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"Es ist eine bittere Geschichte, die Sofja Tolstaja erzählt, doch sie erzählt sie so packend geradlinig und mit solch psychologischem Gespür, dass man ihr gebannt folgt."
Felicitas von Lovenberg, Frankfurter Allgemeine Zeitung "Eine Perle."
Ulrich M. Schmid, NZZ "Eine kleine Sensation."Vogue
Eine kleine Sensation: Sofia Tolstajas Antwort auf die skandalöse "Kreutzersonate" ihres welberühmten Ehemannes
Tödliche Eifersucht, Wollust, Wahnsinn - alles bloß die Schuld der Frauen, dessen ist sich der chauvinistische Held in Tolstois Erzählung "Die Kreutzersonate" sicher. Wer ist aber
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Produktbeschreibung
"Es ist eine bittere Geschichte, die Sofja Tolstaja erzählt, doch sie erzählt sie so packend geradlinig und mit solch psychologischem Gespür, dass man ihr gebannt folgt."

Felicitas von Lovenberg, Frankfurter Allgemeine Zeitung "Eine Perle."

Ulrich M. Schmid, NZZ "Eine kleine Sensation."Vogue
Eine kleine Sensation: Sofia Tolstajas Antwort auf die skandalöse "Kreutzersonate" ihres welberühmten Ehemannes

Tödliche Eifersucht, Wollust, Wahnsinn - alles bloß die Schuld der Frauen, dessen ist sich der chauvinistische Held in Tolstois Erzählung "Die Kreutzersonate" sicher. Wer ist aber wirklich dafür verantwortlich, wenn Männer an Frauen verzweifeln und Frauen an Männern? Ist es eine Frage der Schuld oder nicht vielleicht eine von hohlen Konventionen? Die Antwort gab Sofja Tolstaja, Tolstois Frau: mit einem kleinen Roman, der psychologisch ebenso überzeugt wie literarisch.
Autorenporträt
Sofja Tolstaja (1844-1919) heiratete achtzehnjährig den wesentlich älteren Lew Tolstoi, gab alle eigenen literarischen Ambitionen auf und widmete sich ihrem Mann und ihren dreizehn Kindern. Erst spät begann sie wieder zu schreiben; ihr Roman, die Erzählungen, Tagebücher und zwei Autobiographien wurden jedoch zu Lebzeiten nicht veröffentlicht.

Ursula Keller, gebohren 1964 in Lübeck, Studium der Slavistik und Germanistik in Berlin, zahlreiche Forschungsaufenthalte in Russland. Bis 2002 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FU Berlin, Aufsätze zur Genderforschung in der Slavistik sowie biografische Essays. Lebt als freie Autorin und Übersetzerin in Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Als "funkelndes Werk" feiert Rezensent Ulrich M. Schmid diesen im Original erst 1994 erschienen Roman von Lew Tolstojs Frau Sofia, bei dem es sich seinen Informationen zufolge um eine "direkte literarische Antwort" auf Tolstojs bald verbotene Skandalerzählung "Die Kreutzersonate" von 1890 handelt, die Sofia Tolstoja als Angriff auf ihre eigene Ehe empfand. Für Schmidt erweist sich Tolstoja in ihrem Gegentext "als glänzende Autorin", die mit "scharfem Blick und stilsicherer Feder" eine Ehekrise analysiert, schreibt der Rezensent. Gerade der Vergleich mit der "Kreutzersonate" macht für Schmidt den Abgrund spürbar, der "die beiden schreibenden Eheleute" voneinander trennte.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.01.2009

Hinter diesem großen Mann schrieb eine Frau

Dass die Ehe der Tolstois schwierig war, ist bekannt. Aber dass der große russische Autor mit einer Schriftstellerin eigenen Ranges verheiratet war, erfährt man erst jetzt: durch Sofja Tolstajas Roman "Eine Frage der Schuld".

Von Felicitas von Lovenberg

In der Ehe gibt es Auseinandersetzungen, die sind nicht Streit und nicht Debatte, sondern eher ein immer wieder auftauchender Sensibilitätsunterschied - wobei zumeist die Frauen für sich den höheren Wert beanspruchen. Wie jedoch macht man dem anderen die Verletzung einer Sensibilität bewusst, die dieser selbst nicht besitzt, für die er also nur durch hohes Einfühlungsvermögen empfänglich gemacht werden könnte? Wobei das nächste Grundproblem darin besteht, dass es sich bei diesem Grad der Empathie wiederum um eine Eigenschaft handelt, die Männern von Frauen gern abgesprochen wird.

Einem Schriftsteller wie Leo Tolstoi wird man indes Einfühlungsvermögen durchaus zutrauen - es sei denn, man ist mit ihm verheiratet. Dass der literarische Meister menschlicher Regungen seine eigene Frau weniger gut zu lesen verstand, als diese sich das gewünscht hätte, ließ sich bereits ahnen, solange nur seine Sicht auf diese Ehe bekannt war - geprägt vor allem durch die Tatsache, dass Tolstoi seine Frau Sofja 1910, nach bald fünfzig gemeinsam verbrachten Jahren, verließ, um wenigstens die letzten Tage seines Lebens in Ruhe vor ihr verbringen zu können. Seine Frau, so musste man danach denken, sei eine unerträgliche Zänkerin gewesen. Vielleicht hatte diese aber auch einfach ein Leben lang das Bedürfnis, ihrem Mann einen grundlegenden Sensibilitätsunterschied zwischen ihnen klarzumachen. Im Nachlass von Sofja Tolstaja befand sich ein Manuskript, das zeigt, dass sie dazu auch den Weg der Literatur wählte. Jetzt können sich die Leser ihr eigenes Bild von der Ehe machen - nicht nur jener der Tolstois.

In der "Kreutzersonate" hatte Tolstoi 1891 das Psychogramm einer Ehe aus Sicht des Mannes entworfen, der seine Frau mit krankhafter Eifersucht überwacht und die vermeintliche Ehebrecherin schließlich umbringt. Mit "Eine Frage der Schuld" verfasste Sofja Tolstaja ihre stark autobiographisch gefärbte Antwort auf die Novelle ihres Mannes. Sie schildert die Entfremdung zwischen den Ehepartnern aus Sicht der Frau, die das Familienideal über ihr eigenes Wohlergehen stellt, und die sich immer wieder bemüht, die guten Eigenschaften ihres Mannes zu sehen, obwohl dieser ihr wenig Anlass zu dieser gnädigen Betrachtung gibt. Anna Alexandrowna, jung, schön, klug und idealistisch, eine "reine Seele", ist überzeugt, für eine glückliche Ehe brauche man vor allem "Liebe, und sie muss über allem Irdischen stehen, vollkommen sein". Als sie den um einiges älteren Fürsten Prosorski heiratet, glaubt sie zunächst, in ihm ihren Seelenverwandten gefunden zu haben - bis sie entdeckt, dass er weniger ihre Seele denn ihren Körper begehrt. Doch das ist nicht der einzige Schock, denn einmal auf dem entlegenen Gut des Fürsten, ihrem neuen Zuhause, angekommen, erfährt sie von ehemaligen Mätressen ihres Mannes oder wittert solche, die es noch werden möchten. Die Erkenntnis, dass die Ehe für ihn keinesfalls Erfüllung der ersten und wahren Liebe bedeutet, setzt ihr ebenso zu wie ihre daraus resultierende Eifersucht. Erst durch ihre Kinder findet sie zu einer Bestimmung: "Dies war das Glück, das Ziel des Lebens, sein Sinn; dies war die Bestätigung ihrer Liebe zu ihrem Mann, dies war ihre künftige Pflicht, und dies bedeutete für sie keine Spielerei, wie sie gemeint hatte, sondern wieder Leiden und Tätigsein."

Die Zeit bringt dem Paar keine Ruhe, sondern schreibt vielmehr fest, dass in dieser Ehe zwei Menschen zusammengebunden sind, die nicht zusammengehören. Er langweilt sich, sie hat alle Hände voll zu tun mit der Erziehung der vier Kinder. Erst als die Familie nach Jahren auf dem Land beschließt, einige Monate in Moskau zu verbringen, wendet sich das Blatt. Denn Anna erweist sich als glänzende Gesellschafterin, und der Fürst sieht seine schöne Frau plötzlich in neuem Licht: "Ihr Erfolg und ihr neues, lebhaftes Wesen erschreckten ihn. Sie schien ihm immer mehr zu entgleiten, und zugleich gestaltete sie ihr Stadtleben so, dass er sich zu Hause nie mehr langweilte und nicht mehr nach Zerstreuungen suchte." Nun ist es der Fürst, den Eifersucht und Misstrauen quälen, der seine Frau wieder und wieder verdächtigt, ihn zu hintergehen. In einem seiner Wutanfälle zielt er mit dem Briefbeschwerer nach ihr; sie stirbt an den Folgen der Verletzung - und ihr Mann wird seines Lebens nicht mehr froh, weil er den stetigen Charakter seiner Frau zu spät erkennt.

Es ist eine bittere Geschichte, die Sofja Tolstaja erzählt, doch sie erzählt sie so packend, geradlinig und mit solch psychologischem Gespür, dass man ihr gebannt folgt, auch wenn die Protagonistin, in der die Verfasserin sich selbst ein Denkmal gesetzt hat, bisweilen allzu heiligenhaft gezeichnet ist. Wo "Die Kreutzersonate" Beichte, Selbstanklage und Racheakt zugleich ist, ähnelt ihr Roman im Temperament seiner Heldin: Er ist bemüht um Ausgeglichenheit und Redlichkeit. Der Fürst wird nicht nur als triebgesteuerter Egoist geschildert, sondern auch als imposanter Schöngeist und Ehrenmann, und auch Anna, wenngleich von berückender Schönheit und edlem Charakter, ist nicht ganz ohne Fehl: Sie verliebt sich nämlich tatsächlich, in einen Freund ihres Mannes, doch ist dies eine rein platonische Liebe, voller Fürsorge und Anteilnahme.

"Welch Energie der Wahrheit und Schlichtheit", notierte ein beeindruckter Leo Tolstoi in seinem Tagebuch nach der Lektüre der Erzählung "Natascha". Nach deren Protagonistin, in der seine künftige Frau sich selbst porträtiert hatte, benannte er in "Krieg und Frieden" seine eigene Heldin. Die Erinnerung an diese frühe Erzählung, die sie noch vor der Hochzeit verbrannte, dürfte Sofja Tolstaja das vielfache Abschreiben des gewaltigen Romans leichter gemacht haben, wie sie die Zusammenarbeit mit ihrem Mann überhaupt als beglückend empfand, wie sie ihm einmal schrieb: "Dein Roman erhebt mich geistig und moralisch ungemein. Sobald ich mich zum Schreiben niedersetze, werde ich in eine poetische Welt getragen, und es scheint mir manchmal, dass nicht nur Dein Roman besonders gut ist, sondern dass auch ich besonders klug bin."

Die Gräfin Sofja Andrejewna Tolstaja war keine Frau, die mit falscher Bescheidenheit kokettierte: Davon legt nicht nur ihr Roman, sondern auch die kurze Autobiographie, die "Eine Frage der Schuld" ergänzt, beredt Zeugnis ab. Dort stellt Sofja Tolstaja immer wieder alle geistige Beschäftigung, Schreiben, Lesen, Malen und Musizieren, als Ursprung der eigenen Ausgeglichenheit und Stärke heraus. Bei dreizehn Kindern, Fehlgeburten nicht mitgezählt, kam sie naturgemäß wenig dazu, diese Passionen zu pflegen. Bald werden wir Gelegenheit haben, Tolstois Frau noch besser kennenzulernen. Die Slawistin Ursula Keller, die den Roman zusammen mit Alfred Frank übersetzt und ein kluges Nachwort dazu geschrieben hat, bringt in Kürze eine Biographie Sofja Tolstajas heraus.

Sofja Tolstaja: "Eine Frage der Schuld". Roman. Aus dem Russischen übersetzt von Alfred Frank und Ursula Keller. Nachwort von Ursula Keller. Manesse Verlag, Zürich 2008. 315 S., geb., 19,90 [Euro].

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