Luxusautos der Marke Mercedes fahren. Sie verdächtigt reiche amerikanische Juden generell und stellt sich die Frage: Was mögen deren Eltern getan haben, als ihre eigene Mutter im KZ war? Esther kauft keine deutschen Produkte. Ihre Bestürzung ist groß, als sie darauf hingewiesen wird, daß auch "Oetker" eine deutsche Firma ist - sie hatte geglaubt, es handle sich dabei um ein niederländisches Unternehmen.

Doch das sind bloß Esthers auffallend schrullige und daher leichter faßbare Eigenschaften. Aber die Grundstimmung, die Lily Bretts Buch durchzieht, ist doch völlig verschieden von dem, was man mit Woody Allen assoziiert. Esther Zepler ist auch eine sehr tragische, bedrückende Gestalt, eine Frau, der alles fremd ist, auch das Vertrauteste. Ihre umfassende Irritation - die sie natürlich für ihre Schuld und ihren Mangel hält - wird noch davon gefördert, daß sie erst seit kurzem in New York lebt; Esther ist, wie die Autorin selbst, nach der Geburt im deutschen Durchgangslager in Australien aufgewachsen. Im Vergleich dazu erscheint ihr New York anstößig: daß plötzlich gebackene Kartoffelschalen gastronomisch en vogue sind - mit gestohlenen Kartoffelschalen hatten ihre Eltern im Konzentrationslager einmal ein "Festessen" bestritten. Daß alle Menschen ständig über Sex reden.

Lily Brett gelingen mit diesem Roman gleich zwei unendlich schwierige Dinge: Sie macht nicht nur das Lebensdrama eines Kindes von Holocaust-Überlebenden deutlich und plausibel, ein Erbe, das bedeutet, jede Alltagskleinigkeit zwanghaft mit der Vernichtung in Beziehung zu setzen, sondern sie liefert wie nebenbei ein präzises und eben oft komisches Porträt ihrer Gesellschaft. Daß sie dabei leichthändig die Ebenen wechselt, Reflexion, Assoziation, Erinnerung, Erzählung verschränkt, hat diese Autobiographie - denn darum handelt es sich, um eine literarische Autobiographie, auch wenn sie sich "Roman" nennt - zu einer Entdeckung werden lassen. Und das trotz einer geradezu unhöflichen Fülle an Druckfehlern, die sich der Verlag geleistet hat.

Lily Brett: "Einfach so". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Anne Lösch. Deuticke Verlag, Wien und München 1998. 446 S., geb., 48,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Am Ende von Einfach so gibt uns Lily Brett das gleiche Heilmittel, das ihr der Vater zeit seines Lebens verabreicht hatte. Herzhaftes Lachen, trotz aller Lebenstragik.« BÜCHERmagazin 20210520