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Produktdetails
  • Verlag: Krug & Schadenberg
  • Originaltitel: Ev Anckert
  • Seitenzahl: 255
  • Deutsch
  • Abmessung: 189mm x 126mm x 27mm
  • Gewicht: 322g
  • ISBN-13: 9783930041244
  • ISBN-10: 3930041243
  • Artikelnr.: 09551557
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.1995

Mit Bier gegen den Fettansatz
Triviales aus Japan: Mori Yôko hat auch eine Sommerliebe

Eine Frau Mitte Dreißig, verheiratet mit einem ausländischen Geschäftsmann, wohlsituiert, Mutter einer elfjährigen Tochter, als freie Übersetzerin tätig - das ist Yôko, die Ich-Erzählerin in der Titelgeschichte "Sommerliebe", einer Sammlung mit vier Erzählungen der japanischen Schriftstellerin Mori Yôko. Die gleichnamige Hauptfigur führt ein Leben in den mondänsten Vierteln von Tokio, um das sie viele Japanerinnen ihrer Generation vermutlich beneiden würden, doch sie fürchtet, mit ihrer schwindenden Jugend auch "die seelische Spannkraft zu verlieren".

Diese Furcht kompensiert sie mit wachsendem Hunger nach Sex. "Daß mein Ehemann mich nie ganz befriedigte, hielt ich für unabänderlich, weil Leidenschaftlichkeit sich nun einmal nicht erzwingen läßt. Daß er in seiner Arbeit aufging, verstand ich vollkommen. Daß er dann am Wochenende mich und Erika im Ferienhaus zurückließ und selber mit seiner Jacht hinausfuhr, fand ich ja auch noch in Ordnung. Das alles verzieh ich meinem Mann. Aber seine Unwissenheit, daß er die Angst und die Gier seiner Frau gar nicht kannte, und seine arrogante Gleichgültigkeit, daß er das alles so weiterlaufen lassen wollte, konnte ich ihm nicht verzeihen."

Es kommt, wie es kommen muß. Yôko, die in den letzten Jahren bereits mehrere Männerbekanntschaften hinter sich gebracht hat, begegnet in einer Schickeria-Bar, in der hauptsächlich Ausländer verkehren, in Anwesenheit ihres letztjährigen Schwarms, des Engländers David, dem Amerikaner Lane, und zwischen den beiden funkt es auf Anhieb: Lane findet Yôkos Bluse mit den durchschimmernden Brustwarzen, die ihn an Jane Birkin erinnern, ebenso unwiderstehlich wie Yôko den Mann mit dem seidigen schwarzen Haar und Augen so "blau wie das Meer in der Abenddämmerung". Yôko hat, wenigstens für einen Sommer, den richtigen Liebhaber gefunden. Der Tod von Elvis Presley, Mitte August den Radionachrichten entnommen, kündigt mit dem Ende des Sommers auch das Ende der Affäre an: "Da wußte ich, daß wieder eines der letzten Glanzlichter meiner Jugend endgültig erloschen war."

Japanischen Leserinnen und Lesern tut sich mit diesen Texten ein Blick in die exotische Welt der wohlhabenden, mit westlichen Ausländern verkehrenden Kreise auf, und sie erfahren, wie ein weißer Amerikaner zur Hintergrundmusik von Bach, Mozart oder Vivaldis "Vier Jahreszeiten" eine Japanerin sexuell befriedigt. Weshalb der Partner für den Seitensprung ein Ausländer zu sein habe, dazu gab die Autorin dieser 1978 erschienenen Erzählung in einem Essay Auskunft. "Japanische Männer", so schreibt sie, "bedenken die Frauen im allgemeinen nicht mit leidenschaftlichen Blicken. Sie reden mit Frauen auch nicht in leidenschaftlichen Worten."

Yôkos Studienfreund, der Architekt Shunsuke, scheint dieses Bild zu bestätigen, denn er gesteht ihr bei einem Treffen in einer Sushi-Bar: "Das ganze Drum und Dran, bevor man die Frau nimmt, lasse ich vollständig weg." Da Yôko ihm andeutet, sie habe kulinarischere Ansprüche, rechnet er sich keine Chancen bei ihr aus und verläßt "ganz ohne Sentimentalität und in fast erfrischender Schroffheit eilig" den Ort.

In einem weiteren Essay aus dem Jahre 1986 fällt die Autorin über japanische Männer ein vernichtendes Urteil. Es mangele ihnen an wahrer Männlichkeit, wie etwa Clark Gable oder John F. Kennedy sie verkörperten, sie seien abhängig und geradezu pathologische Narzißten. Wer weiß, vielleicht trug der Traum vom Superliebhaber mit den Gesichtszügen von Kennedy oder Gable - mit letzterem wird auch David in "Sommerliebe" verglichen, - zum großen Erfolg der Bestsellerautorin Mori Yôko bei, die übrigens selbst mit einem Engländer verheiratet war und 1993 starb.

An sich selbst wie an vielen Frauen in ihrer Umgebung, gesteht die Autorin, habe sie die Unzufriedenheit, den "körperlichen und seelischen Fettansatz" unausgefüllter Hausfrauen und Mütter beobachtet; der Zorn auf den Ehemann, auf sich selbst und die unerbittlich verfließende Zeit sei das Motiv für dieses Erstlingswerk gewesen. Fortan wurde der Zorn in eine Fülle von Romanen, Essays und Kurzgeschichten umgesetzt. Hauptfiguren sind stets attraktive, selbstbewußte Frauen, die zu nehmen verstehen und die unvermeidlichen Enttäuschungen mit gesundem Realitätssinn und einem Lächeln auf den Lippen auf das Konto "Reifungshilfe" verbuchen. IRMELA HIJIYA-KIRSCHNEREIT

Mori Yôko: "Sommerliebe". Roman. "Liebesgeschichten". Drei Erzählungen. Aus dem Japanischen übersetzt von Diana Donath. Edition q, Berlin 1995. 159 S., geb., 32,- DM.

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